Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Rückwirkung von § 15a RVG auf Altfälle
Normenkette
RVG §§ 15, 15a, 60 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 04.06.2009; Aktenzeichen 101 O 91/06) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin des LG Berlin vom 4.6.2009 - 101 O 91/06 - abgeändert:
Die nach dem Beschluss des KG vom 29.1.2009 - 14 U 145/07 - von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten werden auf 192,73 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 6.2.2009 festgesetzt.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Im Übrigen trägt die Klägerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens beträgt 359,67 EUR.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Beklagte ist in erster Instanz des Ausgangsverfahrens in der Hauptsache zur Zahlung von 31.600 verurteilt worden. Insoweit wird auf das Urteil des LG Berlin vom 6.6.2007 - 101 O 91/06 - Bezug genommen. In der zweiten Instanz ist mit Beschluss vom 29.1.2009 das Zustandekommen eines Vergleichs festgestellt worden, wonach die Beklagte an die Klägerin weitere 10.000 EUR zahlt, von den Kosten des ersten Rechtszuges die Klägerin 1/3 und die Beklagte 2/3 tragen und die Kosten des zweiten Rechtszuges gegeneinander aufgehoben sind. Auf den Beschluss des KG vom 29.1.2009 - 14 U 145/07 - wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin war bereits vorprozessual für diese wegen desselben Gegenstandes tätig. Er hat mit Schriftsatz vom 5.2.2009 einen Kostenausgleichsantrag gestellt, in welchem für die Kosten der ersten Instanz eine 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV in Ansatz gebracht wird. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten hat mit Schriftsatz vom 5.3.2009 Kostenfestsetzung beantragt.
Die Rechtspflegerin hat bei der Kostenfestsetzung mit Beschluss vom 4.6.2009 die Kosten der Klägerin in voller Höhe berücksichtigt und die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf 552,40 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6.2.2009 festgesetzt.
Gegen diesen der Beklagten am 12.6.2009 zugestellten Beschluss hat sie am gleichen Tage Beschwerde eingelegt, mit der sie die auf Seiten der Klägerin unterbliebene Anrechnung einer 0,65 Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr rügt und erstrebt, dass sie nur 192,73 EUR an die Klägerin zu erstatten hat.
Die Rechtspflegerin hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
Die Klägerin hält den angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss im Hinblick auf die Einführung des § 15a RVG für zutreffend. Überdies sei die außergerichtliche Geschäftsgebühr allenfalls mit einem Satz von 0,25 anzurechnen.
Mit Beschluss vom 9.9.2009 hat die nach dem Geschäftsplan des Senats zuständige Einzelrichterin das Verfahren gem. § 568 Satz 2 ZPO dem Senat zur Entscheidung übertragen.
II. Die sofortige Beschwerde ist gem. § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG, § 567 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 ZPO zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Die von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 RVG-VV war anteilig um die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV zu kürzen.
1. Die Frage, wie die Anrechnungsvorschrift in Anlage 1, Teil 3, Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV in der Praxis im Einzelnen zu handhaben ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung des BGH ist eine entstandene Geschäftsgebühr unter der Voraussetzung, dass es sich um denselben Gegenstand handelt, teilweise auf die spätere Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen (BGH, Beschluss v. 22.01. 2008 - VIII ZB 57/07; Beschl. v. 30.4.2008 - III ZB 8/08; Beschl. v. 16.7.2008 - IV ZB 24/07, zitiert nach juris. de). Zur Begründung hat er sich auf den insoweit eindeutigen Wortlaut der Anrechnungsvorschrift bezogen. Dabei ist es gleichgültig, ob die Geschäftsgebühr unstreitig, geltend gemacht, tituliert oder sogar schon beglichen ist.
Diese Rechtsauffassung teilt auch der Senat. Angesichts der unmissverständlichen Formulierung des Gesetzes vermag sich der Senat der abweichenden Auffassung des 1. Senats des KG (vgl. Beschl. v. 31.3.2008 - 1 W 111/08; Beschl. v. 24.6.2008 - 1 W 111/08; Beschl. v. 17.7.2007 - 1 W 256/07) nicht anzuschließen (so auch KG, Beschl. v. 2.4.2009 - 2 W 134/08).
2. An dieser Rechtslage hat sich entgegen der Auffassung der Klägerin auch nichts durch das Inkrafttreten des neuen § 15a RVG am 5.8.2009 geändert. Denn gem. § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG ist die Vergütung nach dem bisherigen Recht zu berechnen, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung erteilt worden ist (OLG Frankfurt, Beschl. v. 10.8.2009 - 12 W 91/09; KG, Beschl. v. 13.8.2009 - 2 W 128/09; OLG Celle, Beschl. v. 26.8.2009 - 2 W 240/09; a...