Leitsatz (amtlich)
Zum rechtzeitigen Eingang eines per Fax übersandten Antrags auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 30.08.2011; Aktenzeichen 322 OWi 16/11) |
Tenor
1.
Auf den Antrag des Betroffenen auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts wird der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 30. August 2011 aufgehoben.
2.
Auf den Antrag des Betroffenen wird die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 23. Juni 2011 zugelassen.
Auf die Rechtsbeschwerde wird das genannte Urteil aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht zurückverwiesen.
Gründe
Der Polizeipräsident in Berlin hat gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 25. Oktober 2010 wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit nach § 24 StVG eine Geldbuße in Höhe von 15,00 Euro verhängt. Gegen diesen Bußgeldbescheid legte der Verteidiger des Betroffenen rechtzeitig Einspruch ein. Das Amtsgericht beraumte Termin zur Hauptverhandlung auf den 23. Juni 2011, 13.00 Uhr, an. Mit Schriftsatz vom 22. Juni 2011, der per Fax an den Faxanschluss der für die betreffende Abteilung des Amtsgerichts Tiergarten zuständigen Geschäftsstelle übersandt wurde und dort am 23. Juni 2011 um 10.58 Uhr eintraf, teilte der Verteidiger des Betroffenen dem Gericht mit, der Betroffene lasse sich zu dem Tatvorwurf dahin ein, dass er zur Tatzeit Fahrer des in dem Bußgeldbescheid bezeichneten Pkw gewesen sei, jedoch bestreite, die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten zu haben. In der Hauptverhandlung werde sich der Betroffene nicht zur Sache äußern, auch nicht auf Fragen und Vorhalte des Richters, und wolle deshalb nicht an der Hauptverhandlung teilnehmen. Das Schreiben war im Kopf im Fettdruck mit dem Vermerk versehen: "Bitte sofort dem Richter vorlegen! Hauptverhandlung 23.6.2011, 13.00 Uhr, Raum 5106!". Dem Schreiben war eine dem Verteidiger von dem Betroffenen erteilte Vollmacht beigefügt, die sich unter anderem auf "die Verteidigung und Vertretung in Bußgeldsachen und Strafsachen" erstreckte. Ausweislich eines Vermerks der zuständigen Abteilungsrichterin vom 23. Juni 2011 erreichte sie dieser Schriftsatz erst nach Ende der Sitzung gegen 15.00 Uhr. Im Hauptverhandlungstermin, zu dem weder der Betroffene noch sein Verteidiger erschienen waren, verwarf das Amtsgericht den Einspruch mit der Begründung, der Betroffene sei trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne genügende Entschuldigung im Hauptverhandlungstermin ausgeblieben, obwohl er von der Verpflichtung zum Erscheinen nicht entbunden worden sei. Das Urteil wurde dem Verteidiger des Betroffenen am 5. Juli 2011 zugestellt. Mit am 7. Juli 2011 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 6. Juli 2011 hat der Verteidiger für den Betroffenen Rechtsbeschwerde eingelegt und deren Zulassung beantragt. Mit bei Gericht am 15. August 2011 eingegangenem Schriftsatz vom 12. August 2011 hat er beantragt, die Rechtsbeschwerde wegen Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zuzulassen und auf die Rechtsbeschwerde das Urteil aufzuheben. Mit am 14. September 2011 zugestelltem Beschluss vom 30. August 2011 hat das Amtsgericht den Zulassungsantrag mit der Begründung, die Beschwerdeanträge seien zu spät angebracht worden, verworfen. Mit am selben Tage bei Gericht eingegangenem Schriftsatz vom 14. September 2011 hat der Betroffene dagegen Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts gestellt.
1.
Der gemäß § 80 Abs. 4 Satz 2 OWiG i.V.m. § 346 Abs. 2 Satz 1 StPO statthafte und fristgerecht gestellte Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts hat Erfolg. Da gemäß
§§ 79 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 4, 80 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 341 Abs. 1 StPO die einwöchige Frist für die Stellung des Antrags auf Zulassung der Rechtsbeschwerde am 12. Juli 2011 abgelaufen wäre, dauerte die sich gemäß §§ 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG, 345 Abs. 1 Satz 1 StPO daran anschließende einmonatige Frist für die Stellung der Beschwerdeanträge und deren Begründung gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 43 Abs. 2 StPO bis zum 15. August 2011, da der 13. August 2011 ein Sonnabend war.
2.
Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG zuzulassen, da es geboten ist, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben.
a) Die Verfahrensrüge, das Amtsgericht habe dem Antrag des Betroffenen, ihn gemäß § 73 Abs. 2 OWiG von der gesetzlichen Pflicht zum persönlichen Erscheinen zu entbinden, zu Unrecht nicht entsprochen und daher durch die Verwerfung seines Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, ist ordnungsgemäß ausgeführt. Der sonst im Rahmen einer Gehörsrüge erforderlichen Darlegung, was der Betroffene in der Hauptverhandlung vorgetragen hätte, bedarf es im vorliegenden Fall nicht, da der Betroffene nicht rügt, dass ihm eine Stellungnahme zu entscheidungserheblichen Tatsachen verwehrt worden sei, sondern dass das Gericht seine Erklärung ...