Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftung für Sturz eines Heimbewohners im Pflegeheim

 

Leitsatz (amtlich)

Allein der Umstand, dass ein Heimbewohner im Bereich des Pflegeheims gestürzt ist und sich dabei verletzt hat, indiziert nicht eine schuldhafte Pflichtverletzung des Pflegepersonals.

Kommt es jedoch - wie hier - im Zusammenhang mit einer konkret geschuldeten Hilfeleistung zum Sturz eines Heimbewohners, so hat der Betreiber des Pflegeheims darzulegen und zu beweisen, dass dieser Sturz nicht auf einem Fehlverhalten des mit der Pflege und Betreuung des Heimbewohners betrauten Personals beruht.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 28 O 311/05)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.

 

Gründe

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Der Senat folgt den im Wesentlichen zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet worden sind. Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beides ist nicht der Fall.

Das LG hat die Darlegungs- und Beweislast der Klägerin nicht verkannt.

Ausgangspunkt der zutreffenden Ausführungen des LG ist der folgende Grundsatz:

Allein der Umstand, dass ein Heimbewohner im Bereich des Pflegeheims gestürzt ist und sich dabei verletzt hat, indiziert nicht den Schluss auf eine schuldhafte Pflichtverletzung des Pflegepersonals (BGH, Urt. v. 14.7.2005 - III ZR 391/04, BGHReport 2005, 1377 = GesR 2006, 44 = NJW 2005, 2613). Die von der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung zitierten beiden Entscheidungen des BGH (BGH v. 28.4.2005 - III ZR 399/04, BGHReport 2005, 1042 = GesR 2005, 282 = NJW 2005, 1937.f und BGH v. 14.7.2005 - III ZR 391/04, BGHReport 2005, 1377 = GesR 2006, 44 = NJW 2005, 2613 f.), die diesen Grundsatz bestätigen, betreffen Fälle, in denen sich die Stürze -anders als vorliegend - nicht im Zusammenhang mit einer vom Pflegeheim konkret geschuldeten Hilfeleistung ereignet haben.

Kommt es aber - wie vorliegend - im Zusammenhang mit einer konkret geschuldeten Hilfeleistung zu einem Sturz eines Heimbewohners, so hat der Betreiber des Pflegeheims darzulegen und zu beweisen, dass dieser Sturz nicht auf einem Fehlverhalten des mit der Pflege und Betreuung des Heimbewohners betrauten Personals beruht (OLG Dresden v. 21.7.1999 - 6 U 882/99, OLGReport Dresden 1999, 420 = VersR 2001, 520 unter Hinweis auf BGH v. 18.12.1990 - VI ZR 169/90, MDR 1991, 846 = VersR 1991, 310; OLG Hamm, Urt. v. 18.10.2005 - 24 U 13/05, OLGReport Hamm 2006, 569 = OLGR 2006, 569).

Diese Beweislastumkehr umfasst auch den Nachweis eines objektiven Pflichtverstoßes, da der Heimbewohner im Herrschafts- und Organisationsbereich des Pflegeheims zu Schaden gekommen ist und die das Pflegeheim treffenden Vertragspflichten (auch) dahin gingen, den Heimbewohner in der konkreten Situation gerade vor dem eingetretenen Schaden zu bewahren (vgl. BGH, VersR 1991, 310).

Mithin war die Klägerin vorliegend nicht verpflichtet darzulegen und zu beweisen, dass der Sturz der Versicherten auf einer von der Beklagten nach § 278 BGB zu vertretenden schuldhaften Pflichtverletzung der Pflegekraft V. beruht. Zu Recht hat deshalb das LG die schuldhafte Pflichtverletzung der Pflegekraft V. allein aus der Tatsache abgeleitet, dass die Versicherte gestürzt ist, während sie von dieser Pflegekraft in das Bad geführt wurde.

Es oblag vielmehr der Beklagten, darzulegen, dass der Sturz nicht durch eine schuldhafte Pflichtverletzung der Pflegekraft V. verursacht worden ist. Dies ist ihr selbst dann nicht gelungen, wenn man ihren Vortrag als wahr unterstellt.

Dass die konkret von der Pflegekraft V. durchgeführte Begleitung bzw. Führung der Versicherten zum Bad nicht ausreichend war, um die Versicherte vor einem Sturz zu bewahren, zeigt der streitgegenständliche Vorfall.

Der Beklagten war aufgrund des 4-monatigen Aufenthaltes der Versicherten in dem Pflegeheim "Pr. " bekannt, dass die Versicherte an Demenz leidet, sie deshalb zu Fehlhandlungen neigt und bei ihr körperliche sowie geistige Einschränkungen bestanden haben.

Der Beklagten bzw. ihren Mitarbeitern war, wie die Beklagte selbst vorträgt, weiterhin bekannt, dass die Versicherte auf einige Gegenstände (Brille, Schuhe, Taschentücher, Taschenlampe und Brillenetui) ausgesprochen fixiert war. Die Pflegekraft V. musste deshalb trotz der Verneinung ihrer entsprechenden vorherigen Frage durch die Versicherte damit rechnen, dass diese ohne Ankündigung eine Kehrtwendung vollzieht, um nun doch einen dieser Gegenstände mit in das Bad zu nehmen.

Diese ruckartige Bewegung war für die Beklagte bzw. deren Mitarbeiter aufgrund der ausgesprochenen Fixierung...

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