Leitsatz (amtlich)
Reichweite des Konterkarierungsverbotes nach § 79 Abs. 2 S. 4 BVerfGG bei rechtskräftigen, nicht mehr vollstreckbaren Urteilen, deren Umsetzung durch Erfüllung der durch sie nach § 894 ZPO begründeten Ansprüche noch aussteht.
Zur Verfassungswidrigkeit der Begründung einer Unterhaltspflicht durch die im Nachhinein vorgenommene Gewährung eines grundpfandrechtlich gesicherten Darlehens durch den Träger von Sozialleistungen (vgl. BVerfGE FamRZ 2005, 1051 ff.).
Normenkette
ZPO § 894; BVerfGG § 79 Abs. 2 S. 4
Verfahrensgang
AG Berlin-Schöneberg (Beschluss vom 26.08.2010; Aktenzeichen 80 F 175/10) |
Nachgehend
Tenor
1. Der Antragsgegner wird in Abänderung des Beschlusses des AG â Schöneberg vom 26.8.2010 verpflichtet, die Löschung der im Grundbuch des AG Schöneberg von Lichterfelde Blatt ...in Abteilung III unter lfd. Nr. ... eingetragenen brieflosen Grundschuld für das Land ... i.H.v. nominell 76.450 DM mit 6 % Zinsen jährlich zu bewilligen.
2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
4. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 39.088,26 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin wurde durch Urteil des AG Schöneberg vom 1.8.1997, AZ ..., auf dessen zur Akte gereichte Ablichtung (Bl. 10 ff. d.A.) wegen der näheren Einzelheiten Bezug genommen wird, verurteilt, ein ihr vom hiesigen Antragsgegner angebotenes zinsloses Darlehen i.H.v. 76.449,53 DM, fällig nach ihrem Tod und dem ihres Ehemannes, anzunehmen und zur Sicherung des Darlehens eine Grundschuld auf ihrem Miteigentumsanteil an dem Hausgrundstück ..., auf ihre Kosten zu bewilligen und zu beantragen.
Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der hiesige Antragsgegner wandte - worauf er die Antragstellerin mit Rechtswahrungsanzeige vom 12.7.1990 hingewiesen hatte - der pflegebedürftigen Mutter der Antragstellerin vom 1. Juni 1990 bis 30.6.1996 Sozialhilfeleistungen in Höhe eines Gesamtbetrages von 76.449,53 DM zu. In dem vor dem AG Schöneberg geführten Rechtsstreit nahm er die Antragstellerin, die im streitgegenständlichen Zeitraum über keine eigenen Einkünfte verfügte und von ihrem Ehemann unterhalten wurde, zunächst aus übergegangenem Recht auf Unterhaltszahlung in entsprechender Höhe in Anspruch, bot ihr dann aber an, die Klageforderung zu stunden, sofern die Antragstellerin zu seinen Gunsten ein Grundpfandrecht in entsprechender Höhe auf ihrem Miteigentumsanteil am in ihrem und im Eigentum ihres Ehemannes stehenden Grundstück ...eintragen ließe. Im Verfahrensverlauf stellte der hiesige Antragsgegner dann unter Bezugnahme auf eine entsprechende Entscheidung des LG Duisburg vom 3.5.1996, AZ 24 (4) S 285/95, seine Klage auf Annahme eines über die ursprüngliche Klageforderung lautenden Darlehens und Bewilligung und Beantragung einer zu dessen Absicherung bestimmten Grundschuld auf dem Miteigentumsanteil der hiesigen Antragstellerin um.
Die Antragstellerin, die in dem Verfahren die Ansicht vertrat, mangels Leistungsfähigkeit keinen Unterhalt zu schulden und insoweit auch nicht zu einer Verwertung ihres Grundstücksanteils verpflichtet zu sein, wurde mit dem eingangs bezeichneten Urteil antragsgemäß verurteilt. Sie legte hiergegen keine Berufung ein.
Mit Schreiben vom 20.10.1997 regte der Antragsgegner an, das Grundpfandrecht aufgrund einer notariellen Bewilligung eintragen zu lassen, in der auch die Fälligkeit der Grundschuld mit Zinsen festgehalten sei. Dem entsprach die Antragstellerin und bestellte unter dem 17.12.1997 zur Urkunde des Notars ... in ..., UrNr. ...(Bl. 21 ff. d.A.), eine ab in der Urkunde näher geregelter Fälligkeitszeitpunkte mit 6 % jährlich zu verzinsende brieflose Grundschuld über 76.450 DM zugunsten des hiesigen Antragsgegners und beantragte deren Eintragung auf ihrem Miteigentumsanteil. Zugleich unterwarf sie sich der sofortigen Zwangsvollstreckung in den mit der Grundschuld belasteten Miteigentumsanteil. Die Grundschuld wurde sodann auf der Grundlage dieser Bewilligung am 16.1.1998 im Grundbuch eingetragen.
Jedenfalls seit dem 1.1.1997 erhielt die Mutter der Antragstellerin keine Sozialhilfeleistungen mehr.
Mit Urteil vom 7.6.2005 erklärte das BVerfG das Urteil des LG Duisburg vom 3.5.1996, auf das sich der hiesige Antragsgegner in dem vor dem AG Schöneberg zum Aktenzeichen ... geführten Rechtsstreit Klage begründend bezogen hatte, für verfassungswidrig. Mit Anwaltsschreiben vom 4.11.2009 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner unter Bezugnahme auf dieses Urteil des BVerfG vergeblich zur Abgabe einer Löschungsbewilligung hinsichtlich der zu seinen Gunsten eingetragenen Grundschuld auf.
Dieses Begehren verfolgt sie mit dem vorliegenden, am 2.2.2010 beim Familiengericht eingegangenen Antrag weiter. Sie hat in der ersten Instanz die Meinung vertreten, ihr stünde insoweit ein Rückgewähranspruch aus § 812 Abs. 1 BGB zu. Das aufgrund des Urteils des AG Schöneberg vom 2.8.1997 zustande gekommene Darlehen sei ge...