Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 12.01.2005; Aktenzeichen (538) 69 Js 172/03 KLs (16/04)) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin wird der Beschluß des Landgerichts Berlin vom 12. Januar 2005, soweit er die Verschonung der Angeklagten von dem Vollzug des Haftbefehls des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 16. Dezember 2003 - 353 Gs 6422/03 - betrifft, aufgehoben.
Der vorgenannte Haftbefehl ist mit der Maßgabe erneut zu vollziehen, daß die Angeklagten I und S der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge dringend verdächtig sind.
Die Angeklagten haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
Die Angeklagten wurden aufgrund des auf Fluchtgefahr gestützten Haftbefehls des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 16. Dezember 2003 wegen des Vorwurfes des bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln (Kokain) in nicht geringer Menge am 17. Dezember 2003 festgenommen und befanden sich seither in Untersuchungshaft. Die 38. große Strafkammer des Landgerichts Berlin sprach die Angeklagten am 12. Januar 2005 (dem 14. Verhandlungstag) der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig und verhängte gegen den Angeklagten I. eine Freiheitsstrafe von vier Jahren, gegen den Angeklagten S. eine solche von drei Jahren und neun Monaten.
Mit dem in der Hauptverhandlung verkündeten Beschluß vom 12. Januar 2005 verschonte die Strafkammer beide Angeklagte unter Aufrechterhaltung des Haftbefehls des Amtsgerichts vom 16. Dezember 2003 von dem weiteren Vollzug der Untersuchungshaft; sie gab ihnen auf, sich dreimal wöchentlich bei der für sie zuständigen Polizeidienststelle zu melden, dem Angeklagten I darüber hinaus, eine Sicherheitsleistung von 8.000,- EUR bei der Justizkasse Berlin zu hinterlegen. Der dagegen zu Protokoll erklärten Beschwerde (§ 304 StPO) der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft half sie nicht ab; die zugleich nach § 307 Abs. 2 StPO beantragte Aussetzung der Vollziehung der Haftverschonung lehnte die Strafkammer ab und ordnete ferner an, daß die Pässe der Angeklagten bei den Akten verbleiben.
Die Staatsanwaltschaft hat gegen das Urteil des Landgerichts in vollem Umfang Revision zuungunsten der Angeklagten eingelegt. Sie erstrebt die Verurteilung der Angeklagten zu höheren Freiheitsstrafen wegen bandenmäßigen unerlaubten Einfuhrhandels (§ 30 a Abs. 1 BtMG).
Die Beschwerde hat Erfolg.
Der Senat teilt in Anbetracht der jetzigen Erkenntnislage nicht die Ansicht der Strafkammer, daß die von ihr angeordneten milderen Mittel (§ 116 Abs. 1 StPO) ausreichen, der auch nach ihrer Auffassung fortbestehenden Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) entgegenzuwirken.
1.
Der dringende Tatverdacht (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO) ist angesichts der Verurteilung bei keinem der Angeklagten zweifelhaft. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der geständigen Einlassungen der Angeklagten I und S, die, von ihren Verteidigern schriftlich formuliert, am Tag der Urteilsverkündung abgegeben worden sind.
Bei der Prüfung der Haftfrage hat der Senat von dem Beweisergebnis der Strafkammer auszugehen, wie es im Urteilstenor seinen Ausdruck gefunden hat. Die Bewertung des Beweisergebnisses einschließlich der daraus resultierenden rechtlichen Würdigung, die eine bandenmäßige Tatbegehung nicht annimmt, kann der Senat, ebenso wie im Rahmen einer Haftentscheidung während laufender Hauptverhandlung, im Beschwerdeverfahren schon deshalb nicht auf ihre Richtigkeit überprüfen, weil er an der Hauptverhandlung nicht teilgenommen hat, die Beweisaufnahme nicht wiederholen kann und folglich auf die Bewertung durch die Strafkammer angewiesen ist, die zur Verurteilung geführt hat (vgl. KG StV 1993, 252; KG, Beschlüsse vom 6. Januar 2005 - 5 Ws 659/04 -, 18. November 2004 - 5 Ws 524/04 -).
2.
Die Fluchtgefahr kann derzeit bei beiden Angeklagten weder durch die von der Strafkammer angeordneten, noch durch andere Maßnahmen nach § 116 Abs. 1 StPO ausgeräumt werden.
Die Höhe der verhängten Freiheitsstrafen ist bei beiden Angeklagten auch unter Berücksichtigung der Anrechnung von etwa 13 Monaten Untersuchungshaft (§ 51 Abs. 1 Satz 1 StGB) noch so erheblich, daß sie bereits für sich betrachtet geeignet ist, Fluchtanreiz zu bieten. Denn bei dem Angeklagten I sind noch etwa zwei Jahre und elf Monate, bei dem Angeklagten S noch etwa zwei Jahre und acht Monate zu vollstrecken, wenn man die erkannten Strafen zugrundelegt. Gerade dies ist aber derzeit nicht ohne weiteres möglich, da die Straferwartung angesichts der Revision der Staatsanwaltschaft mit einer Unsicherheit zu Lasten der Angeklagten behaftet ist. Ob die erkannten Strafen rechtskräftig werden oder zuungunsten der Angeklagten neu bemessen werden, läßt sich zur Zeit nicht verläßlich einschätzen. Jedenfalls erscheint eine Erhöhung der erkannt...