Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 26.10.2011; Aktenzeichen (523) 252 Js 1344/11 KLs (5/11))

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin wird der Haftverschonungsbeschluss des Landgerichts Berlin vom 26. Oktober 2011 aufgehoben und der Haftbefehl des Landgerichts Berlin vom 29. September 2011 wieder in Vollzug gesetzt.

 

Gründe

Die Staatsanwaltschaft Berlin legt dem Angeklagten mit der am 8. September 2011 erhobenen Anklage gewerbsmäßigen Diebstahl in fünf Fällen, gewerbsmäßigen Betrug in Tateinheit mit Urkundenfälschung in drei Fällen sowie gewerbsmäßigen Bandendiebstahl in zwei Fällen zur Last. Der am 13. Juli 2011 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Tiergarten vom 8. Juli 2011 - 352 Gs 2470/11 - festgenommene Angeklagte befand sich seit diesem Tage in Untersuchungshaft. Das Landgericht hat am 29. September 2011 unter Aufhebung des amtsgerichtlichen Haftbefehls einen Haftbefehl nach Maßgabe des Anklagesatzes erlassen. Mit Beschluss vom 30. September 2011 hat die Strafkammer das Hauptverfahren eröffnet. Im Haftprüfungstermin am selben Tage hat das Landgericht mit ausführlicher Begründung, der der Senat beitritt, einen Antrag des Angeklagten auf Aussetzung des Haftbefehls abgelehnt und Haftfortdauer beschlossen. In einem erneuten Haftprüfungstermin hat das Landgericht den Angeklagten am 26. Oktober 2011 ohne nähere Begründung vom weiteren Vollzug der Untersuchungshaft verschont und ihm aufgegeben, sich zweimal wöchentlich auf der zuständigen Polizeidienststelle zu melden, Deutschland nicht zu verlassen und jeden Wohnungswechsel unaufgefordert mitzuteilen. Dagegen hat die Staatsanwaltschaft Berlin noch im Haftprüfungstermin Beschwerde eingelegt und beantragt, den Vollzug des Haftverschonungsbeschlusses nach § 307 Abs. 2 StPO bis zur Entscheidung des Senats auszusetzen. Die Strafkammer hat den Antrag auf Aussetzung mit der Begründung abgelehnt, der Angeklagte habe im Haftprüfungstermin einen wesentlichen Teil der ihm vorgeworfenen Taten substantiiert eingeräumt, verfüge über eine eigene Wohnung und gefestigte soziale Bindungen in Berlin, insbesondere zu seiner langjährigen Lebensgefährtin und seiner minderjährigen Tochter. Er sei nach Teilverbüßung einer Jugendstrafe von 3 Jahren und sechs Monaten im Oktober 2008 aus der Haft entlassen worden und habe die nachfolgende Bewährungszeit durchgestanden. Damit habe er im Falle seiner Verurteilung mit einer Freiheitsstrafe zu rechnen, die, auch wenn sie nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden könne, jedenfalls im offenen Vollzug vollstreckt werden könne, was die Fluchtgefahr entscheidend mindere. Das öffentliche Interesse an einer weiteren Inhaftierung des Angeklagten bis zum Erlass der Beschwerdeentscheidung überwiege daher nicht das Interesse des Angeklagten an einer sofortigen Vollziehung des Haftverschonungsbeschlusses.

Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft, der das Landgericht nicht abgeholfen hat, hat Erfolg und führt zur Aufhebung des Haftverschonungsbeschlusses und Invollzugsetzung des Haftbefehls.

1. Der Angeklagte ist der ihm im Haftbefehl zur Last gelegten Taten aufgrund der in der Anklageschrift vom 6. September 2011 aufgeführten Beweismittel sowie seines Teilgeständnisses dringend verdächtig.

2. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr. Der Senat vermag die angefochtene Entscheidung der Strafkammer nicht nachzuvollziehen. An den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten hat sich nach den der Strafkammer vorliegenden Erkenntnissen zwischen der Haftfortdauerentscheidung vom 30. September 2011 und der angefochtenen Entscheidung nichts geändert. Die Strafkammer hat den dringenden Tatverdacht auch hinsichtlich der bandenmäßigen Begehung zweier Taten seinerzeit überzeugend dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass der Angeklagte angesichts der Mindeststrafdrohungen der §§ 243 und 244 StGB im Falle seiner Verurteilung mit der Verhängung einer erheblichen, ihm Fluchtanreiz bietenden Gesamtfreiheitsstrafe zu rechnen hat, zumal er sich durch frühere Verurteilungen und Haftverbüßungen nicht von der weiteren Begehung von Straftaten hat abhalten lassen. Auch nach Auffassung des Senats hat der Angeklagte im Falle seiner Verurteilung mit der Verhängung einer mehrjährigen, ihm erheblich Fluchtanreiz bietenden Gesamtfreiheitsstrafe zu rechnen. Warum sich diese erhebliche Fluchtgefahr nunmehr gegenüber der Wertung in dem Beschluss der Strafkammer vom 30. September 2011 ausschließlich aufgrund des Teilgeständnisses des Angeklagten erheblich verringert haben soll, ergibt sich weder aus dem angefochtenen Beschluss, noch ist dies sonst ersichtlich. Dem Teilgeständnis des Angeklagten dürfte bei vorläufiger Bewertung angesichts der übrigen Beweislage nur eine geringe strafmildernde Bedeutung zukommen, zumal die geständigen Einlassungen den schwerwiegenden Vorwurf der bandenmäßigen Begehung einiger der Taten nicht umfassen.

Dem Angeklagten droht nach alledem im Falle seiner Verurteilung die Verhängung einer erheblichen deutlich über zwei Jahren liegenden...

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