Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 13 O 335/19) |
Tenor
Auf den Antrag der Beklagten vom 02.03.2021 wird die Zwangsvollstreckung aus dem am 14.08.2020 verkündeten Urteil des Landgerichts Berlin -13 O 335/19- in Bezug auf den Räumungs- und Herausgabeausspruch gegen Sicherheitsleistung in Höhe von
107.100 EUR einstweilen eingestellt.
1. Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Voraussetzungen des § 707 Abs. 1 S. 2 ZPO für eine Einstellung ohne Sicherheitsleistung liegen nicht vor. Die Beklagte hat nicht unter Offenlegung ihrer Vermögensverhältnisse glaubhaft gemacht, dass ihr eine Sicherheitsleistung nicht nur nachteilig, sondern unmöglich ist (vgl. BGH WM 1985, 1435; Beschl. v. 14.09.2015 -I ZB 61/15; OLG Nürnberg, Beschl. v. 19.10.2020 -13 U 3078/20 -juris Rn. 12; Zöller/Herget, ZPO, 33. Aufl., § 712 Rn. 5 und § 707 Rn. 13).
II. Der Senat hält jedoch unter Abwägung des Einstellungsinteresses der Beklagten mit dem Vollstreckungsinteresse des Klägers eine (vom Einstellungsbegehren sinngemäß mit umfasste) einstweilige Einstellung der Vollstreckung des Räumungs- und Herausgabeanspruchs nach §§ 719, 707 Abs. 1 S. 1 ZPO gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 6 Monatsmieten für geboten.
1) Der hinreichend gemäß § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO begründeten und damit zulässigen Berufung ist eine Erfolgsaussicht gegenwärtig nicht abzusprechen. Jedenfalls muss die Beklagte Gelegenheit erhalten, zu bestehenden Bedenken Stellung zu nehmen.
a) Die Begründung des Landgerichtsurteils jedenfalls trägt die Verurteilung nicht. Die Kündigung vom 02.10.2019 (zum 31.03.2020) ist nicht wegen fehlender Beifügung von Anlagen zum Mietvertrag gemäß §§ 550, 578, 580 a Abs. 2 BGB wirksam.
In Bezug genommene Unterlagen, die für den Inhalt des Vertrags ohne Bedeutung sind, brauchen diesem in keinem Fall beigefügt zu werden (s. BGH, Urt. v. 07.07.1999 -XII ZR 15/97, NJW 1999, 3257 -juris Rn. 38). Dass der Mietvertrag eine Anlage benennt, die nicht existiert, begründet nicht per se einen Formmangel (s. etwa BGH NJW 2000, 354 -juris Rn. 49 ff betr. Nichtexistenz des benannten Inventarverzeichnisses). Eine Anlage, die lediglich Klarstellungs- oder Beweiszwecken dient, ist für die Schriftform ohne Bedeutung, weil sie keinen eigenen rechtsgeschäftlichen Erklärungswert verkörpert (BGH NJW 2000, 354 -juris Rn. 72; NZM 2009, 198 -juris Rn. 13). Auch der Entscheidung des BGH in NZM 2007, 399 = NJW 2007, 1742 ist nicht zu entnehmen, dass das Fehlen einer in Bezug genommenen Anlage per se einen Formmangel begründet. Der dortige Fall betraf diese Frage nicht. Vielmehr ging es dort um eine wesentliche Abrede (Ausschluss der Eigenbedarfskündigung des Vermieters), und es gab eine Anlage zum Mietvertrag, jedoch Streit darüber, in welcher "Version", also mit welchem Inhalt sie von den Parteien tatsächlich gefertigt wurde. Der BGH hat einen Formmangel (nur deshalb) angenommen, weil dem allgemeinen Hinweis im Mietvertrag auf eine "Anlage" nicht entnommen werden konnte, welche der Versionen gemeint war. Es fehlte somit an der zweifelsfreien Zuordnung.
aa) Das Fehlen der Betriebskostenaufstellung als Anlage zu § 3 Nr. 2 MV führt zu keinem Formmangel.
In § 3 Nr. 2 MV wird (formularmäßig) ausdrücklich die Umlage von "Betriebskosten gemäß § 2 Betriebskostenverordnung" vorgesehen. Wenn nichts anderes vereinbart ist, ist der Vertrag gemäß §§ 133, 157 BGB dahin auszulegen, dass unter "Betriebskosten" sämtliche Kostenarten zu verstehen sind, die nach der gesetzlichen Definition im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (vorliegend: in Anl. 3 zu § 27 II. BV) umfasst sind (s. zum Wohnraummietvertrag BGH NJW
2016, 1308 Rn. 16). Für Gewerberaummietverhältnisse gilt trotz der unmittelbaren Geltung von Anl. 3 zu § 27 II. BV bzw. von § 2 BetrKV nur für Wohnraummietverhältnisse nichts anderes. Auch dort ist dem Begriff Betriebskosten zu entnehmen, dass die (im Wohnraummietrecht) gesetzlich definierten Kostenarten umgelegt werden sollen, (sogar) ohne dass diese Auslegung die Bezugnahme auf die entsprechenden Normen voraussetzt (s. BGH, Urt. v. 08.04.2020 -XII ZR 120/18, NJW-RR 2020, 656 Rn. 20-25). Dass sinnvollerweise oder üblicherweise im Gewerbemietrecht verabredete Kostenarten damit nicht erfasst werden, ist unerheblich. Vorliegend verweist § 3 Nr. 2 MV sogar nicht nur auf "Betriebskosten", sondern explizit auf die nach § 2 BetrKV, was in jedem Fall eine Regelung mit bestimmbarem Inhalt darstellt.
bb) Ebenso begründet es keinen Formmangel, dass § 7 MV formularmäßig auf eine Anlage "Mietraumbeschreibung und Übergabeprotokoll" Bezug nimmt, die es nicht gibt.
Ein Protokoll wäre nur notwendiger Vertragsbestandteil, wenn es zur Individualisierung der Mieträume erforderlich wäre, nicht aber, wenn es nur als Orientierungshilfe der Verdeutlichung des Mietgegenstands dienen (vgl. BGH NJW 2007, 1817 Rn. 10 f.) oder nur Beweiszwecken dienen würde, weil es dann keinen eigenen rechtsgeschäftlichen Erklärungswert verkörpert (s. BGH NJW 2000, 354 -juris Rn. 72; NZM 2009, 198 -juris Rn. 13)...