Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 13 O 335/19)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das am 14.08.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 13 O 335/19 - wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das angefochtene Urteil und dieses Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte darf die Vollstreckung wegen des Räumungs- und Herausgabeanspruchs durch Sicherheitsleistung in Höhe von 107.100 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Wegen der Kosten darf die Beklagte die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Beklagte hat vom Kläger mit dem ausgefüllten Formular "Einheitsmietvertrag", das beiderseits am 23.09.2005 unterzeichnet wurde, und dem (nur) die (ebenfalls unterzeichnete) "Anlage zum Gewerbemietvertrag vom 23.09.2005." (mit 8 Punkten) beigefügt war, das Objekt XX Straße, XXX Berlin zum Betrieb als "Hotel-Pension" angemietet. Auf den Inhalt der Anlage K 1 wird Bezug genommen. Die Parteien streiten über den Fortbestand des Mietvertrags. Der Kläger hat mit Anwaltsschreiben vom 02.10.2019 (K 3) wegen vermeintlicher Schriftformmängel die Kündigung zum 31.03.2020 erklärt. § 2 MV sieht eine Laufzeit bis 31.10.2020 "mit Option für 2 × 5 Jahre" vor. Die Beklagte hat die Optionsrechte für sich in Anspruch genommen und mit Schreiben vom 01.08.2018 ausgeübt (vgl. Anl. K 4). Die Beklagte hat die Miete für April und Mai 2020 (bis heute) nicht gezahlt, weshalb der Kläger mit Schriftsatz vom 13.05.2020 im vorliegenden Prozess (zugegangen vor dem 15.05.2020) vorsorglich eine fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs erklärt hat.

Wegen der erstinstanzlichen Anträge und der weiteren Feststellungen wird auf das Landgerichtsurteils Bezug genommen. Das Landgericht hat die Beklagte zur Räumung und Herausgabe verurteilt und ausgeführt, dass die am 02.10.2019 erklärte Kündigung wirksam sei. Die Schriftform sei wegen fehlender Beifügung der im Mietvertrag in Bezug genommenen Anlagen (§ 3 Nr. 2 MV: Anlage "Betriebskostenaufstellung"; § 7 MV: Anlage "Mietraumbeschreibung und Übergabeprotokoll" Anlage zu Ziff. 4 der Anlage zum Mietvertrag: Vollmacht des Vermieters für den Mieter) nicht gewahrt.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten. Innerhalb der Berufungserwiderungsfrist hat der Kläger mit Schriftsatz vom 13.01.2021, S. 7 (zugegangen vor dem 05.02.2021) vorsorglich eine weitere fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzugs erklärt. Unstreitig ist, dass die Beklagte auf die (mit monatlich 17.850 EUR brutto vereinbarte) Miete für November 2020 bis Januar 2021 nur je 595 EUR brutto gezahlt hat.

Die Beklagte trägt zur Berufungsbegründung vor:

1) Entgegen der Annahme des Landgerichts folge ein Formmangel noch nicht daraus, dass Anlagen, auf die der Mietvertrag Bezug nehme, nicht beigefügt seien. Die angeführte Entscheidung BGH NZM 2007, 399 Rn. 21 liege anders, da dort in Frage stand, ob die Anlage eine wesentliche Abrede enthielt (Verzicht des Vermieters auf Eigenbedarfskündigung). Hingegen hätten die im hiesigen Vertrag erwähnten Anlagen bei sachgerechter Auslegung praktisch keine Bedeutung. Es entspreche der BGH-Rechtsprechung (s. NZM 1999, 761), dass nicht alles, was die Parteien als "Anlage" zum Mietvertrag bezeichneten, diesem zur Schriftformwahrung auch beigefügt werden müsse.

Es könne davon ausgegangen werden, dass das verwendete Formular der Fa. Zweckform in § 3 Nr. 2 mit der Anlage "Betriebskostenaufstellung" den Katalog des § 2 BetrKV meine. Darauf komme es hier jedoch nicht an, da die Auslegung des Mietvertrags ergebe, dass von der Beklagten keine Betriebskostenvorauszahlungen geleistet werden sollten, sondern sie alle Betriebskosten direkt tragen sollte. Dies ergebe sich daraus, dass in § 3 Nr. 2 MV unter "monatlicher Gesamtbetrag (1. und 2.)" - somit Gesamtbetrag aus Grundmiete und Vorauszahlungen - ebenfalls (nur) der Betrag von 15.000 EUR zzgl. MwSt. eingesetzt sei, und aus Ziff. 5 der beigefügten Anlage ("Der Mieter ist vom Vermieter bevollmächtigt, alle Dienstleistungsverträge, Wartungs- u. Versicherungsverträge abzuschließen, abzurechnen und zu bezahlen. Das Gleiche gilt für die Bezahlung der Grundsteuer.").

Das in § 7 MV genannte Übergabeprotokoll sei schon deshalb bedeutungslos, weil der Mietvertrag am 23.09.2005 unterzeichnet wurde und das Mietverhältnis erst am 01.11.2005 beginnen sollte.

Die in Ziff. 4 der Anlage zum Mietvertrag in Bezug genommene "Vollmacht" sei nicht wesentlich, schon weil deren Inhalt in Ziff. 5 der Anlage ausreichend ausgestaltet sei.

Auch Mehrdeutigkeiten seien der Auslegung zugänglich und nicht schriftformschädlich (Schmidt-Futterer/Lammel, Mietrecht, 14. Aufl., § 550 Rn. 34), zumal ein potentieller Erwerber bei Zweifeln rückfragen kön...

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