Leitsatz (amtlich)
Die erst in zweiter Instanz erklärte Aufrechnung gegen Wohngeldforderungen ist zuzulassen, wenn das WEG-Gericht die Aufrechnung für sachdienlich hält. Die weitere Voraussetzung des § 533 Nr. 2 ZPO n.F. ist im FGG-Verfahren nicht anwendbar. Nach wie vor ist aber die Sachdienlichkeit zu verneinen, wenn das Bescherdeverfahren durch Zulassung der Aufrechnung verzögert würde. Dasselbe gilt für eine zweitinstanzliche Antragserweiterung in WEG-Sachen, die nicht unter § 264 ZPO fällt.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 25.04.2003; Aktenzeichen 85 T 375/02) |
AG Berlin-Wedding (Beschluss vom 14.03.2002; Aktenzeichen 70-II 260/01) |
Tenor
Die sofortige weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat die Gerichtskosten dritter Instanz zu tragen und dem Antragsteller die notwendigen außer gerichtlichen Kosten dritter Instanz zu erstatten.
Der Geschäftswert dritter Instanz wird auf 5.062,63 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Antragsteller ist Verwalter der Wohnanlage, in welcher der Antragsgegner seit dem 1.8.1998 als Eigentümer der Einheit Nr. 21 eingetragen ist. Der Antragsteller ist gem. § 2 Nr. 3 des Verwaltervertrages vom 4.10.2001 ermächtigt, Wohngeldforderungen im eigenen Namen unter Hinzuziehung eines Rechtsanwalts geltend zu machen. In der Eigentümerversammlung vom 4.10.2001 wurde der Wirtschaftsplan für das Rumpfgeschäftsjahr vom 1.5. bis zum 31.12.2001 beschlossen. Zu TOP 3 wurde der Wirtschaftsplan für 2002 beschlossen. Der Antragsteller hat zunächst das Wohngeld für das Rumpfgeschäftsjahr 2001 und für das Jahr 2002 vom Antragsgegner gefordert. Nachdem in der Eigentümerversammlung vom 29.3.2002 die Jahresabrechnung für 2001 beschlossen worden war, hat der Antragsteller für 2001 nur noch den sich daraus ergebenden Nachzahlungsbetrag vom Antragsgegner verlangt. Das AG hat mit Beschl. v. 14.3.2002 den Antragsgegner verpflichtet, an den Antragsteller 2.118,45 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Im Hinblick auf eine am 24.9.2002 erbrachte Zahlung des Antragsgegners hat der Antragsteller den Anspruch auf 2.062,62 EUR reduziert. In der mündlichen Verhandlung vor dem LG am 25.4.2003 hat der Antragsgegner die Aufrechnung mit dem erststelligen Teilbetrag aus einem Gesamtbetrag von 2.500 DM erklärt, die er gem. einer Quittung vom 4.11.2002 an einen Rechtsanwalt mit der Zweckbestimmung "BEWAG für S. u.a. von M.S./Hauptforderung" gezahlt habe, und im Wege des Gegenantrages beantragt, den Antragsteller mit sofortiger Wirkung aus wichtigem Grunde als Verwalter abzuberufen. Das LG hat mit dem angefochtenen Beschl. v. 25.4.2003 die Erstbeschwerde, soweit sich der Zahlungsantrag nicht in der Hauptsache erledigt hat, zurückgewiesen und die zweitinstanzliche Aufrechnung und Gegenantragstellung als unzulässig angesehen. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners bleibt erfolglos.
II. Die sofortige weitere Beschwerde des Antragsgegners ist gem. §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässig, jedoch in der Sache nicht gerechtfertigt. Eine Rechtsverletzung, auf welche die sofortige weitere Beschwerde mit Erfolg allein gestützt werden kann (§ 27 Abs. 1 FGG), weist der angefochtene Beschluss nicht auf.
1. Ohne Rechtsirrtum hat das LG den Antragsgegner zur Zahlung von Wohngeld in der noch geltend gemachten Höhe verpflichtet. Diese Zahlungsverpflichtung hat der Antragsgegner mit seiner Rechtsbeschwerdebegründung vom 16.7.2003 nicht angegriffen. Er hat vielmehr geltend gemacht, die in der mündlichen Verhandlung vom 25.4.2003 erklärte Aufrechnung wegen einer Zahlung am 4.11.2002 müsse entsprechend § 533 ZPO zugelassen werden, weil diese Zahlung auf einer Notgeschäftsführung des Antragsgegners für die Eigentümergemeinschaft beruhe.
2. Verfahrensfehlerfrei hat das LG die Zulassung der am Schluss der zweiten Instanz erklärten Aufrechnung mit Ansprüchen aus Notgeschäftsführung abgelehnt. Unter Geltung der ZPO i.d.F. bis zum 1.1.2002 war auch für das WEG-Verfahren anerkannt, dass sich die Zulassung eines Gegenantrages oder einer Aufrechnung in zweiter Instanz nach dem damaligen § 530 ZPO (Vorgänger des jetzigen § 533 ZPO) richtet (KG KGReport 2002, 36/37). Entgegen der vom LG im vorliegenden Verfahren geäußerten Rechtsansicht ist auf die Zulassung von Gegenantrag und Aufrechnung in zweiter Instanz nach In-Kraft-Treten der ZPO-Reform nunmehr nicht uneingeschränkt § 533 Nr. 2 ZPO n.F. anwendbar, wo neben der Einwilligung des Gegners oder alternativ der Sachdienlichkeit dieser Verteidigungsangriffe zusätzlich vorausgesetzt wird, dass nur das Sachvorbringen berücksichtigt werden darf, dass nach dem Berufungsverfahren in der neuen Gestalt verwendet werden darf. Denn diese zusätzliche Einschränkung beruht auf der Neugestaltung des Berufungsverfahrens in Annährung an eine lediglich rechtliche Überprüfung nach dem Vorbild der Revision und ist auf das Erstbeschwerdeverfahren nach dem FGG nicht zu übertragen. Das zweitinstanzliche Verfahren nach der FGG ist als zweite Tatsacheninstanz ausgestaltet, was eine verfahrensrechtliche Einschränkung des ...