Entscheidungsstichwort (Thema)

Urheberrechtsschutz für Sachverständigengutachten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gutachten (hier über Verkehrswerte für Grundstücke) sind - was die Frage ihrer Urheberrechtsschutzfähigkeit angeht - grundsätzlich nicht dem literarischen Bereich zuzuordnen, sondern dem wissenschaftlichen Bereich.

2. Bei derartigen Schriftwerken kann die persönliche geistige Schöpfung nicht mit dem wissenschaftlichen oder technischen Inhalt der Darstellung begründet werden.

3. Ob ein wissenschaftlicher oder technischer Text unter dem - zwar nicht in erster Linie aber gleichwohl auch in Betracht kommenden - Blickwinkel der Gedankenformung und -führung den nötigen geistig-schöpferischen Gehalt hat, beurteilt sich danach, ob der betreffende Text eine individuelle - originelle - eigenschöpferische Darstellung enthält.

4. Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass gutachterliche Schriftwerke die für ein Sprachwerk i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG notwendige Schöpfungshöhe erreichen, trägt grundsätzlich der sich auf den Urheberrechtsschutz Berufende.

 

Normenkette

UrhG § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 22.02.2011; Aktenzeichen 16 O 271/10)

 

Tenor

I. Die Parteien werden darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Berlin vom 22.2.2011 - 16 O 271/10 - durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

Der Kläger erhält Gelegenheit, hierzu innerhalb von zwei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses schriftsätzlich Stellung zu nehmen.

II. Der Wert des Berufungsverfahrens wird - in Übereinstimmung mit der Festsetzung des LG für die erste Instanz - auf 90.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Berufung hat nach Überzeugung des Senats keine Aussicht auf Erfolg. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts. Der Senat beabsichtigt daher, das Rechtsmittel nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen, und gewährt hiermit zuvor rechtliches Gehör, § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO.

1. Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Gemäß § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die erstinstanzliche Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beides ist hier nicht der Fall.

Zutreffend hat das LG einen nach dem Sachvortrag des Klägers allein in Betracht kommenden Anspruch aus §§ 97 Abs. 1 Satz 1, 15 ff., 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG bereits mit der Begründung verneint, dass die streitgegenständlichen gutachterlichen Ausführungen des Klägers keine die notwendige Schöpfungshöhe nach § 2 Abs. 2 UrhG erreichenden Sprachwerke i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG darstellen. Etwas anderes ist auch in der Berufungsbegründung vom 30.3.2011 nicht triftig aufgezeigt.

a. Die für die Annahme eines Sprachwerks nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 UrhG erforderliche persönliche geistige Schöpfung kann einerseits in der Gedankenformung und -führung liegen, andererseits aber auch in der Form und Art der Sammlung, der Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffs (BGH - WK-Dokumentation - GRUR 1982, 37, Rz. 22 nach juris).

Gutachten über Verkehrswerte für Grundstücke sind - wie etwa auch Anwaltsschriftsätze vgl. zu diesen BGH - Anwaltsschriftsatz - GRUR 1996, 739, Rz. 12 nach juris) - grundsätzlich dem wissenschaftlichen und nicht dem literarischen Bereich zuzuordnen.

Bei wissenschaftlichen Schriftwerken kann die persönliche geistige Schöpfung nicht mit dem schöpferischen Gehalt des wissenschaftlichen oder technischen Inhalts der Darstellung begründet werden. Dies folgt aus dem Wesen des Urheberrechtsschutzes und seiner Abgrenzung gegenüber den technischen Schutzrechten; bei einem urheberrechtlichen Schutz der technischen Lehre würde in das bestehende Ordnungssystem der technischen Schutzrechte mit ihren anders gearteten formellen und materiellen Schutzvoraussetzungen und ihrer wesentlich kürzeren Schutzdauer eingegriffen werden. Das technische Gedankengut eines Werkes - die technische Lehre als solche - kann danach nicht Gegenstand des Urheberrechtsschutzes sein und kann daher auch nicht zur Begründung der Schutzfähigkeit von Schriftwerken, die die technische Lehre enthalten, herangezogen werden. Die Urheberrechtsschutzfähigkeit solcher Schriftwerke kann ihre Grundlage allein in der - notwendig schöpferischen - Form der Darstellung finden (BGH - Ausschreibungsunterlagen - GRUR 1984, 659, Rz. 22 nach juris). Die Freiheit der wissenschaftlichen Lehre und die sich aus der Thematik der wissenschaftlichen Arbeit etwa vorgegebene Gliederung und Fachsprache setzen dem Urheberrecht allerdings auch für Darstellungen und Gestaltungen Schranken (BGH - Staatsexamensarbeit - GRUR 1981, 352, Rz. 18, 43 nach juris).

Bei Schriftwerken wissenschaftlicher oder technischer Art findet der für einen Urheberrechtsschutz erforderliche geistig-schöpferische Gehalt seinen ...

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