Entscheidungsstichwort (Thema)

Pauschgebühren

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Festsetzung von Pauschgebühren, hier speziell in einem Staatsschutzverfahren

 

Normenkette

RVG § 51

 

Tenor

Dem Pflichtverteidiger, Rechtsanwalt L., wird auf seinen Antrag gem. § 51 RVG eine Pauschgebühr in Höhe von

32.000,00 (zweiunddreißigtausend) Euro

bewilligt.

Die Umsatzsteuer wird von dem Urkundsbeamten gesondert festgesetzt.

 

Gründe

Der Senat hat den Angeklagten nach 63 Verhandlungstagen, von denen der Antragsteller als Pflichtverteidiger an 56 Tagen teilgenommen hat, am 16. Oktober 2009 wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung in Tateinheit mit versuchter Brandstiftung und versuchter Zerstörung wichtiger Arbeitsmittel zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Mit der Verwerfung der Revision des Angeklagten durch Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 3. Mai 2011 (3 StR 277/10) ist das Urteil rechtskräftig geworden. Der Antragsteller war bereits im Ermittlungsverfahren seit dem 31. Juli 2007 für den Angeklagten tätig und ist am 2. Oktober 2007 zu seinem Pflichtverteidiger bestellt worden. Mit Beschluss vom 10. September 2009 ist seine Vergütung gemäß § 55 RVG auf 24.229,73 Euro festgesetzt worden; sein weitergehender Antrag wurde zurückgewiesen. Die dagegen gerichtete Erinnerung hat der Senat mit Beschluss vom 28. September 2009 zurückgewiesen. Mit seinem Antrag vom 8. September 2011 begehrt der Antragsteller die Festsetzung einer Pauschgebühr "in angemessener Höhe". Der Antrag hat Erfolg.

1. Entgegen der Ansicht des Bezirksrevisors des Kammergerichts, der die Zurückweisung angetragen hat, ist das Verfahren in der Gesamtschau als besonders umfangreich und schwierig anzusehen und sind die Pflichtverteidigergebühren "nicht zumutbar" im Sinne des § 51 RVG.

a) Besonders umfangreich ist ein Strafverfahren, wenn der von dem Verteidiger erbrachte zeitliche Aufwand erheblich über dem Zeitaufwand liegt, den er in einer "normalen" vergleichbaren Sache zu erbringen hat (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Oktober 2011 - 1 ARs 8/11 -; Saarländisches OLG RVGreport 2011, 58). Als Vergleichsmaßstab dienen dabei gleichartige Verfahren, hier also solche, die vor einem Strafsenat des Oberlandesgerichts verhandelt werden. Der besondere Umfang bemisst sich aufgrund der objektiven Gesamtumstände nach dem zeitlichen Aufwand der jeweiligen Verteidigertätigkeit. Dabei sind die Dauer und die Anzahl der einzelnen Verhandlungstage, die Terminsfolge, die Gesamtdauer der Hauptverhandlung, der Umfang und die Komplexität des Verfahrensstoffs sowie das Ausmaß der von dem Rechtsanwalt wahrgenommenen weiteren Tätigkeiten, wie etwa die Durchführung von Mandantenbesprechungen, die Teilnahme an Haftprüfungen, polizeilichen Vernehmungen und Anhörungen von Sachverständigen, das Führen einer umfangreichen Korrespondenz sowie die Wahrnehmung von sonstigen Gesprächsterminen von Bedeutung (vgl. Senat aaO. mit weiteren Nachweisen). Allerdings kann eine Vielzahl von jeweils einzeln vergüteten Hauptverhandlungsterminen das gesteigerte Ausmaß eines anderen für die Bemessung einer Pauschvergütung relevanten Merkmals kompensieren (vgl. BVerfG NJW 2005, 1264; Senat, Beschluss vom 15. Oktober 2009 - 1 ARs 18/07 -; OLG Köln StraFo 2006, 130; OLG Frankfurt NJW 2006, 457; Saarländisches OLG aaO.).

b) Eine "besondere Schwierigkeit" der Sache ist dann gegeben, wenn das Verfahren aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen über das Normalmaß hinaus in besonderem Ausmaß verwickelt ist, wobei zur Auslegung des Begriffes auf die zu § 99 BRAGO ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann (Burhoff in Gerold/Schmitt, RVG 21. Aufl., § 51 Rdn. 28 und 31 m.w.N.).

c) Unzumutbar ist die sonst maßgebliche Gebühr, wenn sie augenfällig unzureichend und unbillig ist. Diese Situation tritt keineswegs schon bei jeder Strafsache ein, deren Umfang oder Schwierigkeit das Normale übersteigt (Senat, Beschluss vom 20. August 2007 - 1 ARs 54/07 -; Hartmann, Kostengesetze 44. Aufl., § 51 RVG Rdnr. 2). Dabei ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, die Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG von dem zusätzlichen Merkmal der Unzumutbarkeit, welches den Anwendungsbereich des § 51 Abs. 1 RVG zugleich einschränken und den Ausnahmecharakter dieser Regelung zum Ausdruck bringen soll (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 291), abhängig zu machen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. März 2007 - 2 BvR 51/07 -). Ob solche Erschwernisse vorgelegen haben, die die zu einer unzumutbaren Belastung des Pflichtverteidigers geführt haben, richtet sich grundsätzlich nach dem Umfang der Tätigkeit im gesamten Verfahren. Daher ist eine Gesamtschau aller anwaltlichen Tätigkeiten von der Bevollmächtigung bzw. Bestellung bis zum rechtskräftigen Verfahrensabschluss vorzunehmen, um zu klären, ob die Tätigkeit des Antragstellers mit den gezahlten Gebühren unzumutbar niedrig vergütet ist und ihm damit ein Sonderopfer abverlangt wird (Senat, Beschluss vom 15. Oktober 2009 - 1 ARs 18/07 -).

d) Liegen diese Voraussetzungen vo...

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