Entscheidungsstichwort (Thema)
Selbständiges Beweisverfahren
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen eines selbständigen Beweisverfahrens im Arzthaftungsprozess.
2. Der medizinische Sorgfaltsmaßstab ist nicht Gegenstand der Beweiserhebung nach § 485 Abs. 2 ZPO.
Normenkette
ZPO § 485
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 26.01.2006; Aktenzeichen 13 OH 7/05) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der Zivilkammer 13 des LG Berlin vom 26.1.2006 teilweise geändert:
Es soll über folgende Behauptungen des Antragstellers durch Einholung von Sachverständigengutachten auf den Gebieten Kinderchirurgie, Diabetologie, Endokrinologie Beweis erhoben werden:
a) Wäre er sofort am 31.1.2003, spätestens am 1.2.2003 operiert worden, wäre ein Durchbruch des Appendix mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden und eine folgenlose Heilung bei etwa viertägigem Klinikaufenthalt erreicht worden; insbesondere wäre weder der eingetretene Diabetes mellitus Typ I noch eine autoimmume Thyreoiditis bei ihm ausgelöst worden.
b) Es sei bei ihm mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit am 8.2.2003 bereits eine Perforation der Appendix eingetreten. Bei sofortiger Appendektomie wären weder die am 12.2.2003 bei der dann durchgeführten Appendektomie festgestellten massiven Verklebungen von Netz und Dickdarm im Bereich des rechten Unterbauchs, die sehr massiven Verwachsungen, der Darmverschluss (Ileus) eingetreten noch eine Diabeteserkrankung noch eine autoimmune Thyreoiditis bei ihm ausgelöst worden, welche fortbestünden.
c) Folgende Beeinträchtigungen und Leiden wären bei ihm bei sofortiger Appendektomie am 1.2.2003 (Antragsgegnerin zu 1.) bzw. 8.2.2003 (Antragsgegnerin zu 2.) nicht eingetreten bzw. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vermieden worden:
- Fieberanstieg und starke Bauchschmerzen am 7. und 8.2.2003
- Perforation des Appendix mit perityphlitischem Abszess
- diffuse Peritonitis, Ileus, massive Verklebungen von Netz und Dickdarm im Bereich des rechten Unterbauches, massive Verwachsungen, massive Bauchschmerzen, Fieber, Durchfälle, körperliche Schwäche und Angst, nicht wieder gesund zu werden, in der Zeit vom 8. bis 12.2.2003
- nach dem 12.2.2003 Atemnot, sodass Sauerstoff zugeführt werden musste, stechender Schmerz in der Brust beim tiefen Einatmen, Schwäche und Schwindel im Liegen, kalte und warme Schweiße im Wechsel, große Reizbarkeit, Schmerzempfindungen auf die Stimmen der Ärzte und Schwestern
- Entzündung der Schilddrüse, der Leber, der Bauchspeicheldrüse, beginnende Pneumonie, paralytischer Ileus, Diabetes mellitus Typ I, Übelkeit und häufige Durchfälle, Gefahr des akuten Nierenversagens, Wechsel zwischen Frieren und Schwitzen, immer wieder stechender Schmerz im Bauchraum
- Hautausschlag über den ganzen Körper mit Juckreiz als allergische Folge der Behandlung mit Antibiotika
- Angstentwicklung vor Diabetes mellitus und dessen Behandlung, vor häufigen Spritzen, Blutentnahmen
- in der Folgezeit immer wieder stechende Schmerzen im Unterbauch mit Angst vor weiteren Operationen
- in unregelmäßigen Abständen stechender Schmerz in der Herzgegend
- Ernährungsumstellung und ständige Kontrolle der Ernährung mit mehrmals täglicher Blutzuckerbestimmung als Dauerfolge; dadurch Einschränkung in allen Belangen des täglichen Lebens, insbesondere bei sportlichen Aktivitäten
2. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
3. Die weiteren Anordnungen werden dem LG übertragen.
4. Die Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren beträgt 25 EUR.
Gründe
Die gem. §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet und im Übrigen unbegründet.
1. Das gegen die Passivlegitimation der Antragsgegnerin zu 1. angedeutete Bedenken nimmt auf die Entscheidung des Senats mit Urt. v. 2.6.2005 - 20 U 186/04 - zur Auslegung des § 2 des Gesetzes zur Errichtung der Gliederkörperschaft "C.-U.B." vom 27.5.2003 (= Art. I des Vorschaltgesetzes vom 27.5.2003, GVBl. S. 185) Bezug, wonach die Haftung des Landes Berlin nicht auf den neu gegründeten Rechtsträger übergegangen ist. Dieses Bedenken ist jedoch inzwischen durch den Gesetzgeber mit dem Berliner Universitätsmedizingesetz vom 5.12.2005 behoben worden, in dessen § 1 Abs. 2 nunmehr ausdrücklich die Gesamtrechtsnachfolge bestimmt ist. Die Berichtigung des Antragstellers war unbeachtlich, weil die rechtliche Konstruktion des Landes Berlin, vertreten durch das U.C., nicht existiert und offensichtlich der Antrag weiterhin gegen die Körperschaft öffentlichen Rechts "C.-U.B. (C.)" gerichtet sein soll.
2. Die Voraussetzungen des § 485 Abs. 1, Alt. 1 (Zustimmung des Gegners) und Alt. 2 (Gefahr des Beweismittelverlustes) ZPO liegen nicht vor und sind auch nicht geltend gemacht.
3. Die Beweisfragen des Antragstellers überschreiten den zulässigen Bereich des § 485 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ZPO, sodass sie zum Teil deshalb als unzulässig zurückzuweisen waren.
a) Soweit der körperliche Zustand des Antragstellers zu verschiedenen Zeitpu...