Leitsatz (amtlich)
Das selbständige Beweisverfahren beschränkt bei der Verletzung einer Person darauf, den Zustand der Person, die hierfür maßgeblichen Gründe und die Wege zur Beseitigung des Schadens festzustellen. Die Frage, ob der medizinische Sorgfalts- maßstab nicht eingehalten worden ist, und somit ein Behandlungsfehler vorliegt, kann nicht Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens nach § 485 Abs. 2 ZPO sein.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 18.03.2011; Aktenzeichen 36 OH 5/10) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des LG Berlin vom 18.3.2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden dem Antragsteller nach einem Wert i.H.v. bis 7.000 EUR auferlegt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
1. Die nach § 567 Abs. 1 ZPO statthafte und nach § 568 Satz 1 ZPO vom Einzelrichter zu entscheidende, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.
Das LG hat den Antrag des Antragstellers auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens zu den in dem angefochtenen Beschluss genannten Beweisfragen zu Recht abgelehnt.
Wegen der Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die zutreffenden und umfassenden Ausführungen in dem angefochtenen Beschluss verwiesen, denen sich der Senat anschließt und die auch der ständigen Rechtsprechung des Senats entsprechen (vgl. z.B. Beschl. v. 11.9.2006 - 20 W 35/06 -, KGReport Berlin 2007, 539; Beschl. v. 14.5.2009 - 20 W 15/09; Beschl. v. 15.2.2010 - 20 W 5/10) Beschl. v. 28.1.2010 - 20 W 3/10).
Die Rechtsprechung des Senats entspricht wiederum der Auffassung des BGH in dem Beschl. v. 21.1.2003 - VI ZB 51/02 - (= NJW 2003, 1741 = BGHZ 53, 302), auf den sich nicht nur das LG in dem angefochtenen Beschluss, sondern auch der Antragsteller in der Beschwerdeschrift berufen.
Auch der Antragsteller räumt ein, dass sich das selbständige Beweisverfahren bei der Verletzung einer Person darauf beschränkt, den Zustand der Person, die hierfür maßgeblichen Gründe (haftungsbegründende Kausalität) und die Wege zur Beseitigung des Schadens festzustellen. Ferner sei - so der Antragsteller - auch zutreffend, dass die Frage des Verschuldens des Arztes und die (haftungsausfüllende) Kausalität für den weiteren (Vermögens-) schadens nicht zum Gegenstand eines selbständigen Beweisverfahrens gemacht werden können.
Der Auffassung des Antragstellers, dass die Frage nach der Verletzung fachlicher Standards - der objektiven Pflichtverstöße im Sinne § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB - Gegenstand eines selbständigen Beweisverfahrens (anders als die Frage der subjektiven Vorwerfbarkeit) sein könne, folgt der Senat jedoch nicht; die vom Antragsteller vertretene Auffassung steht auch im Gegensatz zu der Auffassung des BGH in der oben genannten Entscheidung.
In den Gründen des Beschlusses des BGH vom 21.1.2003 wird die bis dahin umstrittene (eingeschränkte) Zulässigkeit des selbständigen Beweisverfahrens in Arzthaftungssachen für die Feststellung eines Zustandes einer Person, die hierfür maßgeblichen Gründe und die Wege der Beseitigung des Schadens unter Hinweis auf die Begründung des Entwurfs für das Rechtspflegevereinbarungsgesetz (BT-Drucks. 11/3621 vom 1.12.1988, Seite 23) damit begründet, dass die vor- oder außergerichtliche Beweisaufnahme immer dann zweckmäßig sei und häufig zu einer Klärung zwischen den Parteien führe, wenn "der Streit der Parteien nur von der Entscheidung tatsächlicher Fragen abhängt" (Fettdruck durch den Senat). Der BGH stellt dann weiter fest, dass damit nicht die rechtlichen Fragen des Verschuldens des Arztes und der Kausalität der Verletzung für den geltend gemachten Schaden geklärt sind.
Die Frage, ob ein objektiver Pflichtenverstoß bzw. ein Behandlungsfehler, gegebenenfalls ein grober Behandlungsfehler vorliegt, betrifft die Pflichtwidrigkeit des ärztliches Tuns oder Unterlassens und geht über die vom BGH als zulässig angesehene Feststellung rein objektiver Tatsachen hinaus, da die Beantwortung der Frage nicht nur von rein objektiven Kriterien abhängt, sondern auch aufgrund einer Bewertung und Würdigung der Gesamtumstände geschieht.
Auch angesichts des eindeutigen Wortlauts von § 485 Abs. 2 ZPO, wonach es sich bei dem selbständigen Beweisverfahren um ein objektives Verfahren handelt, darf dieses sich nicht auf wertende Überlegungen zu den Fragen des Vorliegens eines Behandlungsfehlers und des Verschuldens erstrecken. Dem Sachverständigen des selbständigen Beweisverfahrens ist daher die Beurteilung, ob ein Behandlungsfehler vorliegt und ob die Ursache des Gesundheitsschadens auf einem Behandlungsfehler beruht, verwehrt. Dieses ist - dort dann auch auf der Grundlage einer sachverständigen Beurteilung - dem Gericht des Hauptsacheverfahrens vorbehalten.
Nach den oben dargestellten Kriterien hat das LG in dem angefochtenen Beschluss eine zutreffende Abgrenzung zwischen den zulässigen und unzulässigen Fragen vorgenommen.
2. Die Kostenentscheidung be...