Leitsatz (amtlich)

Zu den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung nach § 287 ZPO.

Hat das Fahrzeug des Klägers vor dem streitgegenständlichen Ereignis mehrere Unfälle erlitten, obliegt es dem Kläger die Ursächlichkeit zwischen dem neuen Unfall und dem danach vorliegenden Schaden zu beweisen, wofür er ausschliessen muss, dass Schäden gleicher Art schon früher vorhanden waren.

Eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO kommt erst in Betracht, wenn der Kläger dargelegt und bewiesen hat, welcher eingrenzbare Vorschaden durch welche konkreten Reparaturmassnahmen fachgerecht beseitigt worden ist

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 311/06)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

2. Der Berufungskläger erhält gem. § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO Gelegenheit, hierzu binnen zwei Wochen Stellung zu nehmen.

 

Gründe

Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg, die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern keine Entscheidung des Berufungsgerichts, § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO.

Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Beides ist nicht der Fall.

1. Das LG hat die Klage mit dem angegriffenen Urteil zu Recht abgewiesen und nach in rechtlicher Weise nicht zu beanstandender Beweiswürdigung darauf erkannt, dass der Unfall nicht durch einen Fahrstreifenwechsel des Beklagten zu 1., sondern das Anfahren der Zeugin L vom Fahrbahnrand verursacht worden ist.

Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht seiner Entscheidung die vom Gericht des ersten Rechtszuges festgestellten Tatsachen zugrund zu legen, soweit nicht konkrete Anhalts-punkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen.

a) Dies ist nicht der Fall, wenn sich das Gericht des ersten Rechtszuges bei der Tatsachen-feststellung an die Grundsätze der freien Beweiswürdigung des § 286 ZPO gehalten hat und das Berufungsgericht keinen Anlass sieht, vom Ergebnis der Beweiswürdigung abzuweichen (s. KG, Urt. v. 11.3.2004 - 12 U 285/02, DAR 2004, 387; NZV 2004, 632; Urteil vom 8.1.2004 - 12 U 184/02, KGReport Berlin 2004, 269, vgl. auch BGH, Urt. v. 9.3.2005 - VIII ZR 266/03, NJW 2005, 1583).

§ 286 ZPO fordert den Richter auf, nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Das bedeutet, dass er lediglich an Denk- und Naturgesetze sowie an Erfahrungssätze und ausnahmsweise Beweisregeln gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf. Dabei darf er insbesondere auch einer Partei mehr glauben, als einem Zeugen, auch wenn dieser beeidet wurde, oder trotz mehrerer bestätigender Zeugenaussagen das Gegenteil der Beweisbehauptung feststellen, sofern dies nach der aus den übrigen Beweismitteln bzw. dem Akteninhalt gewonnenen Erkenntnisse seiner Überzeugung entspricht (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 25. Aufl., § 286 Rz. 13).

Die leitenden Gründe und die wesentlichen Gesichtspunkte für seine Überzeugungsbildung hat das Gericht nachvollziehbar im Urteil darzulegen. Dabei ist es nicht erforderlich, auf jedes einzelne Parteivorbringen und alle Beweismittel ausführlich einzugehen, es genügt, wenn nach der Gesamtheit der Gründe eine sachentsprechende Beurteilung stattgefunden hat (Thomas/Putzo, ZPO, 27. Aufl., § 286 Rz. 3; KG, Urt. v. 12.1.2004 - 12 U 211/02, DAR 2004, 223 = KGReport Berlin 2004, 291).

b) An diese Grundsätze der freien Beweiswürdigung hat sich das LG in dem angefochtenen Urteil gehalten.

Es hat auf den Seiten 5-8 des Urteils im Einzelnen ausgeführt, weshalb es den Angaben des Beklagten zu 2) und nicht der Aussage der Zeugin L folgt.

Soweit das LG den Angaben des Beklagten zu 2) und der Zeugin entnommen hat, dass zum Zeitpunkt des Unfalls der unstreitig erfolgte Anfahrvorgang der Zeugin L noch nicht abgeschlossen war, wonach ihr, wie in dem angegriffenen Urteil zutreffend ausgeführt ist, gegenüber dem fließenden Verkehr eine erhebliche Sorgfaltspflicht oblag und der Beweis des ersten Anscheins für einen Verstoß gegen diese spricht, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden.

2. Unabhängig von den Ausführungen oben 1. ist die Abweisung der Klage auch deshalb zu Recht erfolgt, weil der Kläger nicht dargelegt und in ausreichendem Maße unter Beweisantritt vorgetragen hat, dass durch den streitgegenständlichen Unfall der von ihm mit der Klage geltend gemachte Schaden in voller Höhe entstanden ist.

Das Fahrzeug des Klägers war im Unfallzeitpunkt am 23.5.2006 unstreitig in ganz erheblichem Maße vorgeschädigt. So hatte es nach dem durch Vorlage der entsprechenden Schadensgut-achten bekräftigten Vorbringen der Beklagten bereits vor dem hiesigen Geschehen folgende Beschädigungen erlitten:

  • 18.6.2003 Vorfall mit Beschädigun...

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