Leitsatz (amtlich)

1. In Bezug auf Kosten, die nicht bei Einleitung oder während des Prozesses anfallen, besteht die tatsächliche Vermutung, dass sie zu dessen Führung nicht erforderlich waren, weshalb sie nur ausnahmsweise im Kostenfestsetzungsverfahren festsetzbar sind. Im Übrigen ist ein strenger Maßstab bei der Prüfung der Erforderlichkeit vorprozessualer Kosten im Kostenfestsetzungsverfahren anzulegen.

2. Im Regelfall besteht für die umfassende anwaltliche Beratung in Prozesssachen nur der Bedarf nach Beauftragung eines Rechtsanwaltes.

3. Prozessvorbereitendes Sichten und Kopieren von Abrechnungsunterlagen sind Pflichten des Prozessbevollmächtigten, die durch dessen Verfahrensgebühr abgegolten werden.

4. a) Die Feststellung des Umfanges der Prozesskosten und damit auch die Feststellung der Notwendigkeit bestimmter Kosten für das Führen des Rechtsstreites fällt in die alleinige Zuständigkeit des Rechtspflegers im Kostenfestsetzungsverfahren. Er kann zur Vorbereitung seiner Entscheidung die Auskunft des im Hauptverfahren zuständig gewesenen Richters erbitten; dies enthebt ihn jedoch nicht der eigenständigen Prüfung.

b) Unterlässt der Rechtspfleger im Hinblick auf die Auskunft des Richters eine eigenständige Prüfung im Abhilfeverfahren über die Beschwerde gegen seinen Kostenfestsetzungsbeschluss, ist - im Falle der Nichtabhilfe - die Vorlage an das Beschwerdegericht verfahrensfehlerhaft und führt zur Zurückverweisung der Beschwerdesache an das Ausgangsgericht.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Beschluss vom 29.03.2007; Aktenzeichen 33 O 537/02)

 

Tenor

1. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Berlin vom 29.3.2007 - Geschz. 33 O 537/02 - wird aufgehoben und die auf seinen Erlass gerichteten Anträge der Beschwerdegegnerin vom 2.1. und 19.3.2007 zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Beschwerdegegnerin zu tragen.

3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 7.252,25 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beschwerdegegnerin hat im Hauptverfahren überwiegend erfolgreich die Auszahlung von Überschüssen verlangt, die aus der Bewirtschaftung zweier Berliner Miethäuser durch die Beschwerdeführerin entstanden waren. In dem darauf folgenden Kostenfestsetzungsbeschluss vom 14.5.2004 berücksichtigte das LG die Kosten für die beiderseitigen Prozessbevollmächtigten. Mit Antrag vom 2.1.2007, geändert durch Schriftsatz vom 19.3.2007, beantragte die Beschwerdegegnerin die Nachfestsetzung diverser weiterer Kosten, die ihr vorprozessual entstanden sind und - nach ihren Angaben - der Vorbereitung der Klageerhebung dienten. Dabei handelte es sich

a) um Kosten für die vorprozessuale Beratung durch die Berliner Rechtsanwälte

  • W. u.a. (3.553,14 EUR, Pos. 1 des Antrags v. 2.1.2007),
  • P. (207,58 EUR, Pos. 4 des Antrags v. 2.1.2007) und
  • S. u.a. (1.283,54 EUR, Pos. 8 des Antrags v. 2.1.2007),

die nicht identisch mit dem Prozessbevollmächtigten der Beschwerdegegnerin waren;

b) um Kosten für das Kopieren der Hausabrechnungsunterlagen durch

  • H.Z. Immobilien GmbH (43,06 EUR, Pos. 2 des Antrags v. 2.1.2007),
  • Rechtsanwälte K. u.a. (106,76 EUR, Pos. 6 des Antrags v. 2.1.2007);
  • Rechtsanwälte K. u.a. (81,25 EUR, Pos. 7 des Antrags v. 2.1.2007);

d) um Kosten für die "professionelle Sichtung" der Hausabrechnungsunterlagen durch

  • Herrn von E. (1.000 EUR, Pos. 9 des Antrags v. 2.1.2007); und

c) um Kosten für die vorprozessuale Beratung zur Erstellung einer Finanzbuchhaltung durch

  • Herrn T. (2.500 EUR, Pos. 3 des Antrags v. 2.1.2007) und
  • Steuerberater H. u.a. (1289,98 EUR, Pos. 5 des Antrags v. 2.1.2007).

Mit begründungslosem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 29.3.2007, der Beschwerdeführerin zugestellt am 13.4.2007, berücksichtigte das LG auch diese Kosten. Zuvor hatte der dort zuständige Rechtspfleger eine Auskunft bei der Amtsnachfolgerin des seinerzeit für das Hauptverfahren zuständigen Richters am LG eingeholt, wonach "alle aufgeführten Kosten prozessnotwenig u. entscheidungserheblich scheinen" (Bd. 2 Bl. 18 d. AH). Mit einem als "Erinnerung" bezeichneten, bei Gericht am 19.4.2007 eingegangenen Rechtsmittel wendet sich die Beschwerdeführerin gegen den zweiten Kostenfestsetzungsbeschluss. Sie macht u.a. geltend, dass die nachträglich festgesetzten Kosten zur Vorbereitung der Klageerhebung nicht erforderlich waren. Gleichwohl zahlte sie an die Beschwerdegegnerin "a conto" 4.000 EUR auf den Nachfestsetzungsbeschluss. Das LG hat dem Rechtsmittel mit Beschluss vom 1.6.2007 nicht abgeholfen und es dem KG zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung führt der Rechtspfleger an, entscheidend sei der Hinweis der Richterin am LG gewesen sei. Der Senat hat die Beschwerdegegnerin mit Verfügung vom 22.6.2006 auf Bedenken hinsichtlich der Notwendigkeit der von ihr geltend gemachten Kosten hingewiesen. Die Beschwerdegegnerin hat daraufhin ergänzend vorgetragen (Bd. 2 Bl. 4a ff., 12 ff. und 15 d.A.).

II.1. Das eingelegte Rechtsmittel ist als "sofortige Beschwerde" i.S.v. § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO auszulegen. Denn gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss findet allein dieses Re...

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