Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum notwendigen Vorbringen im Rahmen der Erhebung der Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Nichtmitteilung eines im Termin vernommenen Zeugen im Abwesenheitsverfahren nach § 74 Abs. 1 OWiG.
Orientierungssatz
Orientierungssätze:
1. Wird im Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des von der Erscheinenspflicht in der Hauptverhandlung entbundenen und deshalb nicht erschienenen Betroffenen darauf gestützt, dass das Urteil auf einen in der Terminladung nicht benannten, in der Hauptverhandlung erschienenen und in Abwesenheit des Betroffenen vernommenen Zeuge beruht, muss der Betroffene darlegen, wie er sein Fragerecht ausgeübt und welche Fragen er gestellt hätte.
2. Trägt der Betroffene vor, dass er trotz Kenntnis der Zeugenvernehmung der Hauptverhandlung ferngeblieben wäre, aber sein Verteidiger an ihr teilgenommen hätte, bedarf es in der Verfahrensrüge des konkreten Vortrages dazu, dass der Verteidiger die Rechte des Betroffenen als dessen Vertreter mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht - in Ausübung dieser Vollmacht - wahrgenommen hätte. Der bloße Hinweis des Verteidigers auf eine entsprechende Vollmacht reicht nicht.
3. Fehlt ein solches Vorbringen, nimmt der Verteidiger in der Regel seine Rechte als Beistand des Betroffenen wahr. Damit ist der Rügevortrag auf die Verletzung der Verteidigerrechte beschränkt. Dies kann der Verfahrensrüge nicht zum Erfolg verhelfen, weil Adressat der Verletzung des rechtlichen Gehörs ausschließlich der Betroffene und nicht der Verteidiger ist, auch wenn seine Interessen durch die überraschende Vernehmung eines in der Ladung nicht ausgewiesenen Zeugen beeinträchtigt sein können.
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; OWiG § 73 Abs. 2, § 74 Abs. 1, § 79 Abs. 3 S. 1, § 80 Abs. 1, 3; StPO § 344 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 04.10.2021; Aktenzeichen 302 OWi 679/20) |
Tenor
Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 4. Oktober 2021 wird verworfen.
Der Betroffene hat die Kosten seiner nach § 80 Abs. 4 Satz 4 OWiG als zurückgenommen geltenden Rechtsbeschwerde zu tragen.
Gründe
I.
Der Polizeipräsident in Berlin hat gegen den Betroffenen einen Bußgeldbescheid erlassen, mit dem er dem Betroffenen eine am 20. Oktober 2019 begangene fahrlässige Überschreitung der zulässigen innerörtlichen Höchstgeschwindigkeit um 24 km/h (nach Toleranzabzug) vorgeworfen und ein Bußgeld von 180,00 Euro festgesetzt hat.
Auf den rechtzeitig eingelegten Einspruch hat das Amtsgericht x u.a. eine Hauptverhandlung für den 4. Oktober 2021 bestimmt, zu der es den Betroffenen und seinen Verteidiger unter Benennung des Beweisprogramms geladen hat. Auf Antrag hat das Gericht den Betroffenen von seiner Präsenzpflicht entbunden. Auch der Verteidiger hat an der Hauptverhandlung nicht teilgenommen.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen der im Bußgeldbescheid genannten Zuwiderhandlung zu einer Geldbuße von 140,00 Euro verurteilt.
Der Betroffene hat gegen diese Entscheidung rechtzeitig einen Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gestellt. Er rügt die Verletzung des rechtlichen Gehörs nach § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG und erhebt die allgemeine Sachrüge. Der Verteidiger führt u.a. aus, dass das Gericht in der Abwesenheitsverhandlung - entgegen dem mit der Ladung bekannt gegebenen Beweisprogramm - statt des Herrn P. Herrn K. als Zeugen vernommen habe, der zur Geschwindigkeitsmessung Angaben gemacht habe. Weder der Betroffene noch der Verteidiger hätten Kenntnis von dessen Vernehmung gehabt. Das Gericht habe ihm, so der Betroffene, hierzu kein rechtliches Gehör gewährt und das Urteil dennoch zu seinem Nachteil auf die Angaben des Zeugen K. gestützt. Auf dieser Verletzung beruhe auch das Urteil (RB S.15/16). Denn - so die Antragsbegründung - "hätte der Betroffene oder die Verteidigung von der Anwesenheit des Zeugen K. Kenntnis gehabt, wäre die Verteidigung (Unterstreichung durch den Senat) zum Hauptverhandlungstermin erschienen und hätte von ihrem (Unterstreichung durch den Senat) Fragerecht Gebrauch gemacht, welches ihr auf diese Weise genommen wurde... Gerne hätte die Verteidigung den Zeugen K. u.a. zur Bedienung des Messgerätes befragt. Zudem drängt sich für die Verteidigung des Betroffenen die Frage auf, inwieweit der Zeuge an dieser Messung überhaupt involviert gewesen ist,..."
Der Verteidiger weist darauf hin (Antragsbegründung S. 2), dass er ausweislich der Vollmacht auch zur Vertretung des Betroffenen - selbst bei dessen Abwesenheit - bevollmächtigt gewesen sei.
Des Weiteren habe das Gericht das rechtliche Gehör dadurch verletzt, dass es frühere schriftliche Erklärungen des Betroffenen nicht ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung einbezogen habe. Wenn dies geschehen wäre, hätte es den Betroffenen freisprechen müssen.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, auf die Rechtsbeschwerde das angefochtene Urteil aufzuheben und die S...