Tenor

1. Die Auslieferung des Verfolgten an die Republik Türkei zum Zwecke der Vollstreckung der durch Urteil des Vollstreckungsrichteramts zu Konya vom 16. Oktober 2020 - Gesonderte Registratur-Nr. 2020/894 D.Is. - verhängten Gesamtfreiheitsstrafe ist derzeit unzulässig.

2. Der Auslieferungshaftbefehl des Senats vom 7. April 2021 wird aufgehoben.

3. Die dem Verfolgten im Auslieferungsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse Berlin.

 

Gründe

Die türkischen Behörden haben zunächst über die internationale kriminalpolizeiliche Organisation (Interpol) und zwischenzeitlich auch durch Übermittlung eines förmlichen Auslieferungsersuchens um die Festnahme und Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Strafvollstreckung ersucht. Der Verfolgte ist am 30. März 2021 in Berlin gemäß § 19 IRG vorläufig festgenommen worden. Bei seiner am Folgetag nach § 22 IRG durchgeführten richterlichen Anhörung hat er Einwendungen gegen seine Auslieferung erhoben, sich mit der vereinfachten Auslieferung (§ 41 Abs. 1 IRG) nicht einverstanden erklärt und auf die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes (Art. 14 EuAlÜbk) nicht verzichtet. Der Senat hat gegen den Verfolgten mit Beschluss vom 7. April 2021 die vorläufige Auslieferungshaft und nach Eingang der förmlichen Auslieferungsunterlagen mit Beschluss vom 7. Mai 2021 deren Fortdauer als Auslieferungshaft angeordnet.

In seiner am 2. Juni 2021 durchgeführten richterlichen Anhörung nach § 28 IRG hat der Verfolgte sich erneut mit der vereinfachten Auslieferung nicht einverstanden erklärt und auf die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes nicht verzichtet.

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat beantragt, die Auslieferung des Verfolgten für zulässig zu erklären (§ 29 Abs. 1 IRG). Der Senat entscheidet wie aus dem Beschlusssatz ersichtlich.

1. Es kann dahinstehen, ob das auf diplomatischem Weg mit Verbalnote der Botschaft der Republik Türkei vom 5. Mai 2021 - Z-2021/36481099/32729572 - übermittelte, mit Verbalnoten vom 14. Mai 2021 - Z-2021/36481099/32756998 -, vom 11. August 2021 - Z-2021/36481099/33130595 - und vom 28. September 2021 - Z-2021/36481099/33312552 - ergänzte Auslieferungsersuchen der Generalstaatsanwaltschaft Konya vom 9. April 2021 -2014/1-2728 - ungeachtet der noch ausstehenden Reaktion auf die Verbalnote des Auswärtigen Amtes vom 17. November 2021 - 506-531.00/64737 TUR -, mit der vom Senat für erforderlich gehaltene weitere Unterlagen nachgefordert wurden, in seiner Form und seinem Inhalt den Anforderungen des Art. 12 EuAlÜbk in Verbindung mit Art. 5 des 2. Zusatzprotokolls zum EuAlÜbk entspricht.

Ausweislich der bisher übermittelten Unterlagen wurde gegen den Verfolgten durch Urteil des Vollstreckungsrichteramts zu Konya vom 16. Oktober 2020 - Gesonderte Registratur-Nr. 2020/894 D.Is. -, dessen Rechtskraft derzeit noch ungeklärt ist, eine Gesamtfreiheitsstrafe von 30 Jahren und zehn Monaten verhängt, deren nach Abzug von Untersuchungshaft (1.698 Tage) und bereits vollstreckter Strafhaft (1.659 Tage) verbleibender Rest noch zu vollstrecken ist. In die Gesamtstrafe wurden Strafen aus drei vorangegangenen Urteilen einbezogen, nämlich aus den Urteilen der 8. Strafabteilung des Amtsgerichts Konya vom 19. November 2009 - Grund-Nr. 2007/43, Urteil-Nr. 2009/1233 -, der 1. Großen Strafkammer zu Konya vom 22. Februar 2013 - Grund-Nr. 2011/515, Urteil-Nr. 2013/65 - und der 3. Großen Strafkammer zu Konya vom 3. Juni 2015 - Grund-Nr. 2014/179, Urteil-Nr. 2015/228 -.

a) Mit dem Urteil vom 19. November 2009 wurde der Verfolgte wegen Bedrohung mit einer Schusswaffe zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und einem Monat verurteilt, weil er am 19. November 2006 in Konya gemeinschaftlich mit zwei Begleitern anlässlich eines Streits um Geld den Geschädigten Axxxx mit einer Schusswaffe bedroht, diese aber nicht ergriffen hatte, während einer der Begleiter des Verfolgten auf den Geschädigten geschossen hatte. Der Geschädigte sollte genötigt werden, in das Fahrzeug einzusteigen, in dem sich der Verfolgte und seine Begleiter befanden.

b) Mit dem Urteil vom 22. Februar 2013 wurde der Verfolgte wegen absichtlichen Totschlags und versuchten Mordes zu Freiheitsstrafen von 15 Jahren sowie von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt, weil er am 6. August 2009 in Kxxxx im Rahmen einer bewaffneten Auseinandersetzung zweier in Streit liegender Gruppen gemeinschaftlich mit anderen aus seiner Gruppe handelnd das Feuer eröffnet und dabei eine Person aus der gegnerischen Gruppe getötet und eine weitere schwer verletzt hatte. Aufgrund unklarer Übersetzung des Auslieferungsersuchens wie des - zudem nur in Auszügen übersetzt übermittelten - Urteils bleibt klärungsbedürftig, von welcher der beiden Gruppen die Auseinandersetzung ausging.

c) Mit dem Urteil vom 3. Juni 2015 wurde der Verfolgte wegen Wuchers zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt. Der Verfolgte hatte in Kxxxx und Umgebung (in einem nicht mitgeteilten Zeitraum) mit Verwandten und Freunden gemeinschaf...

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