Leitsatz (amtlich)
1. Eine im Zeitpunkt des Urteilserlasses im subjektiven Verfahren (gesetzlich) zwingend ausgeschlossene Anordnung des Verfalls kann nicht im selbständigen Einziehungsverfahren nach § 76a StGB nachgeholt werden.
2. Eine Herausgabe sichergestellter Gegenstände an den letzten Gewahrsamsinhaber kommt nicht in Betracht, wenn diese zweifelsfrei durch (irgend-) eine Straftat in dessen Besitz gelangt sind.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 09.11.2020; Aktenzeichen (526) 247 Js 145/20 KLs (9/20)) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin vom 30. November 2020 gegen den die Eröffnung des selbständigen Einziehungsverfahrens ablehnenden Beschluss des Landgerichts Berlin vom 9. November 2020 wird als unbegründet verworfen.
2. Die Landeskasse Berlin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft Berlin betreibt die Vermögensabschöpfung hinsichtlich eines in dem - zu diesem Zeitpunkt wegen des Verdachts der Geldwäsche - gegen den Betroffenen K geführten Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Berlin zum Aktenzeichen 83 Js 370/05 am 6. Mai 2005 mit einem Kontokorrentguthaben von 82.159,76 Euro (dem zum damaligen Zeitpunkt eigene Ansprüche der kontoführenden Bank in Höhe von 50,00 Euro gegenüber standen) gepfändeten Kontos der nominell Betroffenen bei der D. Bank AG.
1. Zu diesem Zweck hat sie - nach Anhörung des Betroffenen K als "möglichen Einziehungsbeteiligten" gemäß § 426 Abs. 1 StPO durch Schreiben vom 4. Juni 2020 - mit an das Landgericht Berlin gerichteter Antragsschrift vom 1. Juli 2020 die Eröffnung des selbständigen Einziehungsverfahrens (gemäß §§ 435 Abs. 3 i.V.m. 203 StPO) und - unter Beschränkung auf diesen, dem Guthabenstand auf dem gepfändeten, nunmehr bei der C.bank AG geführten Konto am 15. April 2020 entsprechenden Betrag gemäß § 421 Abs. 1 Nr. 2 StPO - die Einziehung des Wertes des Erlangten in Höhe von 79.172,03 Euro nach Maßgabe der §§ 436 Abs. 2, 434 Abs. 2, 76a Abs. 1 Satz 1, 73 Abs. 1, 73c Satz 1 StGB; Art. 316h Satz 1 EGStGB in der Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017 [im Folgenden: "n.F."] im Beschlusswege beantragt. Zugleich hat sie beantragt, gemäß § 435 Abs. 3 i.V.m. 424 Abs. 1 StPO "des Betroffene K" am Einziehungsverfahren zu beteiligen.
Dem war folgendes prozessuales Geschehen vorausgegangen:
a) Nachdem in dem Verfahren 83 Js 370/05 die Ermittlungen abgeschlossen waren, erhob die Staatsanwaltschaft Berlin unter dem 5. Juli 2007 Anklage gegen den Betroffenen zum Landgericht Berlin - Wirtschaftsstrafkammer -, mit der sie ihm vorwarf, in Berlin und an anderen Orten zwischen dem 8. Oktober 2004 und dem 29. September 2006 durch 82 selbständige Handlungen in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt zu haben, dass er durch Vorspiegelung falscher und Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregte, wobei er gewerbsmäßig gehandelt und in zwei (näher bezeichneten) Fällen einen Vermögensschaden großen Ausmaßes herbeigeführt habe (§§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 und 2, 53 StGB). Ihm wurde zur Last gelegt, als Alleingesellschafter und Geschäftsführer der "A Ltd. B.", einer Zweigniederlassung der "A Ltd." in Bi./GB, Kapitalanlagen des tatsächlich nicht bestehenden Fonds "a trust" an Anleger in der Schweiz und in Österreich vertrieben zu haben, um Anlagegelder für sich zu vereinnahmen und sich hierdurch eine dauerhafte und lukrative Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen. In Ausführung dieses Tatplans seien verschiedene Anleger in Österreich und in der Schweiz telefonisch und schriftlich von Mitarbeitern der "A Ltd." aus dem Vereinigten Königreich kontaktiert und ihnen eine kapitalgesicherte Anlage mit einer garantierten Mindestrendite von 7,95 % jährlich sowie einer Erfolgsbeteiligung am effektiven Zuwachs zugesagt worden. Im Vertrauen auf die Existenz des "a trust" und die Anlage in diesem Fonds sowie die Mindestrendite hätten die (in einer Tabelle namentlich erfassten) Anleger sodann Beträge in unterschiedlicher Höhe - insgesamt 1.261.462,72 Euro aus der Schweiz und 429.233,72 Euro aus Österreich - auf die drei von dem seinerzeitigen Angeschuldigten K eingerichteten Konten der "A Ltd. B.", u.a. auf das im Ermittlungsverfahren gepfändete Konto mit der Kontonummer xx bei der D. Bank AG, für das K allein verfügungsberechtigt war, überwiesen. K soll das als Anlage vorgesehene Kapital nach Eingang nicht angelegt und verwaltet, sondern es tatplangemäß auf andere Konten überwiesen oder in der Folgezeit bar abgehoben und für sich verwendet haben. Gewinnausschüttungen oder Rückzahlungen habe es deshalb nicht gegeben.
b) Die Anklage wurde am 13. März 2009 unter Eröffnung des Hauptverfahrens vor der 26. großen Strafkammer - Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Berlin zum Aktenzeichen (526) 83 Js 370/05 ...