Leitsatz (amtlich)
Wird die Rechtsbeschwerde in Bußgeldsachen wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt, erwachsen die tatrichterlichen Feststellungen zu der Dauer der Rotphase im Rahmen eines Verstoßes gegen ein rotes Wechsellichtzeichen als so genannte doppelrelevante Tatsachen in Rechtskraft und sind damit für das weitere Verfahren, insbesondere für die Frage, ob die Voraussetzungen eines Regelfahrverbots nach § 25 Abs. 1 StVG i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BKatV i.V.m. der Anlage (zu § 1 Abs. 1 BKatV) Abschnitt I. lfd. Nr. 132.3 BKat vorliegen, bindend. An einer gegenteiligen Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa VRS 129, 25) wird nicht festgehalten.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 05.12.2016; Aktenzeichen (324 OWi) 3022 Js-OWi 16243/15 (7/16)) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 5. Dezember 2016 wird verworfen.
Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Tiergarten hat gegen den Betroffenen mit Urteil vom 11. April 2016 wegen einer fahrlässig begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit (eines sogenannten qualifizierten Rotlichtverstoßes) eine Geldbuße von 225,00 Euro gemäß §§ 37 Abs. 2 (zu ergänzen: Nr. 1 Satz 7), 49 Abs. 3 Nr. 2 StVO, (zu ergänzen: §§ 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BKatV i.V.m. der Anlage (zu § 1 Abs. 1 BKatV) Abschnitt I lfd. Nr. 132.3 BKat) i.V.m. § 24 (zu ergänzen: Abs. 1) StVG festgesetzt und von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen. Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
"Am 25.8.2015 passierte der Betroffene um 11:15 Uhr mit dem PKW xx, amtliches Kennzeichen xxx, in B. den Kreuzungsbereich S./M.-Straße. Dabei missachtete er das Rotlicht der für ihn geltenden Lichtzeichenanlage. Die Rotphase dauerte bereits länger als 1 Sekunde an. Die Feststellung des Rotlichtverstoßes erfolgte mittels einer geeichten Stoppuhr."
Die Beweise hat das Amtsgericht u.a. wie folgt gewürdigt, wobei die Beweiswürdigung auch Sachverhaltsfeststellungen enthält:
"Der Zeuge PHK M. hat bekundet, die Zeitzählung mittels geeichter digitaler Stoppuhr bei Umschaltung auf Rotlicht ausgelöst zu haben, die zweite Auslösung sei dann erfolgt, wenn ein Fahrzeug mit der Vorderachse die Haltelinie passiert habe. Von der gemessenen Zeit werde dann bei Fertigung der Ordnungswidrigkeitenanzeige ein Sicherheitszuschlag von 0,5 Sekunden abgezogen, die bereinigte Zeit werde dann im Bußgeldbescheid zugrunde gelegt. Die auf der Stoppuhr angezeigte Zeit habe somit 2,07 Sekunden betragen.
(...)
Der Zeuge bestätigte die geänderte Verkehrsführung, die Geschwindigkeit sei nach seiner Erinnerung an besagter Stelle bei einer Gelbzeit von 2 Sekunden auf 30 km/h reduziert gewesen und die linke Fahrspur in eine Linksabbiegerspur umgewandelt worden.
(...)
Aus den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen, an deren Glaubwürdigkeit mangels gegenteiliger Anhaltspunkte nicht zu zweifeln ist, ergibt sich für das Gericht ohne jeden Zweifel, dass der Betroffene mit seinem PKW die Haltelinie passiert hat, als die maßgebliche Lichtzeichenanlage bereits länger als 1 Sekunde Rotlicht abstrahlte. Der von der gemessenen Zeit abgezogene Toleranzwert von 0,5 Sekunden geht sogar zugunsten des Betroffenen über die zu gewährende Toleranz hinaus. Zu gewähren ist ein Toleranzabzug von 0,3 Sekunden zuzüglich der doppelten Eichfehlergrenze nach Anl. 19 Ziff. 3.1 zur EichO, was hier einer zu gewährenden Toleranz von 0,32 Sekunden entspräche."
Ferner hat das Gericht ausgeführt:
"Der Betroffene hat seine Aufmerksamkeit aufgrund der geänderten Verkehrsführung kurzfristig auf den rückwärtigen Verkehr gerichtet, um sein Fahrverhalten dem geänderten Straßenverlauf anzupassen und sich in die Geradeausspur einzufädeln und aufgrund dieser nicht vorhersehbaren Ablenkung das Umschalten auf Rotlicht bei verkürzter Gelbphase schlichtweg übersehen. Unter Berücksichtigung dessen, dass bei einer angenommenen Geschwindigkeit von 30 km/h in 2 Sekunden ein Weg von 16,66 Metern zurückgelegt wird, ist die von dem Betroffenen geschilderte Situation auch nachvollziehbar und lässt keine Plausibilitätszweifel entstehen. Der von dem Betroffenen begangene Verstoß ist deshalb als Augenblicksversagen aufgrund besonderer Umstände einzustufen und stellt somit keinen groben bzw. beharrlichen Pflichtverstoß dar."
Auf die auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde der Amtsanwaltschaft Berlin hat der Senat (vgl. Beschluss vom 7. Juli 2016 - 3 Ws (B) 358/16 -) das vorgenannte Urteil im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben und im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht zurückverwiesen. Nach erneuter Durchführung der Hauptverhandlung hat das Amtsgericht mit Urteil vom 5. Dezember 2016 eine Geldbuße von 225,00 Euro festgesetzt, dem Betroffenen gemäß § 25 Abs. 1 StVG für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im Straße...