Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 09.03.2005; Aktenzeichen 543 StVK 64/05 Vollz)

 

Tenor

  • 1.

    Dem Gefangenen wird für das Rechtsbeschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt.

  • 2.

    Auf die Rechtsbeschwerde des Gefangenen wird der Beschluss des Landgerichts Berlin - Strafvollstreckungskammer - vom 9. März 2005 aufgehoben.

    Die Sache wird zu neuer Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde. - an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.

 

Gründe

Der Gefangene verbüßt in der Justizvollzugsanstalt Moabit voraussichtlich -bis zum 31. August 2005 eine Restfreiheitsstrafe wegen schwerer räuberischer Erpressung. Für einen Haftbefehl wegen Geiselnahme und anderer Straftaten ist Überhaft notiert. In diesem Verfahren ist der Beschwerdeführer am 30. Juni 2004 - nicht rechtskräftig - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren und anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt worden.

Am 12. Januar 2005 fand in der Teilanstalt, in der der Beschwerdeführer untergebracht ist, auf Anordnung - des Teilanstaltsleiters eine Haftraumkontrolle statt, bei .der in Abwesenheit der betroffenen Gefangenen eine Vielzahl von Zellen durchsucht wurde. Im Haftraum des Beschwerdeführers nahm der mit der Durchsuchung befasste Bedienstete alle Bilder, Familienfotos und Poster des Beschwerdeführers von den Wänden, da sie nicht, wie vorgeschrieben, an einer Pinnwand angebracht waren, und beschädigte sie dabei zum Teil. Mehrere Gegenstände entfernte er aus dem Haftraum, um klären zu lassen, ob ihr Besitz dem Beschwerdeführer erlaubt worden war. In der Zelle vorhandene Zeitschriften, nicht näher bezeichnete Unterlagen sowie Eimer schaffte er auf den Müll. Nach der Behauptung des Beschwerdeführers war sein Haftraum nach der Durchsuchung "verwüstet".

Der Gefangene hat bei der Strafvollstreckungskammer beantragt festzustellen, dass die Durchsuchung rechtswidrig gewesen ist. Durch den Beschluss vom 9. März 2005 hat die Strafvollstrekkungskammer den Antrag als unbegründet zurückgewiesen. Mit seiner ordnungsgemäß erhobenen Rechtsbeschwerde rügt der Gefangene die Verletzung sachlichen Rechts. Außerdem hat er für das Rechtsbeschwerdeverfahren die. Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.

I.

Dem Prozesskostenhilfeantrag ist nach § 120 Abs. 2 StVollzG, § 114 Abs. 1 ZPO stattzugeben. Wie noch dargelegt wird, ist die Rechtsbeschwerde zulässig und begründet. dass der Gefangene als Taschengeldempfänger die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens nicht aufzubringen vermag, kann unterstellt werden. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts hat er nicht beantragt....

II.

Die Rechtsbeschwerde erfüllt die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG. Der Senat hält es für geboten, den angefochtenen Beschluss zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu überprüfen. Das Rechtsmittel hat auch vorläufigen Erfolg. Die von der Strafvollstreckungskammer getroffenen Feststellungen legen die Annahme nahe, dass entgegen ihrer Auffassung die Art und Weise, in der die Durchsuchung vorgenommen worden ist, rechtlich zu beanstanden ist. Die Sache bedarf weiterer Aufklärung.

1.

Die Rechtmäßigkeit der Durchsuchungsanordnung des Teilanstaltsleiters hat. die Strafvollstreckungskammer zutreffend geprüft und bejaht. § 84 Abs. 1 Satz 1 StVollzG, auf dem die Anordnung beruht, erlaubt Routinedurchsuchungen, sodass ein konkreter Grund für die einzelne Durchsuchung nicht erforderlich ist. Ob, wann und wie oft die Hafträume durchsucht werden, ist grundsätzlich in das Ermessen der Vollzugsbehörde gestellt, das lediglich durch die Verpflichtung eingeschränkt wird, die. Grundrechte der Gefangenen, das Übermaß - und Willkürverbot sowie die allgemeinen Vollzugsgrundsätze der §§ 2-4 StVollzG zu beachten, (vgl. OLG Nürnberg NStZ 1997, -359 - ZfStrVo 1998, 53, 54; Beschluss des Senats vom 23. Mai 2003 - 5 Ws 99/03 Vollz '-; Calliess/ Müller-Dietz, StVollzG 10. Aufl., § 84 Rdn. 3, 4; Arloth/Lückemann, StVollzG 2004, § 84 Rdn. 1 und 3).

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde durfte daher der Teilanstaltsleiter, ohne bestimmte Verdachtsmomente zu haben, die Durchsuchung der Zellen als Routinemaßnahme anordnen. Anhaltspunkte für einen Ermessensfehlgebrauch bei dieser Anordnung gibt es nicht. Was die Rechtsbeschwerde hierzu vorbringt, richtet sich in Wirklichkeit gegen die Art und Weise der Durchsuchung.

2.

Durchsuchungen stellen regelmäßig einen schwer wiegenden Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Betroffenen dar (vgl. BVerfG NJW 1997, 2163 und 2165). Das gilt auch für Durchsuchungen, die sich gegen Gefangene richten, obwohl ihnen Art. 13 GG nicht zur Seite steht. Gefangene haben es zwar hinzunehmen, dass der Gesetzgeber im Interesse der Anstaltssicherheit Durchsuchungen der ihnen überlassenen Räume als vollzugliche Alltagsmaßnahme erlaubt hat (vgl. Arloth/ Lückemann, .§ 84 Rdn. 1). Gerade angesichts .der Unvermeidbarkeit häufiger Zellendurchsuchungen müssen aber bei der Ausführung der; Maßnahme sowohl das Übermaß- als auch das Willkürverbot strikt beachtet w...

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