Leitsatz (amtlich)
Ein Bewährungswiderruf ist ausgeschlossen, wenn die neue Tat zwischen dem Ablauf der ursprünglichen Bewährungszeit und dem Erlaß des Verlängerungsbeschlusses begangen worden ist.
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 03.03.2009; Aktenzeichen P 13 / (502) 68 Js 103/01 (13/02) BwH) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluß des Landgerichts Berlin vom 3. März 2009 aufgehoben.
Der Antrag der Staatsanwaltschaft, die Strafaussetzung zur Bewährung aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 24. September 2002 zu widerrufen, wird abgelehnt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen hat die Landeskasse Berlin zu tragen.
Gründe
I.
1.
Das Landgericht Berlin verurteilte den Beschwerdeführer am 24. September 2002, rechtskräftig seit dem 2. Oktober 2002, wegen vorsätzlichen Ausübens der tatsächlichen Gewalt über eine Schußwaffe zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung. Die Bewährungszeit bestimmte das Landgericht auf drei Jahre.
In der Zeit vom 26. Juli bis zum 16. Oktober 2003 kümmerte sich der Beschwerdeführer schuldhaft nicht um sein abgestelltes und abgemeldetes Kraftfahrzeug, so daß es binnen kurzem zum Wrack wurde und die Umwelt gefährdete. Deswegen verurteilte das Amtsgericht Tiergarten in Berlin ihn rechtskräftig durch Strafbefehl vom 2. Februar 2004 zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 10 EUR.
Mit Beschluß vom 10. August 2004 verlängerte das Landgericht Berlin die Bewährungszeit deswegen um ein Jahr, also bis zum 1. Oktober 2006.
2.
Am 28. August 2005 beging der Beschwerdeführer eine vorsätzliche Körperverletzung, wovon das Landgericht im Januar 2006 durch den Strafbefehlsantrag der Amtsanwaltschaft erfuhr. Am 3. April 2006 wies der Kammervorsitzende den Beschwerdeführer darauf hin, daß er im Falle der Verurteilung mit dem Widerruf der Strafaussetzung oder der Verlängerung der Bewährungszeit rechnen müsse.
Gegen den auf 50 Tagessätze zu je 15 EUR lautenden Strafbefehl legte der Beschwerdeführer erfolglos Einspruch ein. Das Amtsgericht verurteilte ihn aufgrund der Hauptverhandlung vom 2. August 2006 zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 15 EUR. Das Landgericht wartete auch noch die Berufungshauptverhandlung vom 19. September 2007 ab, in der das Rechtsmittel verworfen wurde. Die Verurteilung erlangte am 27. September 2007 Rechtskraft. Daraufhin verlängerte die Kammer die Bewährungszeit auf Antrag der Staatsanwaltschaft mit Beschluß vom 21. Januar 2008, der dem Beschwerdeführer am 1. Februar 2008 zugestellt wurde, um weitere zwei Jahre auf sechs Jahre, also bis zum 1. Oktober 2008.
3.
Am 15. Juni 2007 beging der Verurteilte einen Diebstahl, wofür das Amtsgericht Tiergarten ihn in der Hauptverhandlung am 16. Mai 2008 - rechtskräftig - zu einer Geldstrafe von zwanzig Tagessätzen zu je 15 EUR verurteilte.
Deswegen widerrief die Strafvollstreckungskammer mit dem angefochtenen Beschluß vom 3. März 2009 die Strafaussetzung. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ( § 453 Abs. 2 Satz 3 StPO) des Verurteilten hat Erfolg.
II.
Die formellen Voraussetzungen des Widerrufs nach § 56 f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB liegen nicht vor. Der Verurteilte hat zwar zum dritten Male eine neue Straftat begangen, welche jedenfalls in der Gesamtschau geeignet war, die ursprüngliche Prognose der künftigen Straffreiheit zu widerlegen. Diese letzte Straftat beging er aber nicht "innerhalb der Bewährungszeit".
1.
Die zunächst vom Landgericht bestimmte dreijährige Bewährungszeit endete am 1. Oktober 2005. Am 10. August 2004 verlängerte das Landgericht die Bewährungszeit um ein Jahr, also bis zum 1. Oktober 2006.
Die neuerliche, noch während der ursprünglichen Bewährungszeit begangene Körperverletzung führte zu einer weiteren Verlängerung, nunmehr um zwei Jahre, welche die Strafkammer erst am 21. Januar 2008 beschloß. Dem Verurteilten übersandt wurde die Entscheidung am 1. Februar 2008. Die Bewährungszeit lief nunmehr bis zum 1. Oktober 2008, da sich die verlängerte Bewährungszeit nach ganz herrschender Ansicht an die ursprüngliche anschließt (vgl. OLG Frankfurt am Main NStZ-RR 2008, 221; OLG Jena NStZ-RR 2007, 220; OLG Köln StV 2008, 262; OLG Düsseldorf OLGSt StGB § 56f Nr. 45; OLG Brandenburg StraFO 2004, 214; HansOLG Hamburg OLGSt § 56f Nr. 4; OLG Zweibrücken NStZ 1993, 510; OLG Celle NStZ 1991, 206; Senat JR 1993, 75; StV 1986, 165; Beschlüsse vom 31. Januar 2007 - 2 Ws 50/07 - und 6. Oktober 2004 - 5 Ws 465/04 -; Fischer, StGB 56. Aufl. § 56f Rdn. 17; Hubrach in LK-StGB 12. Aufl., § 56 f Rdn. 42; Arnoldi StRR 2008, 84, 86 jew. mit weit. Nachw.; Dölling NStZ 1989, 345; a.A.: OLG Bamberg NStZ-RR 2006, 326; LG München I NStZ 2003, 317 ; Horn NStZ 1986, 356; wohl auch Stree in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl., § 56f Rdn. 10).
Der herrschenden Ansicht folgt auch - wie bisher - der Senat. Schlösse man sich der Gegenmeinung an, wonach die Verlängerung der Bewährungszeit nach deren Ablauf zu einem Neubeginn f...