Leitsatz (amtlich)
Eine außergerichtliche Durchsetzung und Einziehung von Forderungen, die ihre Grundlage weder in den in § 11 Abs. 1 RDG genannten Rechtsgebieten hat, noch überhaupt im deutschen Recht fußen, dessen Kenntnis wenigstens in Grundzügen Voraussetzung für die Registrierung für Inkassodienstleistungen und die Befugnis zur Erbringung der hiermit einhergehenden Rechtsdienstleistungen ist, ist mit dem Leitbild der Inkassotätigkeit auch bei der vom Bundesgerichtshof in Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts geforderten weiten Auslegung des Begriffs der dem registrierten Unternehmen nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG gestatteten Inkassodienstleistungen nicht mehr in Übereinstimmung zu bringen. Die Geltendmachung von möglichen Ansprüchen verschiedener Urheber auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe einer angemessenen Lizenzvergütung unter Berufung auf einen durch das Bereithalten eines Lichtbildes zum Abruf über eine Webseite etwa verwirklichten Urheberrechtsverstoß hält sich daher nicht im Rahmen der mit der Registrierung als Inkassodienstleisterin nachgewiesenen Sachkunde (§ 11 Abs. 1, § 12 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3, 5 RDG in Verbindung mit § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 1 RDV), wenn sie grenzüberschreiend erfolgt und mehrere Rechtsordnungen berührt. Eine grenzüberschreitende und mehrere Rechtsordnungen berührende Rechtsverfolgung ist typischerweise dann in Betracht zu ziehen, wenn die Inhalte, die über eine Webseite abgerufen werden können, nicht in deutscher Sprache abgefasst sind oder wenn die Webseite über eine Top-Level-Domain zu erreichen ist, die für einen anderen Staat als die Bundesrepublik Deutschland, vergeben ist. Denn in diesen Fällen wird sich der Betreiber der Webseite regelmäßig entweder ausschließlich oder zumindest auch an ein nicht in der Bundesrepublik Deutschland ansässiges Publikum wenden.
Normenkette
RDG §§ 2-3, 10-11; UWG § 3a
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 04.08.2020; Aktenzeichen 91 O 52/20) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 4. August 2020 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin (Kammer für Handelssachen) - 91 O 52/20 - durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.
Es ist ferner beabsichtigt, den Verfahrenswert erster und zweiter Instanz auf 20.000 EUR festzusetzen.
Gründe
A. Die Antragstellerin ist eine auf gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht spezialisierte Sozietät von Rechtsanwälten. Sie nimmt die Antragsgegnerin, die über eine Registrierung als Inkassodienstleister nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG verfügt, wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch.
Die Antragsgegnerin bewirbt die von ihr angebotenen Leistungen - wie dem Senat aufgrund der im Parallelverfahren 5 W 58/21 als Anlage AS1 eingereichten Screenshots der Eigendarstellung der Antragsgegnerin bekannt ist - wie folgt:
"Gestohlene Bilder finden war noch nie so einfach. Laden Sie Bilder einfach in unsere Web-App hoch [...]. Markieren Sie gestohlene Bilder und reichen Sie diese innerhalb weniger Minuten als Fall ein. Jetzt übernimmt unser globales Rechtsnetzwerk für Sie - gewonnene Fälle in über 80 Ländern sprechen für sich. [...] Wir kümmern uns international im die Durchsetzung Ihres Copyrights [...]. Behalten Sie die volle Kontrolle: Sehen Sie wo Ihre Bilder verwendet werden und entscheiden Sie über Maßnahmen bei Urheberrechtsverletzungen. [...] Wir helfen Ihnen bei der Durchsetzung Ihrer Rechte [...]. Nach der Prüfung Ihres Falles versenden wir ein Angebot zur nachträglichen Lizenzierung an den Bildverwender. [...] Scheitert eine nachträgliche Lizenzierung, fordern wir im Rahmen des kaufmännischen Inkasso den Bildverwender zur Zahlung von Schadensersatz auf."
Unter dem 08. Mai 2020 wandte sich die Antragsgegnerin wegen der Nutzung einer Produktfotografie auf der Webseite [...] an die [...] mit Sitz in Spanien, und teilte dieser mit, dass sie von einem ihrer Kunden darüber informiert worden sei, dass die [...] eine Produktfotografie genutzt habe, ohne über eine gültige Lizenz hierfür zu verfügen. Sie wies die Adressatin ferner darauf hin, dass eine Nutzung der Fotografie ohne gültige Lizenz als Urheberrechtsverletzung anzusehen sei und die Einleitung rechtlicher Schritte nach sich ziehe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage AS 2a Bezug genommen.
Mit weiterem Schreiben (vom 3. Juni 2020) wies die Antragsgegnerin darauf hin, dass sie von ihrem Auftraggeber damit betraut worden sei, nach unrechtmäßigen Online-Nutzungen seiner Bilder zu suchen und die aus einer solchen unrechtmäßigen Nutzung folgenden Ansprüche durchzusetzen. Die geschehene Nutzung eines Bildes auf der Webseite [...] greife in das Urheberrecht an diesem Bild ein. Hierfür sei [...] verantwortlich. Um diese Angelegenheit gütlich zu bereinigen, räume die Antragsgegnerin die Möglichkeit ein, entweder eine nachträgliche Lizenz zu erwerben, die auch eine Weiter...