Leitsatz (amtlich)
Ist der Anspruchsteller bereits durch einen gegen den Anspruchsgegner erwirkten Unterlassungstitel gesichert und zielt ein neuerlicher Antrag auf das Verbot einer kerngleichen Verletzungshandlung, die ohne weiteres von dem bereits titulierten Unterlassungsanspruch erfasst ist, kann das Rechtsschutzbedürfnis für den Erlass eines weiteren Titels fehlen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Anspruchsteller bereits einen bestandskräftigen Titel in den Händen hält, der in Rechtskraft erwachsen oder vom Anspruchsgegner (durch Abgabe einer Abschlusserklärung) als endgültige Regelung anerkannt worden ist. Der Antragsteller ist in seiner Entscheidung, ob er den Antragsgegner wegen eines konkreten Verletzungsverhaltens in Anspruch nimmt oder ob er das aus Anlass einer konkreten Verletzungshandlung geltend gemachte Unterlassungsgebot möglichst weit gefasst sehen will, grundsätzlich frei. Die Dringlichkeitsvermutung gemäß § 12 Abs. 1 UWG ist daher nicht schon widerlegt, wenn der Antragsteller ein bereits in der Vergangenheit gegen den Antragsgegner eingeleitetes Eilverfahren nicht dazu genutzt hat, sein Unterlassungsbegehren in zulässig-abstrahierender Weise auch auf solche Verletzungshandlungen zu erstrecken, die er später zum Gegenstand eines gesonderten Verfahrens macht (Anschluss an OLG Frankfurt Urteil vom 14. März 2013 - 6 U 227/12).
Normenkette
RDG §§ 2-3, 10-11; UWG §§ 3a, 12 Abs. 1; ZPO §§ 935, 940
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 12.03.2021; Aktenzeichen 52 O 88/21) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 12. März 2021 - 52 O 88/21 - in der Fassung des Nichtabhilfebeschlusses vom 06. April 2021 zum selben Geschäftszeichen aufgehoben.
2. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - an das Landgericht zurückverwiesen.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 30.000 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Antragstellerin ist eine auf gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht spezialisierte Sozietät von Rechtsanwälten. Sie nimmt die Antragsgegnerin, die über eine Registrierung als Inkassodienstleister nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG verfügt, wegen eines Verstoßes gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch.
Die Antragsgegnerin bewirbt die von ihr angebotenen Leistungen auf der eigenen Internetseite wie folgt:
"Gestohlene Bilder finden war noch nie so einfach. Laden Sie Bilder einfach in unsere Web-App hoch [...]. Markieren Sie gestohlene Bilder und reichen Sie diese innerhalb weniger Minuten als Fall ein. Jetzt übernimmt unser globales Rechtsnetzwerk für Sie - gewonnene Fälle in über 80 Ländern sprechen für sich. [...] Wir kümmern uns international im die Durchsetzung Ihres Copyrights [...]. Behalten Sie die volle Kontrolle: Sehen Sie wo Ihre Bilder verwendet werden und entscheiden Sie über Maßnahmen bei Urheberrechtsverletzungen. [...] Wir helfen Ihnen bei der Durchsetzung Ihrer Rechte [...]. Nach der Prüfung Ihres Falles versenden wir ein Angebot zur nachträglichen Lizenzierung an den Bildverwender. [...] Scheitert eine nachträgliche Lizenzierung, fordern wir im Rahmen des kaufmännischen Inkasso den Bildverwender zur Zahlung von Schadensersatz auf."
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die von der Antragstellerin als Anlage AS1 vorgelegten Screenshots der Eigendarstellung der Antragsgegnerin Bezug genommen.
Unter dem 21. Dezember 2020 wandte sich die Antragsgegnerin wegen der Nutzung einer Produktfotografie auf der Webseite [...] an die [...] mit Sitz in [...], und teilte dieser mit, dass sie von ihrem Auftraggeber, Herrn [...], darüber informiert worden sei, dass die [...] eine von Herrn [...] angefertigte Produktfotografie ohne dessen Erlaubnis genutzt habe und sie mit der Regelung und Verfolgung dieser Urheberrechtsverletzung beauftragt sei. Sie wies die Adressatin ferner darauf hin, dass sie unabhängig davon, ob diese Urheberrechtsverletzung noch andauere, zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet sei. Sodann forderte die Antragsgegnerin die Adressatin des Schreibens zur Zahlung einer Entschädigung für die unberechtigte Nutzung der Fotografie sowie zur Zahlung einer Lizenzgebühr auf. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlage AS9 Bezug genommen.
Mit insgesamt vier gleichlautenden Schreiben vom 6. Januar 2021 (Anlage AS2 bis AS6) wandte sich die Antragsgegnerin an die in [...] ansässige [...], die unter den Domains [...] Kosmetik-Webshops betreibt, und machte dieser gegenüber einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von jeweils 120,00 EUR wegen der unrechtmäßigen Nutzung einer urheberrechtlich geschützten Produktfotografie geltend ("the [...] is claiming compensation from you for the unlawful online usage of a copyrighted image"). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Anlagen AS2 bis AS6 und die sich hieran anschließende E-Mail-Korrespondenz (Anlage AS7) Bezug genommen.
Unter dem 15. Februar 2021 wies di...