Leitsatz (amtlich)
Lässt das anzuwendende ausländische (hier ggf. das ungarische) Recht eine Singularsukzession der (für die Nachlassverbindlichkeiten haftenden) Erben in bestimmte Gegenstände zu, sind die so Bedachten bei der Erteilung eines Erbscheins (hier nach § 2369 Abs. 1 BGB) als Miterben und nicht als bloße Vermächtnisnehmer anzusehen.
Normenkette
BGB § 2369 Abs. 1; EGBGB Art. 25 Abs. 1, Art. 43 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Berlin-Charlottenburg (Beschluss vom 31.10.2012; Aktenzeichen 61 VI 300/10) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Das AG wird angewiesen, den Erbschein vom 4.4.2011 einzuziehen.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 40.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig (§§ 58 ff. FamFG) und begründet. Der - nach § 2369 Abs. 1 BGB gegenständlich beschränkte - Erbschein vom 4.4.2011, der die Beteiligten zu 2) und 3) als Erben zu je 1/2 ausweist, ist gem. § 2361 Abs. 1 BGB einzuziehen. Der Erbschein ist unrichtig, weil die Beteiligte zu 1) Miterbin ist. Das ergibt sich aus den Testamenten vom 1.3. und 9.5.2005.
Die Erbfolge richtet sich (ohne Nachlassspaltung) insgesamt nach ungarischem Recht, Art. 25 Abs. 1 EGBGB i.V.m. §§ 11 Abs. 1, 36 Abs. 1 und 2 der ungarischen Gesetzesverordnung Nr. 13/1979 über das internationale Privatrecht (wiedergegeben bei Ferid/Ember, Internationales Erbrecht, Stand März 2012, Ungarn). Danach hat der Erblasser mit dem Testament vom 1.3.2005 (auch) die Beteiligte zu 1) wirksam als Erbin eingesetzt. Das maschinenschriftliche, durch den Erblasser vor zwei Zeugen unterzeichnete Testament ist gem. §§ 627 ff. des - hier noch anzuwendenden - Zivilgesetzbuchs der Ungarischen Republik IV/1959 (im Folgenden: ungZGB, wiedergegeben bei Ferid/Ember, a.a.O.) i.V.m. Art. 26 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 und 5 EGBGB, § 36 Abs. 2 S. 2 lit. a und b VO Nr. 13/1979 hinsichtlich seiner Form gültig. Die in ihm bestimmte Zuwendung des Wohnungseigentums in Berlin (Grundbuch des AG ...) ist als Einsetzung eines weiteren Erben (§ 636 Abs. 1 ungZGB) und nicht als bloßes Vermächtnis - in Form eines Vindikationslegats (§ 641 Abs. 1 ungZGB) oder Damnationslegats (§ 641 Abs. 2 ungZGB) - zu verstehen.
Das folgt schon aus dem Wortlaut des Testaments, in dem die Beteiligte zu 1) - ebenso wie die Beteiligten zu 2) und 3) - als Erbe ("örökös") bezeichnet wird. Dem Wortlaut kommt hier für die Auslegung besondere Bedeutung zu, weil das Testament von einem ungarischen Rechtsanwalt entworfen (und gegengezeichnet) wurde. Hätte der Erblasser die Beteiligte zu 1) lediglich mit einem Vermächtnis ("hagyomány") bedenken wollen, hätte es nahe gelegen, diesen Begriff auch zu verwenden. Dass er der Beteiligten zu 1) mit der Eigentumswohnung einen bestimmten Gegenstand zuwendet, spricht nicht gegen ihre Erbeinsetzung. Dabei kommt es nicht darauf an, ob das ungarische Erbrecht nur die Universalsukzession kennt (vgl. Ferid/Ember, a.a.O., Rz. 58, 109 unter Verweis auf §§ 598, 682 Abs. 1 ungZGB) oder auch eine Sondererbfolge in einzelne Gegenstände (vgl. § 673 Abs. 2 ungZGB), die gleichfalls zur Haftung für Nachlassverbindlichkeiten führt (§ 679 Abs. 1 ungZGB). Jedenfalls ist die Einsetzung eines Erben "auf einen Gegenstand" ein rechtstechnischer Begriff, den das ungarische Gesetz - unabhängig von der Auslegungsregel des § 636 Abs. 3 ungZGB - mehrfach verwendet (vgl. §§ 638, 639 Abs. 3, 673 Abs. 2 ungZGB). Gibt es nur die Gesamtrechtsnachfolge der Erben, ist eine solche Einzelzuweisung als Zuwendung eines Erbanteils anzusehen, dessen Höhe sich nach den Wertverhältnissen der Nachlassgegenstände (vgl. zum deutschen Recht Palandt/Weidlich, BGB, 71. Aufl., § 2087 Rz. 3) oder gem. § 638 ungZGB nach der Zahl der Erben richtet (vgl. das Beispiel bei Ember, Die Veränderung des ungarischen Erbrechts seit 1945, S. 101). Lässt das ungarische Recht die Sondererbfolge in einzelne Gegenstände oder Vermögensgruppen zu, ist die Beteiligte zu 1) ebenfalls Miterbin, unabhängig davon, ob die Singularsukzession für eine im Inland belegene Sache anzuerkennen ist (vgl. dazu Staudinger/Dörner, BGB, Neubearb. 2007, Art. 25 EGBGB Rz. 48, 279, 281, 884 und zum Vindikationslegat BGH NJW 1995, 58; Staudinger/Dörner, a.a.O., Art. 25 EGBGB Rz. 50, 284 ff.). Sollte die Anerkennung im Hinblick auf Art. 43 Abs. 1 EGBGB ausgeschlossen sein, wäre die Beteiligte zu 1) als Erbin zu einem Bruchteil zu behandeln. Der auf einen Gegenstand eingesetzte Erbe wäre - anders als beim Vindikationslegat (vgl. BGH, a.a.O.; Staudinger/Dörner, a.a.O.) - dinglich am Nachlass zu beteiligen. Das steht im Einklang mit dem Regelungsziel des fremden Erbrechts und der Erbenhaftung nach § 679 Abs. 1 ungZGB. Zudem gäbe es bei der Beschränkung auf einen schuldrechtlichen Anspruch gar keine testamentarischen Erben, wenn ein Erblasser seine Erben unter Erschöpfung des Nachlasses nur auf Gegenstände eingesetzt hat.
Im Übrigen ist die Beteiligte zu 1) auch nach der Zweifelsregelung des § 636 Abs. 3 ungZGB als (Mit-)Erbin anzusehen. Der Erblasser hat sie mit einem Verm...