Entscheidungsstichwort (Thema)
Wohngeld bei unwirksamen Beschlüssen. Stimmrecht des Zwangsverwalters. Wohnungseigentumssache betreffend die Wohnungseigentumsanlage
Leitsatz (amtlich)
1. Sind aufgrund falscher Stimmenzählungen Eigentümerbeschlüsse über die Jahresabrechnung oder den Wirtschaftsplan unrichtig als zustande gekommen protokolliert worden, so bilden sie keine Grundlage für gerichtliche Wohngeldverfahren.
2. Hat ein Wohnungseigentümer für mehrere Wohnungen nur eine Stimme und ist nicht für alle seine Wohnungen ein Zwangsverwalter eingesetzt, so kann die Stimme nicht gezählt werden, wenn sich Wohnungseigentümer und Zwangsverwalter über die Stimmabgabe (Ja oder Nein) nicht einig sind.
Normenkette
WEG § 16 Abs. 2, § 25 Abs. 2 S. 2
Beteiligte
Weitere Beteiligte wie aus dem Beschluß des Landgerichts Berlin vom 28. Dezember 1988 – 191 T 75/88 (WEG) – ersichtlich |
Verfahrensgang
AG Berlin-Wedding (Aktenzeichen 70 II 12/88 (WEG)) |
LG Berlin (Aktenzeichen 191 T 75/88 (WEG)) |
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird teilweise aufgehoben.
Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß des Amtsgerichts Wedding vom 7. März 1988 – 70 II 12/88 (WEG) – zu Nr. 1. und Nr. 2 geändert.
Der Antrag der Antragstellerin wird zurückgewiesen.
Im übrigen wird die sofortige weitere Beschwerde mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Wideranträge der Antragsgegnerin zurückgewiesen werden.
Die Antragstellerin hat die Gerichtskosten erster Instanz voll sowie die Gerichtskosten zweiter und dritter Instanz zu 2/5 zu tragen. Die Antragsgegnerin hat die Gerichtskosten zweiter und dritter Instanz zu 3/5 zu tragen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Der Geschäftswert wird für die zweite und dritte Instanz – für die zweite Instanz in Änderung des angefochtenen Beschlusses – auf 18.434,75 DM festgesetzt
Gründe
Gestützt auf den zu Tagesordnungspunkt 3 protokollierten Eigentümerbeschluß vom 18. September 1987 betreffend den Wirtschaftsplan für die Zeit vom 1. Mai 1987 bis zum 30. April 1988 hat die Antragstellerin von der Antragsgegnerin, die am 27. November 1987 als neue Eigentümerin von sechs Wohnungen in die Wohnungsgrundbücher der Wohnanlage eingetragen worden ist, Wohngeldvorschüsse für die Monate Dezember 1987, Januar 1988 und Februar 1988 entsprechend der Einzelabrechnung in Höhe von insgesamt 7.545,– DM nebst Fälligkeitszinsen verlangt. In dem Protokoll über die Eigentümerversammlung vom 18. September 1987 ist eingangs vermerkt, daß der Verwalter die Stimmrechte von 5 in den Wohnungsgrundbüchern eingetragenen Beteiligten nicht anerkenne, weil er die Zustimmung zur Veräußerung nicht gegeben habe; zu TOP 3 sind 8 Ja-Stimmen, 5 Nein-Stimmen und 0 Enthaltungen angegeben. Durch Beschluß vom 7. März 1988 hat das Amtsgericht Wedding die Antragsgegnerin zur Zahlung verpflichtet, weil trotz Nichtberücksichtigung von 5 Stimmrechten der Beschluß betreffend den Wirtschaftsplan 1987/88 wirksam zustande gekommen sei. Während der zweiten Instanz fand die Eigentümerversammlung vom 4. August 1988 statt, auf der unter TOP 1 die Jahresabrechnung für die Zeit vom 1. Mai 1987 bis zum 30. April 1988 Gegenstand der Beschlußfassung war; nach dieser Abrechnung würden sich die Wohngeldrückstände der Antragsgegnerin bis zum 30. April 1988 auf 7.567,35 DM belaufen. Die Antragsgegnerin hat in zweiter Instanz zudem im Wege des Widerantrags beantragt, die Antragstellerin zu verpflichten, an sie insgesamt 18.434,75 DM zu zahlen. Durch den angefochtenen Beschluß hat das Landgericht die Erstbeschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Antragsgegnerin.
Das gemäß §§ 27, 29 FGG, 45 WEG zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg. Der angefochtene Beschluß ist nicht frei von Rechtsfehlern (§ 27 FGG).
Die Umstellung des Zahlungsanspruches auf die sich aus der Jahresabrechnung für die Wirtschaftsperiode 1987/88 ergebenden Zahlungsrückstände wäre an sich verfahrensrechtlich einwandfrei. Es begegnet jedoch rechtlichen Bedenken, daß am 4. August 1988 ein Mehrheitsbeschluß betreffend die bis zum 30. April 1988 laufende Wirtschaftsperiode 1987/88 bejaht wird. Wie sich aus dem Protokoll der Eigentümerversammlung vom 4. August 1988 und den bereits vom Landgericht beigezogenen Akten des Verfahrens 70 II 72/88 (WEG) AG Wedding ergibt, sind zu TOP 1 zwar 10 Ja-Stimmen angenommen worden. Eine gezählte Ja-Stimme kam jedoch von einem Zwangsverwalter, der nur 2 von 3 Wohnungen einer Beteiligten zwangsverwaltete. Diese Beteiligte selbst wollte anders abstimmen als der Zwangsverwalter. Da in der Anlage jedem Wohnungseigentümer nur eine Stimme zusteht, selbst wenn er über mehrere Wohnungen verfügt, steht dem für einen Teil der Wohnungen eines Miteigentümers eingesetzten Zwangsverwalter kein Stimmrecht zu, wenn er anders abstimmen will als der Beteiligte selbst. Insoweit ist § 25 Abs. 2 Satz 2 WEG entsprechend anzuwenden. Das Stimmrecht eines Wohnungseigentümers, der mehrere Wohnungen inne hat, kann nur einheitlich ausgeübt wer...