Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorgeschlagenes Teilanerkenntnis und dann Berufungsrücknahme

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Bemessung des Schmerzensgeldes für ein durch Verkehrsunfall verletztes 4jähriges Kind (hier 3.000 EUR bei folgenden Unfallfolgen: kurze Bewusstlosigkeit; Schädel-Hirn-Trauma I. Grades sowie Kalottenfraktur okzipital links und mittelständig. 4 Tage stationär behandelt und zur Durchführung einer Traumaspirale intubiert und für ca. 4 Stunden beatmet.; danach eine Woche Bettruhe und zwei Wochen kein Sport empfohlen; anschließend ambulante Behandlung durch Kinderärztin).

Bei Verletzungen infolge Verkehrsunfalls wird die Höhe des Schmerzensgeldes in erster Linie - entsprechend der im Vordergrund stehende Ausgleichsfunktion - durch das Maß der dem Verletzten durch den Unfall zugefügten Lebensbeeinträchtigung bestimmt.

Für die Bemessung des Schmerzensgeldes ist die Orientierung an in anderen Fällen von der Rechtsprechung zugebilligten Beträgen nicht nur zulässig, sondern wenigstens als Ausgangspunkt auch erforderlich, weil sich eine unmittelbar Relation zwischen einer Geldentschädigung und nur im seelischen Bereich liegenden Beeinträchtigungen nicht gewinnen lässt. Es liegt alsdann im pflichtgemäßen Ermessen des Tatrichters, ob er die früheren Maßstäbe einhält oder überschreitet.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 41 O 153/09)

 

Tenor

Der Senat erteilt den Parteien folgende rechtliche Hinweise:

 

Gründe

I. Der Kläger macht neben einem auf materiellen und immateriellen Schadensersatz gerichteten Feststellungsanspruch Ansprüche auf Zahlung von Schmerzensgeld und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten geltend.

Der am 4.7.2003 geborene Kläger wurde am 23.8.2007 bei einem Verkehrsunfall verletzt, für den die Beklagten unstreitig zu 100 % haften. Der Kläger war kurz bewusstlos und erlitt ein Schädel-Hirn-Trauma I sowie eine Kalottenfraktur okzipital links und mittelständig. Er wurde 4 Tage stationär behandelt und zur Durchführung einer Traumaspirale intubiert und für ca. 4 Stunden beatmet. Die anschließende Behandlung erfolgte ambulant durch die Kinderärztin und wurde Ende Februar 2008 abgeschlossen. Eine im Februar 2008 durchgeführte MRT-Untersuchung ergab keine auffälligen Befunde.

Die Beklagte zu 3) zahlte an den Kläger ein Schmerzensgeld i.H.v. 3.000 EUR.

Der Kläger behauptet, er habe anfänglich und dann verstärkt im November 2007 bis Ende Februar 2008 unter regelmäßigen Kopfschmerzen gelitten. Eine tiefe und dauerhaft verankerte Traumatisierung könne unterstellt werden, auch wenn sie nicht sogleich erkennbar in Erscheinung trete.

Der Kläger meint, ihm stünde ein Schmerzensgeldanspruch i.H.v. mindestens weiteren 6.000 EUR zu.

Das LG hat festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet seien, dem Kläger künftigen materiellen und immateriellen Schaden zu ersetzen, der ihm aus dem Verkehrsunfall noch entstehe, soweit er nicht auf Sozialversicherungsträger übergehe und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Klageabweisung begründet das LG im Wesentlichen wie folgt:

Der Kläger sei durch die Zahlung von Schmerzensgeld i.H.v. 3.000 EUR ausreichend entschädigt worden. Das zeige ein Vergleich mit einer Entscheidung des OLG Koblenz (12 U 113/03). Damit sei der Ausgleichs- und angesichts der groben Fahrlässigkeit des Beklagten zu 2) auch der Genugtuungsfunktion Rechnung getragen. Die physischen Folgen seien für den Kläger jedenfalls nicht so gravierend, wenn ihm bei seiner Entlassung aus dem Krankenhaus nur eine Woche Bettruhe und zwei Wochen kein Sport empfohlen worden seien, das MRT negativ gewesen sei und die Kinderärztin die Behandlung am 27.2.2008 als abgeschlossen angesehen habe. Die vom Kläger angeführten Entscheidungen seien nicht vergleichbar und die psychischen Folgen zumindest nicht so erheblich, dass sie Eingang in die Arztberichte und ärztlichen Zeugnisse gefunden hätten.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung, mit der er seine Klageanträge weiter verfolgt, soweit die Klage abgewiesen worden ist. Hilfsweise beantragt er die Zulassung der Revision. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus:

Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes habe das LG nicht die Gefährlichkeit eines Schädelbruchs bei einem Kleinkind und die damit verbundenen Ängste des Geschädigten und seiner Eltern ausreichend gewürdigt, obwohl das LG zur Begründung des Feststellungsanspruchs die Unvorhersehbarkeit der Auswirkungen anerkannte.

Der Kläger hält den Vergleich mit Fällen aus Schmerzensgeldtabellen für unbefriedigend, weil die Fälle selten vollständig vergleichbar seien. Das Gericht habe stattdessen selbst ausführlich zu würdigen und zu bestimmen.

Die Urteilsbegründung gebe Anlass zu der Vermutung das Gericht habe das ihm obliegende Ermessen, das im konkreten Fall angemessene Schmerzensgeld selbst einzuschätzen, nicht tatsächlich ausgeübt. Es sei nur ein auf den ersten Blick passendes Urteil für vergleichbar erklärt worden. Die Sachverhalte seien jedoch keineswegs vergleichbar. Selbst wenn sie es wär...

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