Entscheidungsstichwort (Thema)
Beschwerdewert bei Berufung gegen Unterlassungsverurteilung
Leitsatz (amtlich)
Streiten die Parteien bei einer erstinstanzlichen Verurteilung zur Unterlassung nicht über die Rechtsfrage der Unterlassungspflicht selbst, sondern über die Tatfrage, ob ein Verstoß gegen die Unterlassungspflicht erfolgt ist (hier: Vorwurf einer wettbewerbswidrig irreführenden telefonischen Äußerung), dann richtet sich die Beschwer des Verurteilten bei fehlendem Interesse, so zu handeln, wie es ihm verboten worden ist, (allenfalls) nach dem Aufwand und den Kosten, die ihm entstehen können, wenn er dem titulierten Unterlassungsanspruch nachkommt (Fortführung BGH NJW-RR 2009, 549; KG MMR 2007, 386). Der Beschwerdewert einer Berufung ist daher in diesem Fall häufig auf den Mindestwert von bis zu 300 EUR festzusetzen (Fortführung OLG Celle, Beschl. v. 13.4.2011 - 11 U 236/10).
Normenkette
ZPO § 511 Abs. 2 Nr. 1; UWG §§ 3, 5, 8 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 11.02.2011; Aktenzeichen 103 O 246/09) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der Kammer für Handelssachen 103 des LG Berlin vom 11.2.2011 - 103 O 246/09 - wird (nicht zugelassen und) als unzulässig verworfen.
2. Die Kosten der Berufung hat die Beklagte zu tragen.
3. Der Wert der Berufung wird auf bis zu 300 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Das LG Berlin hat die Beklagte, die im Geschäftsverkehr und auch im Prozessverkehr vor den Gerichten entgegen ihrer - gerichtsbekannten - Eintragung im Handelsregister stets unter der Bezeichnung "P GmbH" (anstatt korrekt "... GmbH") auftritt, gemäß Unterlassungs- und auf Zahlungsantrag (betreffend Abmahnkosten; insoweit unter - rechtskräftiger - Teilabweisung eines weiter gehenden Zahlungsbegehrens) der Klägerin verurteilt,
1. es bei Meidung ... (der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel) zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Rahmen der telefonischen Akquise von P-Verträgen zu behaupten und/oder behaupten zu lassen,
a) der Anruf diene lediglich der Durchführung einer Umfrage
und/oder
b) für die Teilnahme an einer Umfrage erhalte der Kunde 100 Freiminuten, insbesondere wenn dies mit der weiteren Behauptung geschieht, dass diese Freiminuten von der Telekom gewährt würden,
- wenn der Kunde in dem Telefonat tatsächlich einen P-Vertrag abschließen soll,
2. an die Klägerin 1.580 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 Abs. 1 BGB seit dem 22.12.2009 zu zahlen.
Gegen dieses ihr am 4.4.2011 zugestellte Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt und diese in der Sache ebenfalls form- und fristgerecht begründet.
Die Beklagte verfolgt ihr erstinstanzliches (vollumfängliches) Klageabweisungsbegehren weiter. Es bestünden Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen durch das erstinstanzliche Gericht. Die Würdigung des LG der (vor ihm getätigten) Zeugenaussagen sei fehlerhaft. Mangels Unterlassungsansprüchen bestünde auch kein Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten.
Nach einem Hinweis des Senats vom 1.7.2011 auf ein (mögliches) Nichtübersteigen des in § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorgesehenen Werts (Bd. I Bl. 204 d.A.) trägt die Beklagte mit Schriftsatz vom 21.7.2011 (Bd. II Bl. 3 ff. d.A.) zur Höhe der Beschwer (im Wesentlichen) vor: Der Aufwand und die Kosten der Beklagten zur Einhaltung der Unterlassungspflicht überstiegen um ein Vielfaches die Mindestbeschwer der besagten Vorschrift. Die Beklagte bediene sich zum Vertrieb ihrer Produkte ihrer Schwestergesellschaft, der V GmbH, mit ca. 500 Mitabeitern. Weiterhin führe sie zahlreiche Pilotprojekte auch mit externen Vertriebspartnern durch. Neu titulierte Unterlassungsansprüche würden zunächst auf eine "No-Go" Liste gesetzt, welche jedem Mitarbeiter übergeben würden. Der Austausch dieser Listen müsse mit 100 EUR bewertet werden. Besprechungen wegen neu zu beachtender Unterlassungstitel mit 50 Teamleitern seien mit ca. 15 Minuten pro Teamleiter zu bemessen, also einem Insgesamt-Arbeitszeitverlust von 12,5 Stunden, was einem Bruttolohn von ca. 200 EUR entspreche. Die Teamleiter müssten bei etwaigen Unterlassungstiteln ihre Teams (zu je ca. 10 Personen) erneut 15 Minuten lang schulen, wofür weitere 200 EUR Bruttolohn für die Teamleiter und ca. 1.250 EUR für die Bezahlung der Call-Center-Agenten aufgewendet werden müssten. Ein weiterer Mitarbeiter müsse den Informationsprozess organisieren, da nicht alle Mitarbeiter immer an allen Tagen anwesend seien, wofür noch einmal ca. 600 EUR an Mitarbeiterkosten zu berechnen seien. Erforderliche Änderungen der Internetseite und der Werbung stellten einen erheblichen Kostenfaktor dar (Internetseite: durchschnittlich 50 EUR, Überarbeitung Textbaustein-Schreiben: 600 EUR, Druckkosten: um 100 EUR, extern-rechtsberatende Prüfung sämtlicher Werbung im Hinblick auf [kerngleiche] Verstöße: durchschnittlich 2.000 EUR). Nicht zu vernachlässigen sei schließlich der Imageschaden, der entstehen würde, wenn die Call-Center-Agenten ...