Leitsatz (amtlich)
1. Zum Haftgrund der Wiederholungsgefahr.
2. Das in Haftsachen geltende Gebot besonderer Verfahrensbeschleunigung kann dazu führen, dass notfalls auch bereits terminierte Nichthaftsachen zugunsten von Haftsachen zurückzustellen sind. Jedoch gibt es keinen Grundsatz, dass Nichthaft-sachen erst dann verhandelt werden dürfen, wenn keine Haftsachen mehr anhängig sind. Denn auch Nichthaftsachen können - z.B. bei drohendem Beweislust, drohender Verjährung oder aus Gründen des Opferschutzes - besonderer Beschleunigung bedürfen. Bei der Terminierung und Festlegung der Verhandlungsreihenfolge sind daher die einzelnen Beschleunigungsgesichtspunkte gegeneinander abzuwägen und zu gewichten.
Tenor
Die Untersuchungshaft des Angeklagten dauert fort.
Eine etwa erforderlich werdende weitere Haftprüfung durch das Kammergericht findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Landgericht Berlin übertragen.
Gründe
I.
Die Staatsanwaltschaft Berlin - 265 Js 414/18 - legt dem Angeklagten mit ihrer am 27. August 2018 zum Jugendschöffengericht Tiergarten erhobenen Anklageschrift vom 17. August 2018 die Begehung von insgesamt 22 Straftaten zu Last, die er in der Zeit vom 27. Dezember 2017 bis zum 7. Mai 2018 teilweise gemeinsam mit den Mitangeklagten C, A und Al begangen haben soll. Er soll acht Verbrechen des gefährlichen Eingriffs in den Bahnverkehr (zur Herbeiführung eines Unglücksfalls) in Tateinheit mit gemeingefährlicher Sachbeschädigung (§§ 315 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3 Nr. 1a, 303, 304 StGB), sechs Taten des Diebstahls, hiervon in vier Fällen gewerbsmäßig handelnd (§§ 242, 243 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB), ein am 30. April 2018 verübtes Verbrechen des schweren Raubes in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung (§§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 1a, 223 StGB), ein Verbrechen des schweren Raubes (§§ 249, 250 Abs. 1 Nr. 1a StGB), ein Verbrechen des Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§§ 249, 223, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB), zwei Verbrechen der räuberischen Erpressung (§§ 253, 255 StGB), ein am 4. Mai 2018 verübtes Verbrechen des erpresserischen Menschenraubs in Tateinheit mit Raub und gefährlicher Körperverletzung (§§ 239a, 249, 224 Abs. 1 Nr. 4 StGB) und zwei Verbrechen des räuberischen Diebstahls, davon in einem Fall in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung (§§ 252, 223 StGB) begangen haben.
Darüber hinaus legt die Staatanwaltschaft Berlin - 287 Js 191/18 - dem Angeklagten mit ihrer am 13. Juli 2018 zum Jugendschöffengericht Tiergarten erhobenen Anklageschrift vom 10. Juli 2018 zur Last, gemeinsam mit dem Mitangeklagten C zwischen dem 15. Oktober 2017 und dem 24. Januar 2018 drei Verbrechen des schweren räuberischen Diebstahls (§§ 252, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB), davon in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 und 4 StGB), begangen zu haben.
Der Verfahrensgang gestaltete sich im Wesentlichen wie folgt:
Das Amtsgericht Tiergarten - 353 Gs 1995/18 - erließ am 11. Mai 2018 im staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren 265 Js 414/18 Haftbefehl gemäß § 112a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StPO gegen den Angeklagten, der daraufhin am 14. Mai 2018 festgenommen wurde und sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft befindet. Gegenstand des Haftbefehls waren die Taten vom 30. April und 4. Mai 2018.
Die Staatsanwaltschaft hat in der Folgezeit die erforderlichen umfangreichen Ermittlungen zügig geführt und weitere gegen den Angeklagten bestehende Ermittlungsverfahren zum Ursprungsverfahren verbunden. Aufgrund der Vielzahl der gegen den Angeklagten erhobenen Tatvorwürfe waren die Ermittlungen und der Aktenbestand umfangreich, die Ermittlungsakte umfasste schließlich 23 Bände Hauptakten nebst diversen Beiakten. Die Anklageschrift vom 17. August 2018 richtet sich gegen vier Angeklagte, denen insgesamt 24 Straftaten zur Last gelegt werden. Die - sehr ausführliche und gründliche - Anklageschrift umfasst 71 Seiten und benennt neben anderen Beweismitteln auch 73 Zeugen.
Nach Eingang der Anklage hat die Vorsitzende des Jugendschöffengerichts unverzüglich am 29. August 2018 die Zustellung der Anklageschrift verfügt, die Mitangeklagten C und A zur Auswahl eines Pflichtverteidigers angehört und die Akten über die Staatsanwaltschaft an das Landgericht Berlin - Jugendkammer - zur Übernahme des Verfahrens nach § 40 Abs. 2 JGG übersandt. Zugleich hat sie das ebenfalls in ihrer Abteilung anhängige Verfahren (402 Ls) 287 Js 191/18 (38/18) zum Zwecke der Prüfung der Übernahme und Verfahrensverbindung an das Landgericht übersandt.
Am 5. September 2018 gingen die Akten beim Landgericht - Jugendkammer - ein. Noch am selben Tage verfügte der Jugendkammervorsitzende die Anhörung der Angeklagten zur Frage der Verfahrensübernahme. Nachdem über inzwischen gestellte Beiordnungsanträge entschieden und den Verteidigern Akteneinsicht gewährt worden war, hat die Jugendkammer bereits am 19. September 2018 beide Verfahren nach §§ 40 Abs. 2, 41 Abs. 1 Nr. 2 JGG übernommen, miteinander verbun...