Normenkette

GVG § 172 Nr. 2, § 174 Abs. 3

 

Tenor

Die Beschwerden des Klägers und seines Prozessbevollmächtigten Dr. ... sowie die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 25. Oktober 2017 - 7 O 90/16 - werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden bei einem Beschwerdewert von 5.000 EUR gegeneinander aufgehoben.

 

Gründe

I. Der Kläger und sein Prozessbevollmächtigter wenden sich mit ihrer am 15. November 2017 beim Kammergericht eingegangenen Beschwerde gegen den am 06. November 2017 zugestellten Beschluss des Landgerichts Berlin, soweit damit ihrer Beschwerde gegen den Beschluss vom 21. Juni 2017 teilweise abgeholfen worden ist.

Der Kläger und sein Prozessbevollmächtigte sind der Ansicht, die Abhilfeentscheidung gehe über die ursprüngliche Schweigeanordnung hinaus, weil diese inhaltlich auf die Rechnungen der Treuhänder erweitert werde. Damit sei der Beschluss schon formell nicht wirksam ergangen, weil § 174 Absatz 3 S. 2 GVG einen Erlass in der mündlichen Verhandlung fordere. Hinzu komme, dass gemäß § 174 Abs. 3 S. 1 GVG ein vorheriger oder gleichzeitiger Ausschluss der Öffentlichkeit in diesem Umfang notwendig sei, während vorliegend die Öffentlichkeit in der mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2017 nur wegen der Steuergeheimnisse der Treuhänder K... und R... ausgeschlossen worden sei. Soweit das Landgericht mit Beschluss vom 25. Oktober 2017 den Ausschluss der Öffentlichkeit auch auf die Rechnungen der Treuhänder erweitert habe, sei dies als rückwirkende Entscheidung nicht zulässig. Unabhängig davon seien mit den Rechnungen der Treuhänder ohnehin keine schutzwürdigen Geschäftsgeheimnisse im Sinne des § 172 Nr. 2 GVG betroffen.

Die Beklagte wendet sich mit ihrer am 22. November 2017 beim Kammergericht eingegangenen Beschwerde gegen den ihr am 8. November 2017 zugestellten Beschluss des Landgerichts vom 25. Oktober 2017, soweit das Landgericht im Rahmen der teilweisen Abhilfe die Geheimhaltungs-pflicht wegen der Stundensätze der Treuhänder aufgehoben habe.

Die Beklagte ist der Ansicht, es handle sich auch insoweit um Geschäftsgeheimnisse, die für die Öffentlichkeit und die Allgemeinheit nicht bestimmt seien.

II. 1. Die Beschwerde des Klägers und seines Prozessbevollmächtigten ist ausgehend von ihrem Vortrag, wonach die Teilabhilfeentscheidung des Landgerichts vom 25. Oktober 2017 die mit der Beschwerde angegriffene Verschwiegenheitsverpflichtung vom 21. Juni 2017 inhaltlich erweitere, gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ff ZPO i.V.m. § 174 Absatz 3 S. 3 GVG zulässig, bleibt jedoch in der Sache ohne Erfolg.

Nach § 174 Abs. 3 S. 1 GVG kann das Gericht den anwesenden Personen die Geheim-haltung von Tatsachen zur Pflicht machen, die diesen durch die Verhandlung oder durch ein die Sache betreffendes amtliches Schriftstück zur Kenntnis gelangt ist, sofern in der mündlichen Verhandlung die Öffentlichkeit wegen Gefährdung der Staatssicherheit oder aus den in §§ 171b und 172 Nr. 2 und 3 GVG bezeichneten Gründen ausgeschlossen ist.

Der Beschluss des Landgerichts vom 25. Oktober 2017 genügt diesen Anforderungen.

Entgegen der Ansicht der Kläger war das Landgericht insbesondere - dies folgt aus §§ 174 Abs. 3 S. 3 GVG, 567 Abs. 1 Nr. 1, 572 Abs. 1 S. 1 1. Halbsatz ZPO - befugt, im Rahmen des Beschwerdeverfahrens eine Änderung des Geheimhaltungsbeschlusses auch außerhalb der mündlichen Verhandlung zu erlassen.

Der Beschluss ist auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Insbesondere geht die im Rahmen der Teilabhilfe neu gefasste Geheimhaltungsanordnung nicht über die ursprüngliche Anordnung im Beschluss vom 21. Juni 2017 hinaus, sondern konkretisiert diese nur.

Das Landgericht hatte mit Beschluss vom 21. Juni 2017 eine Geheimhaltung wegen solcher Tatsachen angeordnet, die "dem Steuergeheimnis unterliegende Belange der Treuhänder betreffen, insbesondere Erkenntnissen aus Steuerbescheiden.". Damit deckte diese Anordnung sämtliche Belange der Treuhänder ab, die dem Steuergeheimnis zuzu-ordnen sind, denn die Einleitung des Nebensatzes mit "insbesondere" macht ausreichend deutlich, dass die Anordnung nicht nur die Erkenntnisse aus Steuerbescheiden erfassen sollte.

Der Begriff des wichtigen Steuergeheimnisses, wie von § 172 ff GVG verwendet, wird in § 30 Abs. 2 AO näher definiert (vgl. Lückermann in Zöller, ZPO, 32. Auflage § 172 GVG Rdnr. 10). Danach ist das Steuergeheimnis verletzt, wenn Verhältnisse eines anderen, die die Steuerpflicht betreffen, bekannt gemacht oder verwertet werden. Aufgrund dieser Formulierung erstreckt sich das Steuergeheimnis auf die gesamten persönlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen, öffentlichen und privaten Verhältnisse des Steuerpflichtigen (Tormöhlen in Beermann/Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 1. Auflage (Stand 01.04.2016), § 30 Rdnr. 32 m.w.N.), wobei anerkannt ist, dass der Begriff der Verhältnisse weit auszulegen ist und insbesondere alle Besteuerungsgrundlagen betrifft (Tormöhlen a.a.O. und Rdz. 31). Nicht dem Steuergeheimnis unterfallen lediglich Verhältn...

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