Leitsatz (amtlich)
1. Zweifel an einer wirksamen Auslieferungsbewilligung und ein deshalb gegen die Überhaftnotierung anhängiges Beschwerdeverfahren entbinden nicht von der Pflicht zur beschleunigten Behandlung der Überhaftsache.
2. Die Staatsanwaltschaft hat von ihr zum Erreichen der Anklagereife für nötig befundene zulässige (weitere) Ermittlungen unverzüglich durchzuführen, ohne den Ausgang des Verfahrens über eine Beschwerde und weitere Beschwerde des Beschuldigten gegen die Überhaftnotierung abzuwarten.
Normenkette
StPO § 112 Abs. 1, 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 26.11.2008; Aktenzeichen (511) 69 Js 349/05 (25/08)) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Angeschuldigten gegen den Haftbefehl des Landgerichts Berlin vom 26. November 2008 - (511) 69 Js 349/05 (25/08) - wird der vorbezeichnete Haftbefehl aufgehoben.
Die Landeskasse Berlin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
I.
1.
Dem Angeschuldigten wird mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Berlin vom 27. Oktober 2008 zur Last gelegt, im September und Oktober 2005 in drei Fällen als Mitglied einer Bande mit Kokain - insgesamt mehrere Kilogramm - unerlaubt Handel getrieben zu haben. Wegen der Einzelheiten der Tatvorwürfe wird auf die Anklageschrift Bezug genommen. Über die Eröffnung des Hauptverfahrens hat die mit der Sache befasste Strafkammer noch nicht entschieden; ein konkreter Termin für die Durchführung der Hauptverhandlung steht noch nicht fest. Nach derzeitigem Sachstand könnte die mit anderen Haftsachen belastete Strafkammer frühestens im April 2009 mit der Hauptverhandlung beginnen; wahrscheinlich ist jedoch ein späterer Beginn.
2.
Der Verfahrensgang bis zur Anklageerhebung gestaltete sich im Wesentlichen wie folgt:
Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin erließ gegen den nicht geständigen Angeschuldigten sowohl im hiesigen Verfahren am 31. Januar 2006 (349 Gs 394/06) als auch am 28. Juni 2007 in dem weiteren Verfahren 69 Js 287/06 der Staatsanwaltschaft Berlin (352 Gs 2229/07) Haftbefehl. Auf der Grundlage entsprechender europäischer Haftbefehle wurde der Beschwerdeführer am 20. August 2007 in Spanien festgenommen und am 14. September 2007 vom Königreich Spanien an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert. Auf die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes verzichtete er nicht.
Er befand sich zunächst für das Verfahren 69 Js 287/06 in Untersuchungshaft, während für das hiesige Verfahren Überhaft notiert war. Da die Staatsanwaltschaft angesichts unklarer Auslieferungsunterlagen der spanischen Seite Zweifel am Vorliegen der Bewilligung der Auslieferung (auch) für das hiesige Verfahren hegte, wurde die Überhaftnotierung am 25. September 2007 vorübergehend gelöscht. Mit Fax-Schreiben vom 29. Januar 2008 teilte die Generalstaatsanwaltschaft Berlin - Dezernat Auslieferung/Einlieferung - nach Klärung der Frage mit den spanischen Behörden mit, dass die erforderliche Bewilligung auch für das vorliegende Verfahren erteilt worden sei.
Die ursprünglich in Aussicht genommene, angesichts des Sachzusammenhangs nahe liegende Verbindung der beiden Verfahren unterblieb gleichwohl. In dem Verfahren 69 Js 287/06 hatte die Staatsanwaltschaft Berlin schon unter dem 18. Dezember 2007 die Anklage gefertigt. Dort fand in der Zeit vom 10. bis 31. März 2008 vor der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Berlin die Hauptverhandlung statt. Der Beschwerdeführer wurde in jener Sache unter Freisprechung von zwei weiteren Vorwürfen des Betäubungsmittelhandels lediglich wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils am 8. April 2008 begann an diesem Tage der Vollzug der Freiheitsstrafe; das Strafende ist derzeit auf den 17. Februar 2010 notiert. Der Beschwerdeführer verbüßt die Strafe aufgrund der Überhaftnotierung noch in der Justizvollzugsanstalt Moabit.
Im hiesigen Verfahren beantragte die Staatsanwaltschaft nach Eingang der Mitteilung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin vom 29. Januar 2008 unter dem 15. Februar 2008 bei dem Amtsgericht Tiergarten die erneute Notierung der Überhaft. Da der Verteidiger hiergegen Einwendungen erhob, wurde die Generalstaatsanwaltschaft Berlin abermals um Prüfung und Stellungnahme gebeten. Nach deren Vorliegen ordnete der Ermittlungsrichter am 22. April 2008 die erneute Überhaftnotierung an, die am 24. April 2008 vollzogen war. Die dagegen erhobene Beschwerde und weitere Beschwerde des Verteidigers blieben erfolglos.
Am 11. Juni 2008 traf die Staatsanwaltschaft Berlin eine Ermittlungsverfügung. Nach dieser sollten mehrere Zeugen - unter anderem solche, die schon im Haftbefehl als den Tatverdacht tragend bezeichnet waren- dazu befragt werden, ob sie den Angeschuldigten kennen und gegebenenfalls in welchem Zusammenhang er ihnen wo begegnet sei. Ferner wurde eine Stimmenvergle...