Leitsatz (amtlich)
Für die notwendige Wahrnehmung eines Termins durch einen ihrer Mitarbeiter erhält eine Handelsgesellschaft in der Regel eine Entschädigung für den Verdienstausfall nach § 22 Satz 1 JVEG auch ohne konkreten Nachweis. Die frühere Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 21.5.1985 - 1 W 5495/84, MDR 1985, 851 = VersR 1985, 1072), die unter Geltung des ZSEG nur die Mindestvergütung nach § 2 Abs. 3 ZSEG (jetzt: § 20 JVEG) gewährte, wird aufgegeben.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 09.06.2006; Aktenzeichen 22 O 386/03) |
Tenor
In Abänderung der angefochtenen Entscheidung werden die von den Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten auf insgesamt 664,19 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.2.2006 festgesetzt. Die weiter gehende sofortige Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beklagten haben der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens nach einem Wert von 382,89 EUR zu erstatten.
Gründe
A. Die Klägerin hat in dem zugrunde liegenden Rechtsstreit gegen die Beklagten Werklohn geltend gemacht. Aufgrund eines zwischen den Parteien geschlossenen Zwischenvergleichs beauftragten die Parteien einen Sachverständigen zur Mängelfeststellung. Das Verfahren kam in der Folge zum Erliegen. Es wurde dann im Jahre 2003 wieder aufgenommen und in erster Instanz durch Urteil beendet. Auf die Berufung der Klägerin haben sich die Parteien vor dem Berufungsgericht verglichen. Nach dem Vergleich hatte die Klägerin 55 % der erstinstanzlichen und 60 % der Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. In dem anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren hat die Klägerin für Zeitversäumnis ihrer Mitarbeiter, die zu den Gerichtsterminen und dem Ortstermin des aufgrund des Zwischenvergleichs beauftragten Sachverständigen erschienen waren, insgesamt 885,68 EUR geltend gemacht, die in dem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 9.6.2006 nicht berücksichtigt wurden. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der sofortigen Beschwerde.
B.I. Die sofortige Beschwerde vom 28.6.2006 ist statthaft, §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere innerhalb der Frist von zwei Wochen nach § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO eingelegt. Denn der Kostenfestsetzungsbeschluss ist am 26.6.2006 zugestellt worden und das Rechtsmittel am 30.6.2006 beim LG Berlin eingegangen. Über das Rechtsmittel hat der Senat in der Besetzung nach dem Gerichtsverfassungsgesetz zu entscheiden, nachdem ihm die Entscheidung mit dem Beschluss vom 2.11.2006 durch den Einzelrichter nach § 568 ZPO übertragen worden ist.
II. Die sofortige Beschwerde ist auch im Wesentlichen begründet. Entgegen der Auffassung des LG sind zugunsten der Klägerin bei der Kostenausgleichung für Zeitversäumnis wegen notwendiger Reisen und zur notwendigen Wahrnehmung von Terminen insgesamt 809 EUR zu berücksichtigen.
1. Nach § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO sind die in einem Rechtsstreit wegen notwendiger Reisen und zur notwendigen Wahrnehmung von Terminen entstandenen Zeitversäumnisse nach den für die Entschädigung von Zeugen geltenden Vorschriften zu entschädigen. Dies führt hier wegen der Einleitung des Klageverfahrens und dessen Fortsetzung vor dem 1.7.2004 für die erste Instanz zur Anwendung des ZSEG und für die Berufung, die durch die Berufungsschrift vom 10.5.2005 eingeleitet wurde, zur Anwendung des JVEG, § 25 JVEG. Danach stehen der Klägerin als Entschädigung für die erste Instanz insgesamt 639 EUR und für die Berufungsinstanz 170 EUR zu.
a) Wie die Klägerin zu Recht geltend macht, findet § 91 Abs. 1 Satz 2 ZPO entgegen früherer Auffassung nicht nur dann Anwendung, wenn es um die Zeitversäumnis einer Partei geht, die eine natürliche Person ist, sondern auch bei der Zeitversäumnis einer juristischen Person oder - wie dies hier der Fall ist - einer Personenhandelsgesellschaft (vgl. Senat, MDR 1985, 851 = VersR 1985, 1072; OLG Rostock v. 3.2.2000 - 8 W 44/00, OLGReport Rostock 2000, 237; OLG Stuttgart v. 3.4.2001 - 8 W 494/00, OLGReport Stuttgart 2001, 391 = Justiz 2001, 361 = JurBüro 2001, 484; OLG Hamm v. 25.1.1996 - 23 W 348/95, MDR 1997, 206 = OLGReport Hamm 1997, 97 = NJW-RR 1997, 767; Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 91 Rz. 13 Stichwort " Zeitversäumnis"). Dabei ist es auch nicht erforderlich, dass die Zeitversäumnis bei dem Organ oder gesetzlichen Vertreter selbst eintritt, es reicht aus, dass der Termin durch einen Mitarbeiter wahrgenommen wird (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl., § 91 Rz. 13 Stichwort " Zeitversäumnis"; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 65. Aufl., § 91 Rz. 294; Thomas/Putzo/Hüsstege, ZPO, 27. Aufl., § 91 Rz. 15).
Eine Entschädigung scheidet hier nicht deshalb aus, weil der Klägerin ersichtlich keine Nachteile durch die Terminwahrnehmungen entstanden wären (vgl. dazu §§ 2 Abs. 3 Satz 5 ZSEG, § 20 JVEG). Die Klägerin ist als Personenhandelsgesellschaft, die sich nicht allein mit der Verwaltung eigenen Vermögens beschäftigt, notwendiger Weise gewerblich tätig (§ 1 Abs. 2 HGB...