Leitsatz (amtlich)
Ist eine Ladung zur Hauptverhandlung an den Betroffenen bereits einmal zuvor wirksam zugestellt worden, ist die öffentliche Zustellung des Urteils unter den Voraussetzungen der §§ 71 Abs. 1 OWiG, 40 Abs. 2 StPO zulässig.
Normenkette
StPO § 40 Abs. 2; OWiG § 71 Abs. 1
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 10.02.2015; Aktenzeichen 315 OWi 222/14) |
Tenor
Der Antrag des Betroffenen auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts gegen den Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 10. Februar 2015 wird verworfen.
Gründe
1. Der Polizeipräsident in Berlin hat gegen den Betroffenen wegen einer fahrlässig begangenen Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 und 3 StVG ein Bußgeld in Höhe von 520 Euro sowie gemäß § 25 Abs. 1 StVG ein Fahrverbot von einem Monat festgesetzt und gemäß § 25 Abs. 2a StVG eine Bestimmung über das Wirksamwerden getroffen. Das Amtsgericht Tiergarten hat den hiergegen eingelegten Einspruch mit Urteil am 31. Juli 2014 gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, nachdem der Betroffene am 2. Mai 2014 über seinen damaligen Verteidiger ordnungsgemäß zu dem - aufgrund der krankheitsbedingten Verhandlungsunfähigkeit des Betroffenen aufgehobenen und auf den 31. Juli 2014 neu terminierte Hauptverhandlung am 2. Juni 2014 geladen worden war. Der Betroffene war zwischenzeitlich nach London verzogen und mit Schreiben vom 30. Mai 2014 teilte der Verteidiger mit, dass er ihn nicht mehr vertritt. Er hat einen anderen Zustellungsbevollmächtigten nicht benannt. Die Zustellung des Urteils unter der dem Gericht bekannten Anschrift des Betroffenen in London ist fehlgeschlagen, weil der Betroffene die Zustellung trotz Benachrichtigung nicht bei der Post abgeholt hat. Daraufhin ist das Urteil auf Anordnung des Gerichts gemäß § 40 Abs. 1 und 2 StPO öffentlich zugestellt worden. Die Benachrichtigung über die öffentliche Zustellung des Urteils hat vom 2. bis zum 22. Oktober 2014 an der Gerichtstafel des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin ausgehangen.
Gegen dieses Urteil hat der am 23. Dezember 2014 erneut beauftragte Verteidiger des Betroffenen mit Schreiben vom 25. Januar 2015, bei Gericht am 28. Januar 2015 eingegangen, Rechtsbeschwerde eingelegt und begründet.
Mit dem angefochtenen Beschluss vom 10. Februar 2015 hat das Amtsgericht die Rechtsbeschwerde als unzulässig, weil verspätet, verworfen. Das Gericht hat den Beschluss dem Betroffenen formlos übersandt und seinem Verteidiger unter dem 13. Februar 2015 zugestellt.
2. Der am 20. Februar 2015 bei Gericht eingegangene Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Betroffenen ist zwar nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 346 Abs. 2 Satz 1 StPO zulässig, insbesondere rechtzeitig eingelegt worden, jedoch ist er aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses unbegründet.
Denn die öffentliche Zustellung des Urteils war jedenfalls nach §§ 71 Abs. 1 OWiG, 40 Abs. 2 StPO zulässig.
Nach § 40 Abs. 2 StPO ist eine öffentliche Zustellung statthaft, wenn die Ladung zur Hauptverhandlung dem Betroffenen bereits einmal zuvor zugestellt worden ist und die Zustellung nicht in der vorgeschriebenen Weise im Inland bewirkt werden kann.
Eine einschränkende Auslegung des § 40 Abs. 2 StPO ergibt sich auch nicht daraus, dass die vorangegangene ordnungsgemäß bewirkte Zustellung im Inland nur die Ladung gerade zu der Hauptverhandlung betraf, in der eine abschließende Entscheidung getroffen wurde. Vielmehr genügt eine einmal ordnungsgemäß bewirkte Ladung zur Hauptverhandlung (KG, Beschluss vom 16. Juni 2008 - (3) 1 Ss 44/08 (41/08) - juris).
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Im vorliegenden Fall ist - wie die Generalstaatsanwaltschaft Berlin zutreffend ausgeführt hat - der Betroffene am 2. Mai 2014 über seinen nach § 145a Abs. 2 Satz 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG zur Empfangnahme auch von Ladungen bevollmächtigten damaligen Verteidiger ordnungsgemäß zu dem - aufgrund der krankeitsbedingten Verhandlungsunfähigkeit des Betroffenen aufgehobenen und auf den 31. Juli 2014 neu bestimmten Hauptverhandlungstermin am 2. Juni 2014 geladen worden.
Der Betroffene ist zwischenzeitlich nach London verzogen und mit Schreiben vom 30. Mai 2014 teilte der Verteidiger mit, dass er ihn nicht mehr vertritt. Der Betroffene hat einen anderen Zustellungsbevollmächtigten im Inland nicht benannt.
Da ihm aber bewusst war, dass eine Hauptverhandlung über seinen Einspruch noch anhängig war, wird von ihm verlangt und es ist ihm auch zuzumuten, Vorkehrungen zutreffen, dass ihn Zustellungen des Gerichts erreichen können (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 8. Februar 2001 - 1 ObOWi 31/01 - juris). Dies hat er etwa durch Benennen eines Zustellungsbevollmächtigten gegenüber dem Gericht versäumt (KG, Beschluss vom 5. April 2013 - (4) 161 Ss 78/13 (71/13) - juris). Unabhängig davon hatte sich das Tatgericht - entgegen der Ansicht der Verteidigung - bemüht, den aktuellen Aufenthalt des Betroffenen zu ermitteln. Es hatte, bevor es die öffentliche Zustellung des Urteils ordnungsgemäß anord...