Leitsatz (amtlich)
Einer Bezeichnung kommt nicht allein deshalb Namensfunktion im Sinne des § 18 Abs. 1 HGB zu, weil sie nur einmal vergeben wird. eine Internetdomain kann daher nur dann als Firma verwandt werden, wenn ihr auch Unterscheidungskraft zukommt. Das ist bei einem Gattungsbegriff, dem die first-Level-Domain .de angehängt ist, nicht der Fall.
Normenkette
AktG § 3 Abs. 1; HGB §§ 6, 18
Verfahrensgang
AG Berlin-Charlottenburg (Aktenzeichen 81 HRB 171212) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Beteiligte, eine Aktiengesellschaft, ist seit dem 10. Januar 2008 zunächst im Handelsregister des Amtsgerichts Düsseldorf und seit dem 16. Oktober 2015 im Handelsregister Abteilung B des Amtsgerichts Charlottenburg eingetragen.
Mit einer notariell beglaubigten und in elektronischer Form eingereichten Anmeldung vom 22. Dezember 2023 meldete das einzige Vorstandsmitglied unter Beifügung eines notariell beurkundeten Beschlusses der Hauptversammlung vom gleichen Tag eine Neufassung der Satzung, insbesondere mit Änderungen der Firma, des Gegenstands, des Geschäftsjahres und der Vertretungsbefugnis, an. Der Anmeldung war weiter eine Satzungsneufassung beigefügt. Mit einer Zwischenverfügung vom 13. Februar 2024 beanstandete das Registergericht die neu gewählte Firma "...de AG" mit dem Hinweis, dass es der Bezeichnung an der nach §§ 18, 30 HGB notwendigen Individualisierung mangele.
Gegen diese Zwischenverfügung hat der Verfahrensbevollmächtigte mit einem Schriftsatz vom 13. März 2024 Beschwerde eingelegt. Der Verkehr nehme den Zusatz ".de" nicht nur als Anhängsel, sondern als Individualisierungsmerkmal wahr, weil allgemein bekannt sei, dass der Zusatz einer first-Level-Domain wie ".de" mit dem weiteren Begriff, sei es auch eine Gattungsbezeichnung, nur einmal vergeben werde. Dementsprechend sei es auch in einer Vielzahl vergleichbarer Fälle zu Eintragungen gekommen.
Das Amtsgericht hat diesem Rechtsmittel gleichwohl nicht abgeholfen und die Sache dem Senat mit einem Beschluss vom 18. März 2024 zur Entscheidung vorgelegt.
II. 1. Die im Namen der "Antragstellerin" eingelegte Beschwerde vom 13. März 2024 ist nach § 58 Abs. 1 FamFG statthaft. Dass es sich bei der angegriffenen Entscheidung um eine Zwischenverfügung handelt, schadet nicht, vgl. § 382 Abs. 4 Satz 2 FamFG. Die Beteiligte ist auch als Antragstellerin anzusehen und als solche auch beschwerdebefugt, weil es um sie betreffende Eintragungen und damit um tatsächlich oder vermeintlich ihr zustehende Rechte geht, so dass die Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 und 2 FamFG erfüllt sind. Die Beschwerde ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden. Aufgrund der wirtschaftlichen Bedeutung der Firma einer Gesellschaft wird auch der notwendige Beschwerwert erreicht.
2. Die Beschwerde hat aber keinen Erfolg. Die gewählte Firma "...de AG" erfüllt nicht die notwendigen Anforderungen nach § 18 Abs. 1 HGB.
Die Regelung des § 18 Abs. 1 HGB gilt nach § 6 HGB in Verbindung mit § 3 Abs. 1 AktG auch für die Firmenbildung bei einer AG. Die nach § 18 Abs. 1 HGB notwendige Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft erfordert zunächst, dass die gewählte Bezeichnung als Name verwandt werden kann und damit individualisierend wirken muss. Darüber hinaus muss sie auch Unterscheidungskraft haben, woran es nicht nur dann fehlt, wenn die Bezeichnung aus einem Allerweltsnamen besteht, sondern wenn sie rein beschreibender Natur ist, wie dies etwa bei Gattungsbezeichnungen der Fall ist. Danach wäre die Bezeichnung Vertrieb.de mangels ausreichender Unterscheidungskraft nicht geeignet, als Name einer Handelsgesellschaft zu dienen.
Bei der Bezeichnung handelt es sich aber darüber hinaus um eine Internet-Domain, die nach den Vergaberichtlinien der Denic eG nur einmal vergeben wird. Hieraus wird teilweise geschlossen, dass die gewählte Bezeichnung unabhängig von ihrer Unterscheidungskraft im Allgemeinen aufgrund der durch die Top-Level-Domain - hier .de - hervorgerufenen Alleinstellung auch Namensfunktion haben könne (vgl. dazu Staub/Burgard, HGB, 6. Aufl. 2023, § 18 Rn. 29a; Foerster in Heymann, HGB, 3. Aufl. 2019, § 18 Rn. 22; MüKo-HGB/Heidinger, 5. Aufl., § 18 Rdn. 33a; aus der Rechtsprechung: OLG Dresden, Beschluss vom 15. November 2010 - 13 W 890/10 -, juris Rn. 17).
Dies greift allerdings nach Auffassung des Senats zu kurz, weil es nicht nur um die Verwendung einer Bezeichnung im Internet geht (ebenso OLG Frankfurt, Beschluss vom 13. Oktober 2010 - 20 W 196/10 -, juris Rn. 20; LG Köln, Beschluss vom 8. Februar 2008 - 88 T 04/08 -, juris Rn. 14; im Ergebnis ebenso: BeckOK-HGB/Bömeke, Stand: 01.04.2024, § 18 Rn. 16; Koller/Kindler/Kindler/Drüen/Roth/Stelmaszczyk, HGB, 10. Aufl., § 18 Rn. 4; Röricht/Graf von Westphalen/Ries, HGB, 6. Aufl., § 18 Rn. 18; Seifert, Rpfleger 2001, 395). § 18 Abs. 1 HGB setzt keine Alleinstellung der Bezeichnung in irgendeiner Richtung voraus, sondern eine Kennzeichnungskraft im allgemeinen Geschäftsverkehr. D...