Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 10.09.2009; Aktenzeichen (288 Ds) 3014 PLs 6723/08 (31/08)) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 10. September 2008 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht hat den Angeklagten am 10. September 2008 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von sechzig Tagessätzen zu je fünfzehn Euro verurteilt, die Verwaltungsbehörde angewiesen, ihm vor Ablauf von achtzehn Monaten keine Fahrerlaubnis zu erteilen und den Pkw der Marke Porsche mit dem amtlichen Kennzeichen B-..., FIN: ..., eingezogen. Die auf die Einziehung des Fahrzeuges beschränkte Sprungrevision des Angeklagten, mit der er nach ihrer Begründung die Verletzung sachlichen Rechts rügt, führt zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruches.
Zu dem Rechtsmittel hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme ausgeführt:
"Die Einziehung des vom Angeklagten genutzten Fahrzeuges als Beziehungsgegenstand (vgl. Fischer, StGB, 55. Aufl., § 74 Rdnr. 10) - vorliegend nicht als Tatmittel, wie im angefochtenen Urteil fälschlicherweise bezeichnet (UA S. 5) - nach §§ 21 Abs. 3 StVG, 74 StGB hält - wie die Revision (wenngleich zumindest teilweise auch mit unbeachtlichem urteilsfremden Vorbringen) im Ergebnis zutreffend ausführt - einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, denn das Gericht ist der diesbezüglichen Darlegungs- und Begründungspflicht nicht ausreichend nachgekommen. Ist die Einziehung - wie hier - nicht zwingend vorgeschrieben, muss das Urteil erkennen lassen, dass sich der Tatrichter der Befugnis, nach seinem Ermessen zu entscheiden, bewusst gewesen ist. Die Erwägungen, die der Ermessensentscheidung zugrunde liegen, sind in dem Urteil darzulegen (vgl. Hanack in Löwe-Rosenberg StPO, 25. Aufl., § 337 Rdnr. 252; OLG Düsseldorf VRS 80,23,24). Dies lassen die Entscheidungsgründe nicht hinreichend erkennen. Insbesondere fehlt es vorliegend an einer nachvollziehbaren Auseinandersetzung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, die angesichts des offenbar nicht unerheblichen Wertes des Fahrzeuges, welcher jedoch nicht konkret festgestellt ist, unbedingt geboten war. In den Fällen der Sicherungseinziehung nach § 74 Abs. 2 Nr. 2 StGB, auf die sich das Tatgericht offenbar hier stützt, weil es ersichtlich insbesondere von der - die Anwendung des § 74 Abs. 1 StGB ausschließenden - maßgeblichen (vgl. Fischer aaO., § 74 Rdnr. 12) zivilrechtlichen Eigentümerposition der Mutter ausgeht (UA S. 5), gilt zwar § 74 b Abs. 1 StGB nicht ausdrücklich, doch ist der für staatliches Einschreiten durchweg geltende Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch hier zu beachten (vgl. Fischer aaO., § 74 b Rdnr. 3 m.w.N.; KG, Beschluss vom 12. Mai 2003 - (3) 1 Ss 173/03 (66/03) -). Schweigt der Tatrichter zu seiner Anwendung - die lediglich pauschale Aussage "Die Einziehung ist ... nicht unverhältnismäßig." kommt dem annähernd gleich (vgl. KG, Beschluss vom 11. Mai 2001 - (3) 1 Ss 166/00 (112/00) - [in JURIS]) -, ist dies nur dann unschädlich, wenn das Revisionsgericht dem Urteil die Gründe dafür ohne weiteres entnehmen kann (vgl. Hanack in Löwe-Rosenberg aaO., § 337 Rdnr. 253). Dies ist hier jedoch nicht der Fall, denn das Gericht hat auch bei der fakultativen Sicherungseinziehung - was vorliegend zu vermissen ist - deren wirtschaftliche Wirkung hinreichend abzuwägen, wobei es dabei im Einzelnen insbesondere auf den genauen Wert des Einziehungsgegenstandes (vgl. KG, Beschlüsse vom 24. August 2004 - (5) 1 Ss 215/04 (55/04) - und 6. Oktober 1999 - (3) 1 Ss 269/99 (80/99) - [in JURIS]; OLG Köln VRS 85,219,220; NStE StGB § 74 Nr. 9; OLG Nürnberg NJW 2006, 3448 = OLGSt StGB § 74 Nr. 4), die Bedeutung der Tat und auf den Vorwurf gegenüber dem Dritteigentümer ankommt (vgl. Fischer aaO., § 74 b Rdnr. 3 m.w.N.), sowie - da jedenfalls kein besonders schwerwiegendes Vergehen Gegenstand des Verfahrens ist - die aus § 74 b Abs. 2 StGB folgende Frage zu erörtern, ob auch weniger einschneidende Maßnahmen als die Einziehung den verfolgten Sicherungszweck ebenfalls erfüllen könnten (vgl. KG, Beschluss vom 27. Februar 2006 - (3) 1 Ss 449/05 (137/05) -), da für diese Prüfung vorliegend zumindest Anlass bestand (vgl. Hanack in Löwe-Rosenberg aaO., § 337 Rdnr. 253).
Aufgrund der Rechtsfehlerhaftigkeit der Einziehungsentscheidung - wobei zudem ergänzend auf die Außerachtlassung der etwaigen Beteiligungsrechte der Mutter des Angeklagten aus §§ 431 ff. StPO und des damit einhergehenden etwaigen Erfordernisses einer Entscheidung über die Entschädigungsfrage (§§ 74 f StGB, 436 Abs. 3 StPO) hinzuweisen ist - ist der Rechtsfolgenausspruch insgesamt aufzuheben, da jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass im Wege der Wechselwirkung bei rechtsfehlerfreier A...