Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 16.07.2013; Aktenzeichen (337 Cs) 3033 Js 2143/12 (197/12)) |
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 16. Juli 2013 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Tiergarten zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten am 26. Juni 2013 wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20,00 Euro verurteilt. Mit seiner gegen dieses Urteil eingelegten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts.
1. Der Strafrichter beim Amtsgericht Tiergarten hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
"Am Neujahrsmorgen, dem 01.01.2012 gegen 06.05 Uhr, befuhr der Angeklagte mit dem Taxi B-... unter anderem den Kottbusser Damm. Er hatte zuvor die Fahrgäste M... und S... aufgenommen. Der Zeuge S... saß hinter dem Taxifahrer, der Zeuge M... auf dem Beifahrersitz. Die beiden Fahrgäste waren in der Warschauer Straße eingestiegen. Nach sehr zügiger Fahrt (mindestens 80 km/h) setzte der Angeklagte, als er sich auf dem Kottbusser Damm befand, seine Fahrgeschwindigkeit etwas herab, hatte aber beim Annähern an die Kreuzung Kottbusser Damm Ecke Bürknerstraße immer noch eine Geschwindigkeit von mindestens 71 km/h inne. Die Lichtzeichenanlage für den Angeklagten zeigte beim Herannahen an die besagte Kreuzung grünes Licht. Ohne das Taxi zu sehen, betrat der Geschädigte D... bei für ihn Rot abstrahlender Lichtzeichenanlage vom Mittelstreifen kommend den Kottbusser Damm in Richtung Böckstraße. Der Zeuge hatte zuvor Alkohol in größeren Mengen zu sich genommen. Nachdem der Geschädigte die Fahrbahn etwa zu zwei Drittel überquert hatte, er lief allerdings nicht sehr zügig, kam es zur Kollision zwischen ihm und dem Taxifahrer. Dabei streifte der Angeklagte den Zeugen mit der rechten Fahrzeugseite. Der Zeuge D... wurde schwer verletzt und erlitt unter anderem einen Schienbeinbruch rechts und einen Beckenknochenbruch. Er ist nach wie vor in ärztlicher Behandlung. Der nach dem Unfall gemeinsam mit der Zeugin K... zum Unfallort gerufene Polizeibeamte G... fertigte eine Verkehrsunfallskizze, aus der die Endstellung des Pkw und die Lage des Fußgängers hervorgehen. Der Pkw des Angeklagten kam etwa 22 m nach dem Kollisionspunkt zum Stehen, an der Stelle wurden Fahrzeugteile des Taxis gefunden. Die Endlage des geschädigten Fußgängers war unmittelbar hinter der zweiten Linie der Fußgängerfurt in einem Abstand von 6 m zur Mittelinsel.
Der Zusammenstoß mit dem Geschädigten D... erfolgte mindestens bei einer Geschwindigkeit von 55 km/h.
Zum Zeitpunkt des Unfallgeschehens befand sich die Zeugin G... als Fußgängerin auf dem Kottbusser Damm."
Zur Beweiswürdigung hat das Amtsgericht insbesondere ausgeführt, dass die beiden Fahrgäste des Angeklagten übereinstimmend bekundet hätten, dass ihnen die Fahrt bis zum Unfallort viel zu schnell vorgekommen sei. Der Angeklagte habe sogar eine Tankstelle überfahren, um eine rote Ampel zu umgehen. Einer der Fahrgäste, der Zeuge M..., habe außerdem durch einen Blick auf den Tachometer des Fahrzeugs festgestellt, dass dieser eine Geschwindigkeit von 80 km/h gezeigt habe. Zur Rekonstruktion des Unfalls ist in der Hauptverhandlung ein Sachverständiger gehört worden. Dieser - so das Amtsgericht - habe überzeugend ausgeführt, dass der Fußgänger für den Angeklagten "erkenntlich sei, wenn der Fußgänger etwa 0,5 bis 0,6 Sekunden auf der Fahrbahn befindlich ist". Zwar seien am Unfallort keine Bremsspuren vorhanden gewesen. Der Sachverständige habe aber überzeugend dargelegt, dass aufgrund der Endstellung des Fahrzeuges und der Lage des Geschädigten die Anstoßgeschwindigkeit des Taxis etwa 55 km/h und die Ausgangsgeschwindigkeit mindestens 71 km/h betragen habe. Während der Unfall bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h und gleicher Reaktion des Angeklagten vermeidbar gewesen wäre, sei die Kollision bei der festgestellten Ausgangsgeschwindigkeit nicht zu verhindern gewesen.
2. Die Beweiswürdigung des Amtsgerichts hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Sie ist lückenhaft, da nicht nachzuvollziehen ist, wie das Gericht zu den konkreten Feststellungen zur Geschwindigkeit des Fahrzeugs, zum Ablauf des Unfalls und zu dessen Vermeidbarkeit gelangt ist.
Zwar ist die Beweiswürdigung gemäß § 261 StPO Sache des Tatrichters (vgl. BGH NStZ 2009, 284; Meyer-Goßner, StPO 56. Auflage, § 261 Rn. 3 m.w.N.). Es obliegt allein ihm, die für den Urteilsspruch relevanten Tatsachen und Erfahrungssätze festzustellen, in ihrer Beweisbedeutung zu bewerten und sich auf dieser Grundlage eine Überzeugung zu bilden (vgl. BGH aaO.; Senat, Urteil vom 8. Juni 2009 - (3) 1 Ss 74/09 (51/09) -). Soweit die Ermittlung der Tatsachen - wie augenscheinlich hier - besonderer Sachkunde bedarf, über die das Gericht nicht verfügt, hat es sich diese durch ei...