Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 20.01.2005; Aktenzeichen (576) 20 Ju Js 324/04 Ns (122/04)) |
Tenor
Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Haftbefehl des Landgerichts Berlin vom 20. Januar 2005 wird verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin verurteilte den Angeklagten am 2. Juli 2004 wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit versuchter Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr. Seine dagegen gerichtete Berufung beschränkte der Angeklagte in der Hauptverhandlung vor dem Landgericht am 20. Januar 2005 vor Aufruf der Sache auf das Strafmaß. Die Berufungshauptverhandlung wurde nach Erlaß und Verkündung des Haftbefehls vom selben Tage ausgesetzt.
Zu dem Verfahrensgang ist festzustellen:
Zur Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht am 5. März 2004 war der Angeklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen. Das Amtsgericht erließ daraufhin Haftbefehl gemäß § 230 Abs. 2 StPO, wegen des Tatvorwurfes aus der Anklage vom 12. November 2003, hinsichtlich dessen das Verfahren in der Hauptverhandlung am 2. Juli 2004 nach § 154 Abs. 2 StPO eingestellt wurde. Nachdem der Angeklagte am 6. Mai 2004 verhaftet worden war, setzte das Amtsgericht den Vollzug des Haftbefehls am 13. Mai 2003 aus, weil er vorgetragen hatte, auf dem Weg zum Gericht den linken Zeh des rechten Fußes gebrochen zu haben. Die ärztliche Bescheinigung vom 5. März 2004 weist nur aus, daß der Angeklagte an diesem Tage von 10.00 Uhr bis 10.45 Uhr (Hauptverhandlungsbeginn: 10.15 Uhr in der Sprechstunde des Arztes war. In der Hauptverhandlung am 2. Juli 2004 verurteilte ihn wegen des Vorwurfes in der Anklageschrift vom 19. Februar 2004 das Amtsgericht wie oben ausgeführt.
Die Ladung des Beschwerdeführers zur Berufungshauptverhandlung am 20. Januar 2005 war auf dem üblichen Wege nicht möglich, da ein Wohnsitz, an dem der Angeklagte hätte wirksam geladen werden können, nicht feststellbar war. Ermittlungen der Polizei unter anderem durch Befragung des Vermieters hatten ergeben, daß der Angeklagte seine bisherige Wohnung "bei Nacht und Nebel" unter Mitnahme der Schlüssel verlassen hatte. Beim Lan-deseinwohneramt war er als "unbekannt verzogen" registriert. Daraufhin beschloß das Landgericht die öffentliche Zustellung der Ladung, die auch ausgeführt wurde. Gleichwohl erschien der Angeklagte zur Hauptverhandlung am 20. Januar 2005.
Inzwischen war am 1. Oktober 2004 die Anklage vom 8. September 2004 - 20 Ju Js 2094/04 - erhoben worden, mit der dem Beschwerdeführer und zwei Mitangeklagten gefährliche (gemeinschaftlich und mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begangene) Körperverletzung in Tateinheit mit Sachbeschädigung und Beleidigung vorgeworfen wird. Die Angeklagten, die keinen Fahrschein hatten, sollen am 6. Mai 2004 einen Kontrolleur der BVG, dessen Kollegen und einen ebenfalls zu Hilfe eilenden Fahrgast geschlagen und gewürgt haben, einen der Kontrolleure derart, daß er bis zum nächsten Tag nicht sprechen konnte. Wegen dieser Vorwürfe erließ das Amtsgericht Tiergarten in Berlin - 269 Ds 807/04 - am 5. Januar 2005 Haftbefehl gegen den Beschwerdeführer, weil er sich in Kenntnis des Strafverfahrens abgesetzt hatte. Aufgrund dieses Haftbefehls ordnete die Staatsanwaltschaft in der Berufungshauptverhandlung in hiesiger Sache die vorläufige Festnahme des Beschwerdeführers an, nachdem auch das Berufungsgericht wegen der hier maßgeblichen Vorwürfe ebenfalls Haftbefehl erlassen und verkündet hatte, für den Überhaft notiert ist. Die gegen den Haftbefehl des Landgerichts gerichtete Beschwerde (§ 304 Abs. 1 StPO) des Angeklagten, der das Landgericht nicht abgeholfen hat, hat keinen Erfolg.
1.
Der Angeklagte ist der ihm zur Last gelegten Straftat gemäß den Feststellungen des Urteils des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 2. Juli 2004 dringend verdächtig (§ 112 Abs. 1 Satz 1 StPO). Das folgt aus seiner Verurteilung, die zudem im Schuldspruch rechtskräftig ist.
2.
Zu Recht hat das Landgericht Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) angenommen und mildere Mittel (§ 116 StPO) nicht für ausreichend erachtet, um die Erreichung der Zwecke der Untersuchungshaft zu gewährleisten.
a)
Zwar beschränkt sich die Prüfung des dringenden Tatverdachts auf die in dem Haftbefehl enthaltene Tat. Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr müssen aber alle Umstände berücksichtigt werden, die für den Angeklagten aus seiner subjektiven Sicht geeignet sein können, den Fluchtanreiz zu mindern oder zu erhöhen (vgl. KG, Beschlüsse vom 17. Dezember 2004 - 5 Ws 578/04 - und 4. November 2004 - (5) 1 HEs 173/04 (48/04) -; jew. m. weit. Nachw.; std. Rspr.). Den Fluchtanreiz erhöhend sind etwaige Konsequenzen dieses Verfahrens auf andere, so etwa der im Falle einer Verurteilung drohende Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung (vgl. KG, Beschluß vom 12. August 2004 - (5) 1 HEs 126/04 (31-37/04) -) und der Verdacht weiterer Straftaten in anhängigen Verfahren (vgl. OLG Düsseldorf MDR 1993, 371; KG aaO un...