Leitsatz (amtlich)

Gegen die Anordnung von Beugehaft ist die weitere Beschwerde statthaft.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 29.11.2007; Aktenzeichen 513 Qs 48/07)

AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 20.11.2007; Aktenzeichen 353 Gs 3984/07)

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde des Zeugen Ha., zurzeit in Beugehaft in der Justizvollzugsanstalt Plötzensee, ... werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 20. November 2007 - 353 Gs 3984/07 - und des Landgerichts Berlin vom 29. November 2007 - 513 Qs 48/07 - aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Zeugen durch dasselbe entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse Berlin.

 

Gründe

Den Angeklagten wird in der Anklage der Staatsanwaltschaft Berlin vom 30. November 2007 - soweit hier von Interesse - zur Last gelegt, am 4. Januar 2007 gemeinschaftlich handelnd den Ge. ermordet und anschließend ihm gehörende Gegenstände unterschlagen zu haben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anklageschrift Bezug genommen.

Der Beschwerdeführer hat anlässlich seiner Zeugenvernehmung durch die Polizei vom 18. Januar 2007 kurze Angaben zur Sache gemacht. Die Zeugenvernehmung wurde am 19. Januar 2007 in Anwesenheit seines Rechtsbeistandes fortgesetzt; das Vernehmungsprotokoll umfasst elf Seiten. Bei seiner erneuten Zeugenvernehmung durch die Polizei am 28. Februar 2007, zu deren Beginn er unter anderem nach § 55 StPO belehrt wurde, erklärte er, ohne seinen Rechtsanwalt keine Angaben machen zu wollen. Durch den bei der Vernehmung anwesenden Staatsanwalt wurde er gemäß § 70 StPO belehrt, aber nicht weiter zur Sache vernommen. Am 1. März 2007 setzte die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen unberechtigter Zeugnisverweigerung gemäß §§ 161 a Abs. 2 Satz 1, 70 Abs. 1 StPO ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000,-- Euro fest, das das Landgericht auf seinen Antrag auf gerichtliche Entscheidung durch Beschluss vom 4. Mai 2007 - 513 AR 7/07 - auf 500,-- Euro herabsetzte. Anlässlich der richterlichen Vernehmung des Zeugen vor dem Amtsgericht am 20. November 2007 erklärte sein Beistand, er sei der Meinung, der Beschwerdeführer besitze ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO, und rate ihm daher, in diesem Termin keine Angaben zur Sache zu machen. Demgemäß erklärte der Zeuge, er wolle keine Aussage machen. Daraufhin ordnete das Amtsgericht durch Beschluss vom selben Tage gegen ihn gemäß § 70 Abs. 2 StPO die Erzwingungshaft für die gesetzlich zulässige Dauer an. Ferner erlegte es ihm ein Ordnungsgeld in Höhe von 500,-- Euro, ersatzweise zwanzig Tage Ordnungshaft, auf. Die Beugehaft wird gegen den Zeugen seit dem 20. November 2007 vollzogen. Seine gegen den amtsgerichtlichen Beschluss gerichtete Beschwerde verwarf das Landgericht durch Beschluss vom 29. November 2007 - 513 Qs 48/07 -. Die gegen die Bestätigung der Beugehaft gerichtete weitere Beschwerde des Zeugen hat Erfolg.

Die weitere Beschwerde ist statthaft. Sie ist nicht durch § 310 StPO ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift findet eine weitere Anfechtung der auf eine Beschwerde ergangenen Entscheidung nicht statt, es sei denn, es handelt sich - soweit hier von Interesse - um eine Verhaftung. Wie das Oberlandesgericht Frankfurt in NStZ-RR 2000, 26 - die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in BGHSt 36, 192 (= NJW 1989, 2702) für die Anordnung der Beugehaft zu § 304 Abs. 5 StPO zum Ausgangspunkt seiner Überlegungen nehmend - überzeugend ausgeführt hat, sind keine Gründe dafür ersichtlich, den Begriff der Verhaftung in § 310 Abs. 1 StPO (a.F.) anders auszulegen als den der Verhaftung in § 304 Abs. 5 StPO. Abweichendes sei weder dem Sinn der Vorschrift des § 310 StPO, noch der Begründung für die Auslegung des Begriffs Verhaftung nach der Rechtsprechung des BGH zu entnehmen. Erzwingungshaft sei ebenso wie die Untersuchungshaft eine gesetzlich zugelassene Beschränkung des durch Art. 2 Abs. 2 und Art. 104 Abs. 1 GG verbürgten Freiheitsrechts des Betroffenen. In ihrer Eingriffsintensität sei sie mit dem Vollzug von Untersuchungshaft vergleichbar. Vorschriften, die das gerichtliche Verfahren einer Freiheitsbeschränkung regeln, müssten so ausgelegt werden, dass das Auslegungsergebnis der Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf persönliche Freiheit Rechnung trage. Dies spreche dafür, einem bis zur Dauer von sechs Monaten zulässigen Freiheitsentzug durch Beugehaft nicht die Beschwerdefähigkeit zu versagen (siehe auch OLG Frankfurt NStZ-RR 2000, 283). Der Senat fügt dem Folgendes hinzu: Für die Meinung des Oberlandesgerichts Frankfurt spricht auch, dass in § 310 Abs. 1 (a.F.) von Verhaftungen im Plural die Rede war, nicht etwa von Beschlüssen, die die Untersuchungshaft betreffen. Der Wortlaut dieser Vorschrift sprach daher für eine Gesetzesauslegung in dem hier als zutreffend erachteten Sinn. In der seit dem 2. November 2006 geltenden Fassung des § 310 Abs. 1 StPO (vgl. das Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten vom 24. Oktober 2006, Art. 1 Nr. 12 Abs. 1 Nr. 1...

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