Leitsatz (amtlich)
1. Die Zuständigkeitsregelungen in § 72a GVG sind nach der Überleitungsvorschrift in § 40a EGGVG nur auf solche Verfahren anwendbar, die ab dem 1. Januar 2018 anhängig geworden sind, ohne dass es auf den Eintritt der Rechtshängigkeit ankäme.
2. Auf eine nach § 72a GVG erfolgte Abgabe oder Verweisung eines Rechtsstreits von einer Kammer eines Landgerichts an eine andere ist § 281 ZPO weder unmittelbar noch analog anwendbar. Derartige Verweisungen entfalten daher auch keine Bindungswirkung nach § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO (Anschluss an BGH, Beschluss vom 3. Mai 1978 - IV ARZ 26/78, BGHZ 71, 264 [272]).
Normenkette
EGGVG § 40a; GVG § 72a; ZPO § 281
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 26 O 132/17) |
LG Berlin (Aktenzeichen 28 O 53/19) |
Tenor
Die allgemeinen Zivilkammern des Landgerichts Berlin werden als funktional zuständige Spruchkörper bestimmt.
Gründe
I. Der Kläger nimmt den Beklagten in dessen Eigenschaft als Insolvenzverwalter über das Vermögen der L... GmbH auf Schadensersatz in Anspruch. Dem liegt ein notarieller Wohnungs- und Teileigentumskaufvertrag mit Bauverpflichtung vom 9. Juni 2012 zugrunde, den der Kläger mit der Insolvenzschuldnerin geschlossen hatte. Der Kläger macht geltend, dass ihm aufgrund des Verzugs der Insolvenzschuldnerin mit der Fertigstellung des Bauvorhabens ein Schaden in Form von Bereitstellungszinsen entstanden sei. Hierfür habe aufgrund der von dem Beklagten gewählten Vertragserfüllung die Insolvenzmasse einzustehen.
Der Kläger hat seinen Anspruch zunächst im Wege des gerichtlichen Mahnverfahrens geltend gemacht. Nach dem Erlass eines Mahnbescheids am 13. Februar 2017 und dem Widerspruch des Beklagten ist die Sache am 9. Juni 2017 an das Landgericht Berlin abgegebenen worden und dort am 21. Juni 2017 bei der Zivilkammer 26 eingegangen, nachdem der Kläger den am 1. März 2017 angeforderten Kostenvorschuss am 8. Juni 2017 eingezahlt hatte. Der Kläger hat das Verfahren dann zunächst nicht weiter betrieben und erst am 28. Dezember 2018 eine Anspruchsbegründung eingereicht. Hierauf hat sich die Zivilkammer 26 mit einem Beschluss vom 4. Januar 2019 für unzuständig erklärt und die Sache von Amts wegen in entsprechender Anwendung von § 281 ZPO an die zuständige Kammer für Bausachen verwiesen, deren ausschließliche Zuständigkeit nach § 72a Abs. 1 Nr. 2 GVG begründet sei, weil der Kläger Ansprüche aus einem Bauträgervertrag geltend mache.
Die für Streitigkeiten aus Bau- und Architektenverträgen zuständige Zivilkammer 28 des Landgerichts sieht sich durch die Verweisung in ihrer funktionellen Zuständigkeit nicht gebunden, hat sich - nach Gewährung rechtlichen Gehörs - mit einem Beschluss vom 27. Februar 2019 ebenfalls für unzuständig erklärt und die Sache dem Kammgericht zur Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt. Eine Zuständigkeit der Kammer für Bau- und Architektensachen sei bereits deshalb nicht begründet, weil das vorliegende Verfahren vor dem 1. Januar 2018 beim Landgericht Berlin eingegangen sei und daher § 72a GVG nach der Überleitungsbestimmung in § 40a EGGVG nicht anwendbar sei.
II. 1. Das Kammergericht ist gemäß § 36 Abs. 1 ZPO als das im Rechtszug zunächst höhere Gericht zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits berufen. Ferner liegen die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung auch der Sache nach vor. Zwar setzt § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO nach seinem Wortlaut voraus, dass sich verschiedene Gerichte (und nicht einzelne Spruchkörper) rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Allerdings ist die Vorschrift entsprechend anwendbar, wenn mehrere Spruchkörper des gleichen Gerichts um ihre Zuständigkeit streiten und die Entscheidung des Kompetenzkonflikts nicht von der Auslegung des Geschäftsverteilungsplans, sondern von einer gesetzlichen Zuständigkeitsregelung abhängt. Dies gilt nach allgemeiner Auffassung auch für die von dem Gesetzgeber neu geschaffenen §§ 72a, 119a GVG (Senat, Beschluss vom 22. März 2018 - 2 AR 11/18, NJW-RR 2018, 212; OLG Frankfurt, Beschluss vom 23. April 2018 - 13 SV 6/18; OLG Nürnberg, Beschluss vom 18. Juni 2018 - 1 AR 990/18 -, MDR 2018, 1015; Zöller/Lückemann, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 72a GVG Rn. 2; Klose MDR 2017, 793 [795]).
Danach sind die Voraussetzungen für eine obergerichtliche Zuständigkeitsbestimmung erfüllt. Dem steht nicht entgegen, dass die am 1. Januar 2018 in Kraft getretene gesetzliche Regelung in § 72a GVG - wie noch auszuführen sein wird - auf den vorliegenden Fall im Ergebnis keine Anwendung findet. Denn die Entscheidung des Zuständigkeitsstreits hängt gleichwohl von der Auslegung gesetzlicher Bestimmungen ab, nämlich der Übergangsregelung in § 40a EGGVG sowie einer unter Umständen in entsprechender Anwendung von § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO in Betracht kommenden Bindungswirkung des durch die Zivilkammer 26 erlassenen Verweisungsbeschlusses vom 4. Januar 2019. Die Auslegung des von dem Präsidium des Landgerichts beschlossenen Geschäftsverteilungsplans steht zwischen den beteiligten Zivilkammern hingegen nicht im Streit.
Schließlich liegen au...