Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 14.05.2020; Aktenzeichen (520) 236 Js 2871/17 Ls Ns (9/19))

 

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin - erweiterte kleine Strafkammer - vom 14. Mai 2020 aufgehoben.

2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

 

Gründe

Das Amtsgericht Tiergarten - erweitertes Schöffengericht - hat den Angeklagten, gestützt auf dessen geständige Einlassung, am 11. Juni 2019 wegen Betruges in 53 Fällen und versuchten Betruges in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat; ferner hat es als Wert der Taterträge einen Geldbetrag in Höhe von 21.825 Euro eingezogen. Dem Urteil lag eine Verfahrensverständigung nach § 257c StPO des Inhalts zugrunde, dass im Falle eines Geständnisses des Angeklagten eine Gesamtfreiheitsstrafe zwischen einem Jahr zehn Monaten und zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung verhängt werde.

Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft Berlin zunächst unbeschränkt Berufung eingelegt; sie hat ihr Rechtsmittel sodann durch Verfügung vom 25. Juli 2019 mit dem Ziel der Verhängung einer "angemessenen Gesamtfreiheitsstrafe, die nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt wird," auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.

Durch das angefochtene Urteil hat das Landgericht, das sich aufgrund der Berufungsbeschränkung an den Schuldspruch und die Feststellungen des Amtsgerichts Tiergarten gebunden gesehen hat (UA S. 7), eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verhängt; den einzuziehenden Geldbetrag hat es geringfügig herabgesetzt.

Mit seiner Revision, die die Nichtanwendung des § 64 StGB vom Rechtsmittelangriff ausgenommen hat, macht der Angeklagte geltend, dass das Landgericht rechtsfehlerhaft keine eigenen Feststellungen zu den Tatvorwürfen getroffen und bei seiner Entscheidung im Ergebnis das in erster Instanz abgelegte Geständnis des Angeklagten verwertet habe, obgleich es über den erstinstanzlich vereinbarten (und bereits ausgeschöpften) Strafrahmen zum Nachteil des Angeklagten hinausgegangen sei, ohne diesen qualifiziert über die Nichtverwertbarkeit des erstinstanzlich abgelegten Geständnisses belehrt zu haben.

1. Der Revision des Angeklagten kann ein (vorläufiger) Erfolg nicht versagt werden.

Die Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat zu dem Rechtsmittel im Ergebnis zutreffend das Folgende ausgeführt (Ergänzung durch den Senat in eckiger Klammer):

"1. Bereits die auf die zulässig erhobene Sachrüge hin von Amts wegen vorzunehmende Prüfung, ob der Umfang eingetretener Teilrechtskraft durch das Landgericht zutreffend beurteilt worden ist, führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils.

a) Unter welchen Voraussetzungen die Beschränkung einer durch die Staatsanwaltschaft gegen ein Urteil, welches auf Grundlage eines im Rahmen einer Verständigung abgelegten Geständnisses des Angeklagten ergangen ist, eingelegten Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch als unwirksam zu bewerten ist bzw. in welchem Umfang das in erster Instanz abgelegte Geständnis (lediglich) in analoger Anwendung von § 257c Abs. 4 Satz 3 StPO und/oder als Auswirkung des Grundsatzes des fairen Verfahrens (Art. 6 Abs. 1 EMRK) in zweiter Instanz einem Verwertungsverbot unterliegt, ist in der Rechtsprechung - soweit ersichtlich - noch nicht abschließend geklärt.

Zumindest in einem Fall, in dem die Staatsanwaltschaft mit ihrer Berufung eine über den im Rahmen der Verständigung vereinbarten Strafrahmen hinausgehende Verurteilung des Angeklagten anstrebt, das Berufungsgericht dem folgen will und auch entsprechend entscheidet, stellt sich eine Beschränkung des Rechtsmittels auf den Rechtsfolgenausspruch aber als unwirksam dar (so jeweils im Ergebnis OLG Düsseldorf, Beschluss vom 6. Oktober 2010 - III-4 RVs 60/10 - [= StV 2011, 80 = StV 2012, 10 mit Anm. Kuhn], OLG Hamm, Beschluss vom 22. November 2017 - III-1 RVs 79/17 -, jeweils zitiert nach juris, und Schneider, NZWiSt 2015,1 ff., 4; vgl. für den Fall einer Sprungrevision auch OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16. März 2017 - 2 Rv 3/17 -, zitiert nach juris). Denn die Beschränkung eines Rechtsmittels ist nur möglich, soweit sie sich auf einen abtrennbaren Teil des Urteils bezieht, der Rechtsfolgenausspruch dementsprechend nur abtrennbar, sofern er ohne Nachprüfung des Schuldspruchs sinnvollerweise selbständig rechtlich beurteilt werden kann. Wenn der Verständigung mit der (angestrebten) Überschreitung der vereinbarten Strafobergrenze die Grundlage entzogen ist und das Geständnis infolgedessen nicht mehr verwertet werden darf, ist eine solche selbständige Beurteilung des Rechtsfolgenausspruchs aber gerade nicht möglich. Vielmehr ist die Einlassung des Angeklagten vor allem für den darauf beruhenden Schuldspruch relevant (vgl. OLG Hamm, OLG Sachsen-Anhalt und Schneider jeweils a.a.O.).

b) So liegt es hier. In der Hauptverhandlung vor dem Am...

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