Verfahrensgang
LG Berlin (Entscheidung vom 01.11.2011; Aktenzeichen (570) 14 Ns / 3041 PLs 2251/08 (35/10)) |
Tenor
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft Berlin wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 1. November 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten wegen Nachstellens zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu je 15.- Euro verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Berufung eingelegt. In der Berufungshauptverhandlung am 1. November 2011 trafen die Strafkammer, der Verteidiger, der Angeklagte und die Vertreterin der Staatsanwaltschaft ausweislich der Sitzungsniederschrift folgende verfahrensbeendende Absprache nach § 257c StPO: "Für den Fall einer hiesigen geständigen Einlassung im Umfang der ausgeurteilten Tatvorwürfe des angefochtenen Urteils und einer hiesigen Rechtsfolgenbeschränkung ohne Relativierung der eigenen Tatbeiträge wird dem Angeklagten im Hinblick auf die gebotene Gesamtstrafenentscheidung hinsichtlich der Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 14.04.2008 (2x2 Monate Freiheitsstrafe ohne Bewährung) eine Gesamtgeldstrafe bis zur Höhe von maximal 220 Tagessätzen (Obergrenze) und 180 Tagessätzen (Untergrenze) zugesagt." Diese Erklärung wurde vorgelesen und genehmigt und der Angeklagte nach § 257c Abs. 5 StPO belehrt. Nach einer kurzen Unterbrechung erklärte der Verteidiger "nach Rücksprache und mit Zustimmung des Angeklagten die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch". Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft stimmte dem zu. Am Schluss der Sitzung verwarf das Landgericht Berlin die Berufung mit der Maßgabe, dass der Angeklagte unter Einbeziehung der in ihre beiden Einzelstrafen von je zwei Monaten Freiheitsstrafe aufgelösten Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 14. April 2008 -339 Ds 71/07- zu einer Gesamtgeldstrafe von 200 Tagessätzen zu je 15.- Euro verurteilt und ihm Ratenzahlung bewilligt wird. Mit ihrer gegen den Ausspruch über die Gesamtstrafe gerichteten Revision rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung sachlichen Rechts. Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des gesamten Urteils.
1. Entgegen der Ansicht des Angeklagten steht der Revision der Staatsanwaltschaft nicht entgegen, dass es zwischen den Beteiligten zu einer Verständigung gekommen ist. Auch in diesem Fall bleibt die Befugnis zum Einlegen von Rechtsmitteln sowohl dem Angeklagten wie der Staatsanwaltschaft uneingeschränkt erhalten. Dies ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung des § 302 Abs. 1 Satz 2 StPO, der im Falle einer Verständigung keinen Rechtsmittelverzicht zulässt [vgl. BGH NStZ 2010, 289, 290 und NJW 2012, 468, 469; Meyer-Goßner, StPO 54. Aufl., Rdn. 32 a; Velten in SK - StPO, 4. Aufl., Rdn. 57; jeweils zu § 257 c StPO; Moldenhauer/Wenske NStZ 2012, 184 f.].
2. Die von der Staatsanwaltschaft erklärte, an sich statthafte Beschränkung der Revision auf den Gesamtstrafenausspruch ist unwirksam. Sie setzt voraus, dass die Straffrage, zu der die zu bildende Gesamtstrafe gehört, losgelöst von dem nicht angegriffenen Teil des angefochtenen Urteils beurteilt werden kann. Dies ist nur dann der Fall, wenn die Feststellungen des angefochtenen Urteils zum Schuldspruch klar, vollständig und ohne Widersprüche sind. Nichts anderes gilt für das amtsgerichtliche Urteil, wenn die Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden ist. Dementsprechend hat das Revisionsgericht ohne Bindung an die Beurteilung der Strafkammer vorab von Amts wegen zu prüfen, ob die Beschränkung der Berufung wirksam ist, d.h. ob die für sie maßgeblichen allgemeinen Voraussetzungen vorliegen und die Art und Weise ihres Zustandekommens mit den strafprozessualen Grundsätzen in Einklang steht. Denn im Falle ihrer Unwirksamkeit wäre das angefochtene Urteil schon deshalb aufzuheben, weil die Strafkammer keine eigenen Feststellungen zur Tat- und zur Schuldfrage getroffen hätte. Vorliegend sind zwar die Urteilsfeststellungen des Amtsgerichts noch so umfassend und vollständig, dass sie eine ausreichende Grundlage für die zu treffende Strafzumessungsentscheidung bilden, die Beschränkung der Berufung ist jedoch unwirksam, weil sie mit tragenden strafprozessualen Grundsätzen nicht vereinbar ist. Zu ihnen gehören neben dem Grundsatz des fairen Verfahrens die Bindung des Gerichts an das Gesetz und das sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebende Willkürverbot. So ist anerkanntermaßen eine - auch teilweise - erklärte Rücknahme eines Rechtsmittels - nichts anderes ist die Berufungsbeschränkung - unter anderem unwirksam, wenn sie mit unlauteren Mitteln veranlasst worden [vgl. Meyer-Goßner, aaO., § 302 Rdn. 10 und 22 m.w.N.] oder aufgrund einer objektiv unrichtigen Erklärung des Gerichts zu Stande gekommen ist [vgl. KG NStZ 2007, 541]. Letzterem steht gleich, wenn die Beschränkung des Rechtsmittels im Vertrauen auf die Gesetzmä...