Leitsatz (amtlich)
Voraussetzung für einen "geschlossenen Verband" nach § 27 StVO ist neben einer einheitlichen Kennzeichnung, dass die Fahrzeuge als eine Zusammenfassung zueinender gehörender Glieder erkennbar sind. Hierfür müssen die einzelnen Fahrzeuge zueinander einen so geringen Abstand einhalten, dass sie den erforderlichen Sicherheitsabstand gerade erreichen oder nur geringfügig überschreiten.
Mehrere Polizeifahrzeuge, die innerorts mit ca. 35 km/h in einem Abstand von fast 50m hinter einander fahren, stellen keinen für den Querverkehr erkennbaren "geschlossenen Verband" i.S.d. § 27 StVO dar.
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 24 O 423/04) |
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Der Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.
Gründe
Die Berufung hat keine Aussicht auf Erfolg. Der Senat folgt den im Wesentlichen zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung, die durch die Berufungsbegründung nicht entkräftet worden sind. Ergänzend wird auf Folgendes hingewiesen:
Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) beruht oder die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Beides ist nicht der Fall.
1. Zu Recht hat das LG das Vorliegen der Voraussetzungen des § 27 StVO verneint. Voraussetzung der Geschlossenheit eines Verbandes ist neben einer einheitlichen Kennzeichnung, dass der Verband fahrender Fahrzeuge für die anderen Verkehrsteilnehmer als ein in sich geschlossener, d.h. als eine Zusammenfassung zueinander gehörender Glieder zu erkennen ist (vgl. Schweinoch, DAS 1961, 265, 267).
Die anderen Verkehrsteilnehmer müssen also die Geschlossenheit des Verbandes zweifelsfrei erkennen können. Die Fahrzeuge des Verbandes müssen sich nicht nur durch ähnliches Äußeres als zueinander gehörig ausweisen, sondern auch durch ein ähnliches Verkehrsverhalten. Zum ähnlichen Verkehrsverhalten zählt das Fahren in gleicher Richtung mit annähernd gleicher Geschwindigkeit und annähernd gleichem Abstand (Schweinoch, a.a.O.) Der Abstand zwischen den Fahrzeugen darf dabei nicht so groß sein, dass ein Zusammenhang der Fahrzeuge zueinander für die anderen Verkehrsteilnehmer nicht mehr erkennbar ist.
Für die Abstandsgröße lässt sich kein allgemein gültiges festes Maß angeben. Maßgeblich sind vielmehr immer die Umstände des Einzelfalles, wobei es u.a. auch auf die Verkehrsverhältnisse und die eingehaltenen Geschwindigkeiten der einzelnen Fahrzeuge ankommt (OLG Karlsruhe NZV 1991, 154). Während Außerorts möglicherweise ein Abstand von bis zu 100m die Verbandszugehörigkeit noch nicht aufheben wird (OLG Karlsruhe a.a.O.), ist Innerorts von deutlich geringeren Abständen auszugehen, da in diesen Verkehrsbereichen die Erkennbarkeit der Geschlossenheit des Verbandes insb. für den Querverkehr nur durch die Einhaltung möglichst geringer Abstände gewährleistet werden kann. Innerorts können und müssen die Verbandsfahrzeuge dicht aufgeschlossen fahren, d.h. sie können und müssen so geringe Abstände einhalten, dass sie die Sicherheitsabstände gerade erreichen oder nur geringfügig überschreiten, Schweinoch, a.a.O. S 268). Nur so kann gewährleistet werden, dass die anderen Verkehrsteilnehmer, denen durch das Verbot des § 27 Abs. 2 Satz 2 StVO die Ausübung eines ihnen sonst zustehenden Vorrechts untersagt wird, unmissverständlich darauf hingewiesen werden, dass sie es nicht mit Einzelfahrzeugen sondern mit einem geschlossenen Verband zu tun haben (BayObLG; BayOBLGSt 1974, 43).
Dass die Voraussetzungen des § 27 StVO hinsichtlich des damit einzuhaltenden Abstands vorliegend erfüllt waren, hat der Beklagte nicht bewiesen.
a) Aufgrund seines Vortrages auf S. 3 des Schriftsatzes vom 8.11.2004 geht der Senat von einer Geschwindigkeit der neun Polizeifahrzeuge von 35 km/h aus. Hiervon abweichende konkrete Angaben zur gefahrenen Geschwindigkeit sind der Akte nicht zu entnehmen.
b) Der erforderliche Sicherheitsabstand richtet sich nach Örtlichkeit und Lage sowie der Fahrgeschwindigkeit und ist bei normalen Verhältnisses die in 1,5 Sekunden durchfahrene Strecke (Senat v. 30.9.2002 - 12 U 52/01, KGReport Berlin 2003, 19 = MDR 2003, 84 = KGR 2003, 19; Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 36. Aufl., § 4 StVO Rz. 6). Hieraus errechnet sich vorliegend ein Abstand von 14,6m. In dichtem Stadtverkehr darf der Abstand geringer sein, u.U. reicht die in 0,75 s zurückgelegte Fahrstrecke (Hentschel a.a.O. Rz. 7). Dies wären vorliegend 7,3 m.
c) Den einzuhaltenden Sicherheitsabstand haben die Polizeifahrzeuge, wie das LG zutreffend ausführt, mit einem Abstand von fast 50 Metern so erheblich überschritten, dass von einer Erkennbarkeit der Geschlossenheit des Verbandes für andere Verkehrsteilnehmer, insb. für den Querverkehr, nicht mehr ausgegangen werden kann. Dies wird bestätigt durch das Fahrverhalte...