Leitsatz (amtlich)

Die Befugnis des bestellten Verteidigers zur Einlegung eines Rechtsmittels gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung wirkt über den Tod des Angeklagten hinaus fort.

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Entscheidung vom 28.08.2007; Aktenzeichen (537) 67 Js 451/04 KLs (26/05))

 

Tenor

Die für den früheren Angeklagten durch den Pflichtverteidiger, Rechtsanwalt G., gegen die Auslagenentscheidung in dem Beschluß des Landgerichts Berlin vom 28. August 2007 eingelegte sofortige Beschwerde wird verworfen.

 

Gründe

Das Landgericht verurteilte den früheren Angeklagten am 27. April 2007 wegen Beihilfe zur Hehlerei zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu 20 EUR. Nachdem er am 31. Juli 2007 während des Laufs der Frist zur Begründung seiner Revision verstorben war, hat das Landgericht mit Beschluß vom 28. August 2007 das Verfahren nach § 206a Abs. 1 StPO eingestellt und ausdrücklich von einer Überbürdung der notwendigen Auslagen des früheren Angeklagten auf die Landeskasse abgesehen. Die gegen diese Auslagenentscheidung gerichtete sofortige Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

1.

Das durch den Rechtsanwalt ersichtlich nicht im eigenen Namen, sondern als Pflichtverteidiger für den Angeklagten eingelegte Rechtsmittel ist statthaft. Es ist nicht durch § 464 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 StPO ausgeschlossen, weil die Hauptentscheidung nach § 206a Abs. 2 StPO - wenn auch mangels Beschwer nicht für den Angeklagten - angefochten werden kann (vgl. Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl., Rdn. 19 zu § 464 m.w.N.). Trotz fehlender Angaben zum Beschwerdewert(§ 304 Abs. 3 StPO) geht der Senat davon aus, daß die notwendigen Auslagen des Angeklagten nach der 40tägigen Hauptverhandlung 200 EUR übersteigen.

Der Senat teilt auch nicht die Ansicht der Generalstaatsanwaltschaft, wonach die Auslagenentscheidung hier nicht anfechtbar sei, weil sie nach dem Tod des Angeklagten jedenfalls "bei einem bestellten Verteidiger keine Wirkung mehr" entfalte.

Die Frage, ob der Verteidiger in derartigen Fällen weiterhin die Befugnis zur Einlegung von Rechtsmitteln hat, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung bisher fast ausschließlich für den Wahlverteidiger entschieden worden (vgl. zum Meinungsstand OLG München NJW 2003, 1133 und KG, Beschluß vom 4. März 2002 - 4 Ws 24/02 -, jeweils m.w.N.). Das ist hier jedoch ohne Belang. Denn es kommt nicht darauf an, ob eine vom Angeklagten erteilte Vollmacht mit seinem Ableben erlischt (vgl. OLG München a.a.O.) oder im Hinblick auf die §§ 168, 672, 675 BGB über den Tod hinaus fortwirkt und den Verteidiger jedenfalls noch zur Anbringung von Kostenanträgen und von damit im Zusammenhang stehenden Rechtsmitteln ermächtigt (vgl. KG a.a.O.). Selbst wenn Rechtsanwalt G., was der Senat dem ihm vorgelegten Beschwerdeband nicht entnehmen kann, zunächst Wahlverteidiger gewesen sein sollte, wäre infolge der durch die Pflichtverteidigerbestellung gebotenen (konkludenten) Niederlegung des Wahlmandats seine Vollmacht nach dem Rechtsgedanken des § 168 BGB erloschen (vgl. BGH NStZ 1991, 94).

Für den bestellten Verteidiger hat - soweit ersichtlich - bisher nur das OLG Karlsruhe entschieden, daß dessen Befugnisse zur Einlegung von Rechtsmitteln gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung fortwirken (NStZ-RR 2003, 286). Dem schließt sich der Senat an.

Die Pflichtverteidigerbestellung endet im Erkenntnisverfahren grundsätzlich mit dessen rechtskräftigem Abschluß (vgl. Senat, Beschluß vom 19. Juli 2007 - 1 Ws 56/07; KK-Laufhütte, StPO 5. Aufl., Rdn. 9 zu § 141; Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl., Rdn. 33 zu § 140 -). Durch den Tod des Angeklagten wird das Verfahren nicht ohne weiteres beendet. Es bedarf dazu vielmehr einer förmlichen Einstellung nach § 206a StPO oder - in der Hauptverhandlung - nach § 260 Abs. 3 StPO (vgl. BGHSt 45, 108). Mit dieser Entscheidung ist zugleich gemäß § 464 StPO auch darüber zu befinden, wer die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des (verstorbenen) Angeklagten zu tragen hat. Insoweit bleibt das Verfahren auch nach dem Tod des Angeklagten anhängig (vgl. BGH a.a.O.). Ebenso wie die Einstellung selbst unterliegen auch die Nebenentscheidungen der Anfechtung (§§ 206 Abs. 2, 464 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 StPO). Erst mit ihrer Rechtskraft ist das Verfahren endgültig abgeschlossen. Der Pflichtverteidiger muß daher - wie die Staatsanwaltschaft - befugt sein, auch nach dem Tod des Angeklagten auf eine gesetzmäßige Kosten- und Auslagenentscheidungen hinzuwirken und diese erforderlichenfalls durch das Beschwerdegericht überprüfen zu lassen (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.).

2.

Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht gemäß § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO von einer Überbürdung der notwendigen Auslagen des verstorbenen Angeklagten auf die Landeskasse abgesehen.

Wann die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift gegeben sind, ist in der Rechtsprechung umstritten (vgl. dazu KG, Beschluß vom 28. Juli 2005 - 4 Ws 153/02 -). Der Senat kann die Frage hier offen lassen. Denn auch nach der...

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