Leitsatz (amtlich)
Die Beschwerde gegen einen Beschluss, der einen vom Antragssteller persönlich beim Landgericht eingereichten Verfügungsantrag zurückweist, unterliegt dem Anwaltszwang nach § 78 Abs. 1 ZPO.
Normenkette
ZPO § 78
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 13 O 206/23) |
Tenor
I. Die gegen Zurückweisung ihres Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung im Beschluss des Landgerichts Berlin vom 5. Oktober 2023, 13 O 206/23, gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
II. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 5. Oktober 2023 ist, worauf der Senat mit Verfügung vom 26. Oktober 2023 hingewiesen hatte, unzulässig. Denn sie ist von der Antragstellerin selbst und nicht von einem bei den Oberlandesgerichten in Deutschland zugelassen Rechtsanwalt eingelegt worden. Vor dem Oberlandesgericht müssen sich die Parteien aber durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen, § 78 Absatz 1 ZPO.
B. §§ 78 Absatz 3, 569 Absatz 3 Nummer 1 ZPO ändern daran nach heute herrschender Rechtsprechung nichts (zur Gegenansicht, die sich durchweg auf ältere Rechtsprechung beruft, siehe beispielsweise Vollkommer, in: Zöller, 35. Auflage 2024, ZPO § 922 ZPO Randnummer 19).
I. 1. Zwar kann der Antrag in Arrest- und einstweiligen Verfügungsverfahren im ersten Rechtszug beim Landgericht ohne anwaltliche Vertretung gestellt werden (§§ 936, 920 Absatz 3 ZPO mit § 78 Absatz 5 ZPO) und das Verfahren ohne anwaltliche Beteiligung geführt werden, soweit das Landgericht ohne mündliche Verhandlung im Beschlussverfahren entscheidet (§§ 937 Absatz 2, 936, 922 Absatz 1 Satz 1 ZPO).
2. Das Verfahren vor dem Landgericht unterliegt aber dennoch nach § 78 Absatz 1 ZPO grundsätzlich dem Anwaltszwang (siehe nur OLG Braunschweig, Beschluss vom 13. März 2020 - 9 W 13/19, Randnummer 16 - juris; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 7. Januar 2021 - 6 W 120/20, GRUR-RS 2021, 828 Randnummer 2). Aus dem Umstand, dass das erstinstanzliche Verfahren ohne Anwalt eingeleitet, betrieben und beendet werden kann, folgt nicht, dass es sich um ein Verfahren handelt, das "nicht als Anwaltsprozess zu führen ist".
3. Abgesehen davon, dass die Partei nach der erstinstanzlichen Antragstellung vor dem Landgericht nicht mehr beeinflussen kann, ob das Verfahren einen vom Anwaltszwang (weiterhin) freien Verlauf nimmt oder nicht, ist der Begriff "Anwaltsprozess" außerdem in § 78 Absatz 1 ZPO legal definiert. Er umfasst danach alle Verfahren vor den Landgerichten und den Oberlandesgerichten (OLG Braunschweig, Beschluss vom 13. März 2020 - 9 W 13/19, Randnummer 17 - juris). Die auf einzelne Prozesshandlungen beschränkte Befreiung vom Anwaltszwang verwandelt den Rechtsstreit nicht in einen Parteiprozess (OLG Braunschweig, Beschluss vom 13. März 2020 - 9 W 13/19, Randnummer 19 - juris).
II. Auch der Sinn und Zweck der Regelung in §§ 569 Absatz 3 Nummer 1, 78 ZPO spricht für diese Lesart: Der Anwaltszwang dient einer geordneten Rechtspflege und der Sorge für eine interessengerechte Geltendmachung der Parteibelange. Beide Gesichtspunkte kommen beispielsweise im Fall zum Tragen und sprechen für die Geltung des Anwaltszwanges. Die Antragstellerin trägt nur unzureichend vor.
III. Dieses Verständnis wird im Übrigen auch durch die Entstehungsgeschichte des § 569 Absatz 3 Nummer 1 ZPO gestützt (siehe auch OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 16. Juli 1997 - 16 W 33/97, Randnummer 3 - juris). Er entspricht inhaltlich der vor der Reform der Zivilprozessordnung bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Vorschrift des § 569 Absatz 2 Satz 2 ZPO in der Fassung der Familienrechtsnovelle vom 14. Juni 1976. Vor dieser Novelle ordnete § 569 Absatz 2 Satz 2 ZPO eine Ausnahme vom Anwaltszwang für die Einlegung der Beschwerde nur an, "wenn der Rechtsstreit bei einem Amtsgericht anhängig ist oder anhängig war". Die Änderung des § 569 ZPO sollte den Anwaltszwang nicht einschränken (OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 28. Juni 2010 - 6 W 91/10, GRUR-RR 2011, 31).
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Absatz 1 ZPO.
Der Gebührenstreitwert für das Beschwerdeverfahren ist nach § 53 Absatz 1 Nummer 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO festgesetzt worden. Bei einer nicht-vermögensrechtlichen Streitigkeit und mangelnden genügenden Anhaltspunkten für ein höheres oder geringeres Interesse ist in Anlehnung an § 23 Absatz 3 Satz 2 RVG von einem Wert von 5.000,00 EUR auszugehen (siehe nur BGH, Beschluss vom 28. Januar 2021 - III ZR 162/20, Randnummer 9; BGH, Beschluss vom 26. November 2020 - III ZR 124/20, Randnummer 11; BGH, Beschluss vom 17. November 2015 - II ZB 8/14, Randnummer 13).
Fundstellen