Leitsatz (amtlich)
1. Steuerstraftaten sind vom Anwendungsbereich des § 3 Abs. 1 IRG nicht ausgenommen.
2. Zum Wegfall der Notwendigkeit einer (weiteren) Tatverdachtsprüfung nach § 10 Abs. 2 IRG aufgrund des Verhaltens der Ermittlungsbehörden des ersuchenden Staates, insbesondere der Vorlage umfangreicher Ermittlungsunterlagen.
3. Ein Auslieferungsverbot nach Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. § 73 Satz 1 IRG ist (nur) bei einer unerträglich schweren Strafe gegeben.
Tenor
1. Die Auslieferung des Verfolgten an die Republik Belarus zum Zwecke der Strafverfolgung wegen der dem Auslieferungsersuchen der Generalstaatsanwaltschaft der Republik Belarus vom 12. Oktober 2017 - Nr. 25/1162-2017 - in Verbindung mit den Haftanordnungen des Oberuntersuchungsführers für besonders wichtige Sachen der Hauptuntersuchungsverwaltung des Ermittlungskomitees der Republik Belarus vom 11. September 2017 und 23. August 2018 in der Strafsache Nr. 17081100002 zugrundeliegenden Taten wird für zulässig erklärt.
2. In den Haftverhältnissen treten keine Änderungen ein.
Gründe
I.
Die Behörden von Belarus haben durch Übermittlung eines Auslieferungsersuchens um die Festnahme und Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Strafverfolgung ersucht. Der Verfolgte ist am 18. Januar 2018 gemäß § 19 IRG vorläufig festgenommen worden. Bei seiner am selben Tag nach den §§ 22, 28 IRG durchgeführten richterlichen Anhörung hat er Einwendungen gegen seine Auslieferung erhoben, sich mit der vereinfachten Auslieferung (§ 41 IRG) nicht einverstanden erklärt und auf die Einhaltung des Spezialitätsgrundsatzes (§ 11 IRG) nicht verzichtet.
Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Berlin hat der Senat mit Beschluss vom 23. Januar 2018 die Auslieferungshaft gegen den Verfolgten angeordnet. Mit Beschluss vom 8. Februar 2018 hat er den Verfolgten vom weiteren Vollzug der Auslieferungshaft verschont und die belarussischen Behörden um weitere Angaben zu den Tatvorwürfen sowie das Auswärtige Amt um Auskünfte dazu gebeten, ob es über Erkenntnisse betreffend die Fingierung strafrechtlicher Vorwürfe gegen belarussische Unternehmer durch belarussische Strafverfolgungsbehörden mit dem Ziel der Erlangung von Geldbußzahlungen verfügt, ob sich in der Vergangenheit abgegebene Zusicherungen der Republik Belarus im Auslieferungsverkehr mit der Bundesrepublik Deutschland als zuverlässig erwiesen haben und ob in Bezug auf die Einhaltung der Verfahrensrechte der von Deutschland an die Republik Belarus ausgelieferten Personen verlässliche Erkenntnisse über den Ablauf der gegen diese durchgeführten Strafverfahren vorliegen. Wegen der näheren Inhalte wird auf die genannten Beschlüsse verwiesen.
Das Bundesamt für Justiz hat mit an die Generalstaatsanwaltschaft Berlin gerichteter E-Mail vom 7. März 2018 eine vom Auswärtigen Amt übermittelte Stellungnahme der Deutschen Botschaft Minsk zur Kenntnis gegeben, in der mitgeteilt worden ist, dass es keine Anhaltspunkte für eine Kampagne gegen Unternehmer oder gar für deren systematische Verfolgung gebe. Soweit es die Überprüfung der Einhaltung von Zusicherungen der belarussischen Behörden angehe, hätten Haftbesuche vor Ort und im Einzelfall gegebene zusätzliche Kontakte zu Rechtsbeiständen und Angehörigen der Ausgelieferten (die auch im Fall des hiesigen Verfolgten vorgesehen seien) ergeben, dass sich die von belarussischer Seite abgegebenen Zusicherungen in der Vergangenheit als belastbar erwiesen hätten. Zwar habe es in den letzten Jahren mangels ausreichender personeller Kapazitäten keine Prozessbeobachtungen gegeben, Gespräche mit den jeweiligen Rechtsbeiständen der Ausgelieferten hätten aber keinen Verdacht auf eine unfaire Verfahrensführung erbracht. Mit Schreiben vom 11. Dezember 2018 hat das Bundesamt für Justiz die aufgrund weiterer Einwände der Beistände des Verfolgten eingeholte (erneute) Stellungnahme des Auswärtigen Amtes übermittelt, dass es keine systematische Verfolgung weißrussischer Geschäftsleute in der Republik Belarus gebe, sondern vielmehr Finanzstraftaten, insbesondere Steuerhinterziehungen sowie Bestechungsdelikte, grundsätzlich und unabhängig von der Funktion der Beschuldigten verfolgt würden.
Die Botschaft der Republik Belarus hat mit Verbalnote Nr. 04-21/687-K vom 22. März 2018 neben einer Zusammenfassung des dem Ermittlungsverfahren zugrunde liegenden Sachverhalts diverse Ermittlungsunterlagen aus den Strafverfahrensakten (im Original und in deutscher Übersetzung) übersandt, die als Beistück II zum Bestandteil der Akten des Auslieferungsverfahrens geworden sind; auf dieses Beistück wird wegen der näheren Inhalte der übersandten Prozessmaterialien verwiesen.
Auf durch den Senat veranlasste Nachfrage wegen sich aus den übersandten weiteren Unterlagen ergebenden Unklarheiten bezüglich des Umfangs der begehrten Auslieferung hat die Botschaft der Republik Belarus mit Verbalnote Nr. 04-21/2601-K vom 31. August 2018 weitere von der Generalstaatsanwaltschaft der Republik Belarus mit Schreiben vom 24. August 2018 übermittelt...