Leitsatz (amtlich)
Der Streithelfer ist nicht befugt, einen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit gegen den Widerspruch der Hauptpartei abzulehnen.
Normenkette
ZPO § 42 Abs. 3, §§ 66, 67 Abs. 1 Hs. 2
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 8 O 36/21) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Streithelferin zu 1) gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 02.12.2022 - 8 O 36/21 - wird zurückgewiesen.
2. Die Streithelferin zu 1) hat die Kosten der sofortigen Beschwerde einschließlich der Kosten der weiteren Streithelfer zu tragen.
Gründe
A. I. Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 46 Absatz 2 ZPO statthaft und zulässig, insbesondere frist- und formgerecht (§ 569 Absatz 1 Satz 1, Absatz 2 Satz 1 und Satz 2 ZPO), in der Sache aber nicht begründet. Denn das Landgericht hat das gegen ... gerichtete Ablehnungsgesuch zu Recht als unzulässig verworfen.
II. Das Ablehnungsgesuch ist unzulässig, weil sich die Streithelferin zu 1) damit unstreitig entgegen § 67 ZPO in Widerspruch zu der von ihr unterstützen Hauptpartei, der Klägerin, setzt, die die abgelehnte Richterin nicht für befangen hält und dem Antrag der Streithelferin zu 1) widersprochen hat.
Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss vom 2. Dezember 2022. Der Senat hat die Streithelferin zu 1) mit Verfügung vom 2. Februar 2023 ergänzend auf Folgendes hingewiesen, auf das er Bezug nimmt:
"Mit dem Landgericht und der fast unstreitigen Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum (siehe nur Krüger/Rahlmeyer JA 2014, 202 (205); BeckOK ZPO/Dressler, 47. Ed. 1.12.2022, ZPO § 67 Randnummer 20; Zöller/Althammer, 34. Auflage 2022, ZPO § 67 Randnummer 3; Stein/Jonas/Bork, 23. Auflage 2014, ZPO § 42 Randnummer 18; anderer Ansicht wohl nur Wieczorek/Schütze/Gerken, 5. Auflage 2020, ZPO § 42 Randnummer 37) beabsichtigt auch der Senat ungeachtet der tiefgehenden Begründung des Ablehnungsgesuches und der dortigen Betrachtungen des Grundgesetzes sowie der §§ 67, 68 ZPO, einem Streithelfer das Recht abzusprechen, einen Richter gegen den Willen der Hauptpartei als befangen abzulehnen (zur gleich liegenden Frage der Ablehnung eines Sachverständigen durch den Streithelfer siehe nur BGH, Beschluss vom 23. Mai 2006 - VI ZB 29/05, Randnummer 12; OLG Frankfurt, Beschluss vom 6. Oktober 1982 - 17 W 28/82, MDR 1983, 232; MüKoZPO/Schultes, 6. Auflage 2020, ZPO § 67 Randnummer 11; Stein/Jonas/Jacoby, 23. Auflage 2014, ZPO § 67 Randnummer 14).
Denn gemäß § 67 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO ist der Streithelfer nur dann berechtigt, Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend zu machen und alle Prozesshandlungen wirksam vorzunehmen, soweit nicht seine Erklärungen und Handlungen mit Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei in Widerspruch stehen. Der Streithelfer kann daher insbesondere keinen Sachvortrag halten, der in Widerspruch zu demjenigen der Partei steht. Er kann nicht unstreitig stellen, was diese bestreitet, und nicht bestreiten, was diese erkennbar unstreitig stellen will. Für die Ablehnung kann erkennbar nichts Anderes gelten."
III. Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der mit Schriftsatz vom 9. Februar 2023 erneut geäußerten und weiter vertieften Rechtsauffassung der Streithelferin zu 1) fest. Denn die Streithelferin zu 1) legt dort im Kern nur dar, warum sie § 67 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO nicht für anwendbar hält. Dem folgt der Senat aber nicht.
1. Auch die Ablehnung eines Richters ist eine Handlung, die darauf gerichtet sind, den Ausgang des Rechtsstreits, d.h. insbesondere die Sachentscheidung des Gerichts, zu beeinflussen. Auch die Ablehnung betrifft den Streitgegenstand. Vom Standpunkt der Partei hat die Zwischenentscheidung, bei der es sich um eine Richterablehnung handelt, keine geringere Bedeutung als die Entscheidung in der Hauptsache (BGH, Beschluss vom 17. Januar 1968 - IV ZB 3/68). Der Richter wird abgelehnt in der Befürchtung, er werde infolge seiner Befangenheit in der Hauptsache zum Nachteil der Partei entscheiden.
2. Auch der Streithelfer mag zwar ein eigenes grundrechtsgleiches Recht auf den gesetzlichen Richter aus Artikel 101 Absatz 1 Satz 2 GG haben. Dieses Recht steht aber unter dem Vorbehalt des § 67 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO, der nicht, wie es die Streithelferin zu 1) aber meint, verfassungswidrig ist.
3. Wie ausgeführt, liegt der Fall nicht anders als bei der Ablehnung eines Sachverständigen als befangen: Die Ablehnung eines Sachverständigen unterscheidet sich nicht maßgeblich von der Ablehnung eines Richters, bleibt dahinter aber sogar noch zurück.
B. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 ZPO kommt nicht in Betracht. Die Voraussetzungen hierfür liegt nicht vor. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, da keine klärungsbedürftige Rechtsfrage aufgeworfen ist. In der Instanzrechtsprechung werden zur Rechtsfrage keine unterschiedlichen Auffassungen vertreten. In der Literatur gibt es nur eine Gegenstimme, die ihren abweichenden Standpunkt aber nicht überzeugend erläutert. Die Behauptung, der Widerspruch der H...