Leitsatz (amtlich)
Der Gebührenstreitwert eines unbezifferten Antrags mit Angabe eines Mindestbetrages (hier: Schmerzensgeld) ist der Betrag, der aufgrund des klagebegründenden Sachvortrags zuzusprechen wäre, wenn sich dieser als richtig erweist; maßgeblicher Zeitpunkt der Beurteilung ist der Eingang der Klagebegründung (vgl. § 40 GKG), nicht das Ergebnis der Beweisaufnahme; regelmäßig ist bei dieser "Schlüssigkeitsprüfung" der festzusetzende Wert nicht geringer als der vom Kläger angegebene Mindestbetrag, den der Kläger jedenfalls erstrebt.
Verfahrensgang
LG Berlin (Beschluss vom 15.12.2009; Aktenzeichen 17 O 256/07) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Beklagten vom 21.12.2009 wird der Streitwertbeschluss des LG Berlin vom 15.12.2009 - 17 O 256/07 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Streitwert für den Klageantrag zu 2 wird auf 45.000 EUR festgesetzt.
Der Streitwert für den Klageantrag zu 3 wird auf 5.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Auf die nach § 68 Abs. 1 GKG, § 32 Abs. 2 RVG zulässige Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Beklagten aus eigenem Recht war der Streitwert neu festzusetzen.
1. Klageantrag zu 2 (Schmerzensgeld)
a) Das LG hat in der streitgegenständlichen Verkehrsunfallsache den Streitwert für den Antrag zu 2 (Schmerzensgeld) auf 3.000 EUR festgesetzt und zur Begründung im Nichtabhilfebeschluss vom 15.2.2010 ausgeführt:
Bei der Schätzung des Streitwerts nach § 3 ZPO sei der Betrag festzusetzen, den das Gericht auf der Grundlage der klägerischen Darlegungen als angemessen erachtet; Angaben des Klägers zur Größenordnung des begehrten Schmerzensgeldes hätten nur Bedeutung für die Rechtsmittelbeschwer.
Dagegen weist die Beschwerde darauf hin, dass der Kläger zwar einen Ermessensantrag gestellt habe, gleichzeitig aber seine Forderung mit "mindestens EUR 45.000" konkretisiert und diese Mindestforderung mehrfach schriftsätzlich bekräftigt habe.
b) Das LG hat zutreffend - wenn auch verkürzt - hervorgehoben, dass auch bei unbezifferten Ermessensanrägen nach § 3 ZPO der Wert des Streitgegenstandes zu schätzen ist, wobei dabei die klägerische Sachdarstellung zu Grund zu legen ist.
Der Streitwert ist also der Betrag, der auf Grund des Tatsachenvortrags des Klägers zuzusprechen wäre, wenn die Klage begründet ist (allgemeine Meinung, vgl. nur Thomas/Putzo, ZPO, 30. Aufl. 2009, § 3 Rz. 63).
In der Regel ist aber der Wert auch bei der erforderlichen objektiven Würdigung nicht geringer als derjenige Betrag, den der Kläger mindestens begehrt (OLG Hamm AnwBl. 1984, 202; OLG München VersR 1995, 1117; LG Hamburg JurBüro 1992, 699; Baumbach u.a., ZPO, Anh. § 3 Rz. 99, 100; Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl. 2010, GKG Anh. I § 48 Rz. 99, 100; vgl. auch Zöller/Herget, ZPO, § 3 Rz. 16 "Unbezifferte Klageanträge", der sich lediglich dagegen wendet, die vom Kläger angegebene Größenordnung des Betrages als verbindliche Mindestgrenze zu behandeln).
Die erforderliche "Schlüssigkeitsprüfung in der Klägerstation" (Zöller, a.a.O.) muss aber auf den Zeitpunkt der Klagebegründung abstellen (vgl. § 40 GKG) und kann nicht am Ergebnis einer Beweisaufnahme über die klägerischen Behauptungen orientiert werden.
Bleibt der Kläger beweisfällig und wird seine Klage deshalb ganz oder teilweise abgewiesen, so ist das für den aufgrund des Klägervorbringens geschätzten Streitwert ohne Einluss, führt aber zur Kostenbelastung des Klägers (OLG Köln MDR 1969, 317; Zöller, a.a.O.).
Anderenfalls hätte ein Kläger, der einen unbezifferten Schmerzensgeldanspruch mit Angabe eines Mindestbetrages stellt (und den Vorteil genießt, dass das Gericht - ohne Bindung an § 308 ZPO - mehr zusprechen darf) kaum ein Kostenrisiko.
c) Im Streitfall hat das LG die Festsetzung des Streitwerts jedoch nicht - wie im Nichtabhilfebeschluss als erforderlich gekennzeichnet - auf der Grundlage der anfänglichen klägerischen Darlegungen vorgenommen, sondern hat am Ergebnis der von ihm durchführten Beweisaufnahme orientiert: Es hat nämlich erst nach Einholung von zwei medizinischen Gutachten die Erkenntnis gewonnen, dass das vorprozessual gezahlte Schmerzensgeld von 3.000 EUR angemessen ist und der Kläger seine Behauptungen zur Unfallursächlichkeit weiterer Beschwerden nicht hat beweisen können, mit denen er seine Klageforderung auf Schmerzensgeld von mindestens 45.000 EUR begründet hat.
Hätte das LG schon - wie es dies im Nichtabhilfebeschluss für erforderlich hält - anfänglich auf der Grundlage der klägerischen Darlegungen den Streitwert für das Schmerzensgeld an dem von ihm im Ergebnis als angemessen angesehenen Betrag (3.000 EUR) orientiert, wäre die Klage insoweit unschlüssig gewesen und es hätte nicht Beweis erhoben werden müssen.
Wie regelmäßig ist jedoch auch im Streitfall der vom Kläger angegebene Mindestbetrag ein sehr starker Anhaltspunkt für den Gebührenstreitwert; denn diesen Betrag erstrebt der Kläger auf jeden Fall; der Mindestbetrag erscheint auch auf der Grundlage der klägerischen Sachdarstellung in der Klageschrift über die angeblich unfallbedin...