Leitsatz (amtlich)
Für den Rückgriffsanspruch einer KfZ-Haftpflichtversicherung nach § 426 BGB, §§ 115 Abs. 1 S. 4, 116 Abs. 1 VVG wegen einer Obliegenheitsverletzung des Halters oder Fahrers ist eine gesetzliche Sonderzuständigkeit nach § 119a S. 1 Nr. 4 GVG nicht begründet.
Normenkette
BGB § 426; GVG § 119a S. 1 Nr. 4; VVG § 115 Abs. 1 S. 4, § 116 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Berlin (Aktenzeichen 45 O 48/18) |
KG Berlin (Aktenzeichen 22 U 2/19) |
Tenor
Die allgemeinen Zivilsenate des Kammergerichts werden als funktionell zuständige Spruchkörper bestimmt.
Gründe
I. Die Klägerin ist eine Haftpflichtversicherung. Der Beklagte verursachte als Fahrer eines bei der Klägerin versicherten Fahrzeugs einen Verkehrsunfall. Die Klägerin leistete dem geschädigten Unfallgegner Ersatz. Mit ihrer bei dem Landgericht Berlin erhobenen Klage hat sie den Beklagten in Höhe eines Betrags von 7.083,62 Euro nebst Verzugszinsen in Regress genommen, weil er zum Zeitpunkt des Unfalls alkoholbedingt fahruntüchtig gewesen sei und sich außerdem unerlaubt vom Unfallort entfernt habe. Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung, die zunächst bei dem nach dem Geschäftsverteilungsplan des Kammergerichts für Verkehrsfallsachen zuständigen 22. Zivilsenat eingetragen worden ist. Dieser Senat hat sich nach Anhörung der Parteien mit einem Beschluss vom 18. März 2019 für unzuständig erklärt, weil es sich um eine Streitigkeit aus einem Versicherungsvertragsverhältnis handele, für die gemäß § 119a S. 1 Nr. 4 GVG eine gesetzliche Sonderzuständigkeit bestehe. Dass der Beklagte nicht selbst Versicherungsnehmer sei, stehe dem nicht entgegen. Denn nach allgemeiner Auffassung erfasse die Sonderzuständigkeit nach § 119a S. 1 Nr. 4 GVG nicht nur Streitigkeiten der Versicherung mit dem Versicherungsnehmer, sondern auch solche mit versicherten Personen. Es liege eine Streitigkeit aus einem Versicherungsvertragsverhältnis vor, weil die Rechtsbeziehungen der Parteien im Wesentlichen durch den von der Halterin des verunfallten Fahrzeugs abgeschlossenen Versicherungsvertrag geprägt würden.
Der nach § 119a S. 1 Nr. 4 GVG für Streitigkeiten aus Versicherungsvertragsverhältnissen zuständige 6. Zivilsenat des Kammergerichts hat sich mit einem Beschluss vom 26. März 2019 ebenfalls für unzuständig erklärt und die Sache nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dem erkennenden Senat zur Bestimmung des zuständigen Spruchkörpers vorgelegt. Eine Streitigkeit nach § 119a S. 1 Nr. 4 GVG liege nicht vor. Denn der streitgegenständliche Regressanspruch ergebe sich nicht aus dem zwischen der Klägerin und der Fahrzeughalterin bestehenden KfZ-Versicherungsvertrag. Vielmehr handele es sich um einen gesetzlichen Anspruch, der seine Grundlage im Deliktsrecht habe.
II. 1. Der erkennende Senat ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO zur Bestimmung des zuständigen Spruchkörpers berufen, weil beide an dem Zuständigkeitsstreit beteiligten Zivilsenate dem Kammergericht angehören und das zunächst höhere Gericht der Bundesgerichtshof wäre.
2. Ferner liegen die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung auch der Sache nach vor. Zwar setzt § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO nach seinem Wortlaut voraus, dass sich verschiedene Gerichte (und nicht einzelne Spruchkörper) rechtskräftig für unzuständig erklärt haben. Allerdings ist die Vorschrift entsprechend anwendbar, wenn mehrere Spruchkörper des gleichen Gerichts um ihre Zuständigkeit streiten und die Entscheidung des Kompetenzkonflikts nicht von der Auslegung des Geschäftsverteilungsplans, sondern von einer gesetzlichen Zuständigkeitsregelung abhängt. Dies gilt nach einhelliger Auffassung auch für die von dem Gesetzgeber neu geschaffenen §§ 72a, 119a GVG (Senat, Beschluss vom 22. März 2018 - 2 AR 11/18, NJW-RR 2018, 212; OLG Frankfurt, Beschluss vom 23. April 2018 - 13 SV 6/18; OLG Nürnberg, Beschluss vom 18. Juni 2018 - 1 AR 990/18 -, MDR 2018, 1015; Zöller/Lückemann, ZPO, 32. Aufl. 2018, § 72a GVG Rn. 2; Klose MDR 2017, 793 [795]). Schließlich sind auch die weiteren Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO erfüllt, nachdem sich die an dem negativen Kompetenzkonflikt beteiligten Spruchkörper jeweils "rechtskräftig" im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO für unzuständig erklärt. Hierfür genügt es, dass die betreffenden Beschlüsse den Parteien bekanntgegeben wurden, womit es sich nicht nur um gerichtinterne Vorgänge handelt (BGH, Beschluss vom 1. Juni 1988 - IVb ARZ 26/88 -, FamRZ 1988, 1256; OLG Dresden, Beschluss vom 14. Dezember 2000 - 10 AR 31/00, OLG-NL 2001,71; Zöller/Schultzky, a. a. O., § 36 Rn. 35 m. w. N.).
3. Zur Entscheidung des vorliegenden Berufungsverfahrens funktional zuständig sind die allgemeinen Zivilsenate des Kammergerichts, weil die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Sonderzuständigkeit nach § 119a S. 1 Nr. 1 GVG (oder einer anderen Fallgruppe der Vorschrift) nicht erfüllt sind. Entsprechend dem an § 348 Nr. 2 lit. h ZPO und § 72a S. 1 Nr. 4 GVG angelehnte...