Leitsatz (amtlich)
1.
Zur Abgrenzung von Diebstahl zu Betrug bei Gewahrsamslockerung
2.
Verzögerungen nach dem erstinstanzlichen Urteil fallen geringer ins Gewicht als vor diesem Zeitpunkt, bis zu dem die Unschuldsvermutung in stärkerem Maße für den Angeklagten streitet.
Verfahrensgang
AG Berlin-Tiergarten (Entscheidung vom 10.05.2006; Aktenzeichen (533) 3 Op Js 1552/05 Ls Ns (16/06)) |
Tenor
Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Haftbefehl des Landgerichts Berlin vom 5. April 2007 wird mit der Maßgabe verworfen, daß der Angeklagte des Raubes dringend verdächtig ist.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Das Amtsgericht hat den Angeklagten am 10. Mai 2006 wegen Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Betrug (in einem besonders schweren Fall) zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und zugleich die Fortdauer der aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts Tiergarten vom 13. Juli 2005 seit dem 4. August 2005 mit einer Unterbrechung von 15 Tagen Ordnungshaft vollzogenen Untersuchungshaft angeordnet. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, da der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft jeweils Berufung eingelegt haben, über die das Landgericht seit dem 31. Oktober 2006 verhandelt. Das Landgericht hat den Haftbefehl des Amtsgerichts aufgehoben und durch den Haftbefehl vom 5. April 2007 ersetzt, mit dem es dem Angeklagten "versuchten Betrug in Tateinheit mit räuberischem Diebstahl" zur Last legt. Seine dagegen gerichtete Beschwerde bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.
1.
Es besteht dringender Tatverdacht. Der Verteidigung ist zwar zuzugeben, daß der Geschehensablauf, auf dem die rechtliche Bewertung der Tat beruhen soll, im Haftbefehl teilweise lückenhaft geschildert ist. Der Senat entnimmt ihm aber mit noch hinreichender Deutlichkeit, daß dem Angeklagten vorgeworfen wird, er habe von dem Zeugen S. mit einem lediglich zum Schein angebotenen Verkauf von 20 kg Marihuana die dafür vereinbarten 62.000,00 EUR betrügerisch erlangen wollen und sich das Geld schließlich gewaltsam verschafft, als der Geschädigte Verdacht geschöpft habe.
Soweit der Angeklagte eine Gewaltanwendung zur Erlangung des Geldes bestreitet und im Widerspruch zur bisherigen Annahme des Landgerichts berechtigte Geldforderungen gegen den Geschädigten behauptet, kann der Senat nicht eingreifen. Insoweit ist das Beschwerdegericht an die vorläufige Bewertung der bisherigen Beweisergebnisse in der laufenden Hauptverhandlung durch den Tatrichter gebunden, da es an der Beweisaufnahme nicht teilgenommen hat und sie nicht wiederholen kann (vgl. KG, Beschluß vom 14. März 2005 - 4 Ws 28/05 -). Eine endgültige Aufklärung des Geschehensablaufs und die Beantwortung der Frage, ob dem Angeklagten ein Gegenanspruch zustand und welche Auswirkungen das auf die Strafbarkeit seines Vorgehens haben kann, muß deshalb der weiteren Hauptverhandlung vorbehalten bleiben.
Allerdings begegnet die rechtliche Bewertung der Tat in dem Haftbefehl durchgreifenden Bedenken. Es ist zwar nicht zu beanstanden, daß die Strafkammer annimmt, der Angeklagte habe während der Tatausführung wegen der aus seiner Sicht fehlgeschlagenen Täuschung sein Vorgehen geändert und sich (erst) durch die Anwendung von Gewalt den alleinigen Gewahrsam an dem Geld verschafft, obwohl ihm der Geschädigte schon zuvor die Tüte mit dem Geld übergeben hatte. Bei der Abgrenzung zwischen Betrug und Diebstahl kommt es maßgeblich auf die Willensrichtung des Geschädigten und nicht nur auf das äußere Erscheinungsbild des Tatgeschehens an (vgl. BGH MDR 1987, 446). (Versuchter) Betrug liegt dann vor, wenn der Getäuschte den Gewahrsam aufgrund freier und nur durch den Irrtum beeinflußter Entschließung übertragen will. Hingegen ist von einer Wegnahme auszugehen, wenn die Täuschung lediglich dazu dient, den eigenmächtigen Gewahrsamsbruch des Täters zu ermöglichen oder wenigstens zu erleichtern (vgl. BGH a.a.O..). Hat der Gewahrsamsinhaber, der die wahren Absichten des Täuschenden nicht erkannt hat, den Gegenstand übergeben, ohne seinen Gewahrsam völlig preiszugeben, kommt eine Wegnahme in Betracht, wenn der Täter die Sache nunmehr gegen den Willen des Berechtigten in seinen oder eines Dritten Alleingewahrsam bringt (vgl. OLG Düsseldorf NJW 1990, 923 ).
Das Landgericht ist aufgrund der Beweisaufnahme nach dem im Haftbefehl mitgeteilten Sachverhalt offensichtlich zu dem Ergebnis gelangt, daß der Geschädigte dem Angeklagten das Geld zunächst nur für kurze Zeit zum Nachzählen überlassen und darüber endgültig als Bezahlung erst später Zug um Zug gegen Herausgabe des Rauschgifts verfügen wollte. Diese Annahme liegt nahe, da der Angeklagte einräumt, daß er bei einem ersten Treffen den ihm angebotenen Geldbetrag als zu niedrig zurückgewiesen und der Zeugen S. ihm beim zweiten Treffen das Geld mit dem Bemerken, es seien nun 62.000,00 EUR, übergeben habe, wobei das Rauschgiftgeschäft jedoch auf Verlangen des S. an einem anderen Ort abgewickelt werden sollte. Bei einer solch...