Normenkette
ALR PR §§ 281, 519-520
Verfahrensgang
AG Berlin-Tempelhof-Kreuzberg (Beschluss vom 06.05.2015) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2) wird der Beschluss des AG Tempelhof-Kreuzberg als Nachlassgericht vom 6.5.2015 geändert und der Antrag des Beteiligten zu 1) vom 17.7.2014 auf Erteilung des beantragten Erbscheins zurückgewiesen.
Gründe
I. Der am ... 1890 verstorbene Erblasser hat am ... 1889 ein Testament vor dem AGrat und dem AGsekretär zu Protokoll des königlichen AG I in Berlin errichtet. Er hat dort zu seinen Erben seine Schwestern C. und F. sowie die namentlich benannten drei Kinder seines vorverstorbenen Bruders C. und die fünf Kinder seines Bruders A. ernannt. Weiter heißt es in dem Testament:
"Ich bestimme, dass meine Schwester C. nach meinem Tode meinen gesamten Nachlass erhalten und meine übrigen Geschwister beziehungsweise Geschwisterkinder nur dasjenige von meinem Nachlasse erben sollen, was nach dem Tode meiner Schwester C. noch vorhanden sein wird.
Meine übrigen Erben sollen aber nicht berechtigt sein, von meiner Schwester C. Sicherstellung und Rechnungslegung hinsichtlich ihrer dereinstigen Erbtheile zu verlangen".
Weitere zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung verstorbene Geschwister des Erblassers hatten keine Kinder gehabt. Die Schwester C. verstarb im Jahre 1898, ihre Schwester F. war bereits im Jahre 1896 und eine der Töchter des Bruders C. im Jahre 1897 verstorben.
Der Beteiligte zu 1) hat als Erbeserbe des Bruders C. des Erblassers vor dem Nachlassgericht aufgrund notarieller Erbscheinsverhandlung vom 17.7.2014 die Erteilung eines Erbscheins beantragt, der die die Schwester C. überlebenden sieben Kinder der beiden Brüder C. und A. als Miterben zu je einem Siebtel ausweist.
Das Nachlassgericht hat am 6.5.2015 einen entsprechenden Feststellungsbeschluss erlassen.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 2), eines Erbeserben der im Jahre 1863 geborenen und im Jahre 1921 verwitwet und kinderlos verstorbenen Tochter der F., der Frau A. R. Er ist der Auffassung, diese sei in die Nacherbenstellung der Schwester F. eingetreten. Aus dem Testament ergebe sich zudem, dass jedem Geschwisterstamm der gleiche Erbteil zufallen und der nach Eintritt des Nacherbfalls verbleibende Nachlass nicht quotal verteilt werden sollte.
Das Nachlassgericht hat in dem Nichtabhilfebeschluss vom 1.12.2015 ausgeführt, der Erblasser habe eine (befreite) Vor- und Nacherbschaft angeordnet in Form der fideikommissarischen Substitution nach den Regelungen des zur Zeit der Testamentserrichtung geltenden Allgemeinen Preußischen Landrechtes (ALR). Die vor dem Tod der Schwester C. vorverstorbenen Nacherben seien nach § 57 ALR (Erster Teil zwölfter Titel) ersatzlos weggefallen. Denn von der hiernach gegebenen Möglichkeit, einen zweiten Substituten zu benennen, habe der Erblasser keinen Gebrauch gemacht. Ein entsprechender Wille könne seinem Testament nicht entnommen werden. Dem Testament lasse sich auch nicht entnehmen, dass er die Nacherben nach Stämmen bedacht habe.
II. Die Beschwerde des Landes Berlin ist zulässig. Sie hat in der Sache Erfolg und führt zur Änderung des angefochtenen Beschlusses und Zurückweisung des Antrages des Beteiligten zu 1).
Das Testament des Erblassers vom ... 1889 ist dahin auszulegen, dass der Erblasser gewollt hat, dass seine jüngere Schwester sowie die Geschwisterkinder bei Eintritt des Nacherbfalles - Tod der älteren Schwester, die als Vorerbin eingesetzt war - nach Kopfteilen gleich erben sollten, dass also auf jeden benannten Nacherben ein Anteil von 1/9 entfallen sollte.
1) Gemäß Artikel 213 S. 1 EGBGB bleiben für die erbrechtlichen Verhältnisse, wenn der Erblasser - wie hier - vor dem In-Kraft-Treten des Bürgerlichen Gesetzbuchs gestorben ist, die bisherigen Gesetze maßgebend. Damit bestimmen sich die Wirksamkeit und auch die Auslegung des Testamentes des Erblassers nach den Vorschriften des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten (ALR).
Danach bestehen gegen die Wirksamkeit des hier in Rede stehenden Testamentes keine Bedenken, wie zutreffend unter Heranziehung der Vorschriften des ALR im Nichtabhilfebeschluss ausgeführt.
Für die Auslegung sind gemäß I. Tit. 12 § 519 und 520 ALR letztwillige Verfügungen so zu deuten, wie sie nach den Vorschriften der Gesetze am besten bestehen können. In zweifelhaften Fällen muss die Auslegung zum "Vortheile" des eingesetzten Erben gemacht werden. Aus der Regelung in I. Tit. 12 § 518 lässt sich ableiten, dass es für die Auslegung auf den Willen des Erblassers ankommt, "wenn nur sonst die wahre Absicht desselben deutlich erhellet".
2) I. Tit. 12 § 261 ALR bestimmt, dass, wenn mehrere Personen ohne nähere Bestimmung zu Erben eingesetzt sind, sie die Erbschaft zu gleichen "Theilen" erwerben. Hier liegt keine abweichende Bestimmung im Testament vor.
Die Geschwisterkinder sind zwar im Testament unter jeweils einer Nr. als Abkömmlinge der vorverstorbenen Brüder C. und A. bezeichnet. Daraus lässt sich jedoch nicht mit hinreichender Sich...