Verfahrensgang
KG Berlin (Aktenzeichen 4 ARs 113/03) |
LG Berlin (Aktenzeichen (545) 1 Kap Js 2109/96 KLs (8/01)) |
Tenor
Der Antrag des Pflichtverteidigers, Rechtsanwalt XXX XXX XXX, XXX Berlin, XXX, auf Bewilligung einer Pauschvergütung wird zurückgewiesen.
Gründe
Für die Vergütung des Antragstellers ist nach § 61 Abs. 1 Satz 1 RVG das alte Gebührenrecht der BRAGO anzuwenden, da er vor dem Stichtag des 1. Juli 2004 am 2. Juni 1997 zum Pflichtverteidiger bestellt worden war (vgl. KG StraFo 2005, 129).
Die Voraussetzungen des § 99 Abs. 1 BRAGO liegen nicht vor. Eine Pauschvergütung ist nicht schon dann zu bewilligen, wenn das Verfahren besonders umfangreich und/oder besonders schwierig war. Vielmehr müssen die gesetzlichen Gebühren augenfällig unzureichend und unbillig sein (vgl. KG, Beschluß vom 5. Oktober 2006 - 4 ARs 45, 96-102/02 -). Denn die Pauschvergütung dient allein dem Zweck, unzumutbare Belastungen des Pflichtverteidigers in angemessener Weise auszugleichen. Ob solche Erschwernisse vorgelegen haben, richtet sich nach dem Umfang der Tätigkeit des Verteidigers in dem gesamten Verfahren (vgl. KG, Beschlüsse vom 3. März 2003 - 4 ARs 12/04 - und 29. August 1994 - 4 ARs 60/94 -). Die danach gebotene Gesamtschau ergibt hier, daß die Tätigkeit des Antragstellers mit den gezahlten Gebühren (ohne Auslagen) in Höhe von 131.030,00 DM (netto) insgesamt nicht unzumutbar niedrig vergütet ist und ihm damit kein Sonderopfer abverlangt wird.
Der Senat hat das aufwendige Studium der Akten, die bei Erhebung der gegen 16 Angeschuldigte gerichteten Anklage von 100 Seiten insgesamt 46 Bände umfaßten, und die im Laufe des Verfahrens gestellten Anträge bei der Bewertung der Tätigkeit des Verteidigers berücksichtigt. Hingegen waren der Tatzeitraum von März bis Juli 1996 und die auf etwa sieben Seiten des konkreten Anklagesatzes dargestellten fünf Vorwürfe noch überschaubar. Die dem vom Antragsteller vertretenen Angeklagten zur Last gelegten Straftatbestände des Mordes, der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und eines Waffendelikts konnten einem erfahrenen Verteidiger keine übermäßigen Schwierigkeiten bereiten. Gleiches gilt für die Ausein-andersetzung mit der Aussage der Hauptbelastungszeugin. Die Bedeutung der Sache für den Angeklagten ist für die Bewilligung einer Pauschvergütung unbeachtlich (vgl. KG, Beschluß vom 7. Februar 2006 - 4 ARs 50/05 -).
Allerdings wurde die Konzentration des Antragstellers auf die Wahrung der Interessen des Mandanten in der Hauptverhandlung infolge der Konfliktverteidigung einiger Mitverteidiger nicht unerheblich erschwert. Belastend wirkte sich auch die TBC-Erkrankung von mehreren Angeklagten aus. Dem steht hier als ein wesentliches Bemessungskriterium die unterdurchschnittliche Anwesenheit des Antragstellers (oder seines bestellten Vertreters) in der Hauptverhandlung entgegen (vgl. KG, Beschluß vom 4. Januar 2000 - 4 ARs 94/99 -), die an 205 Verhandlungstagen - bei jeweils vollem Gebührenanspruch - (ab dem Ladungszeitpunkt) deutlich unter vier Stunden lag. Der großen Anzahl derart kurzer Terminsteilnahmen kommt ein besonderes Gewicht zu (vgl. KG, Beschluß vom 24. Juni 2004 - 4 ARs 34/04 -). Die einzelnen Sitzungen wurden zumeist vor 13.00 Uhr beendet, so daß der Antragsteller sich an diesen Tagen noch anderen Geschäften zuwenden konnte. Hinzu kommt, daß für den Angeklagten ein zweiter Pflichtverteidiger bestellt war, was eine zeitsparende Arbeitsteilung zwischen den Rechtsanwälten ermöglichte (vgl. Senat, Beschluß vom 14. Februar 2005 - 1 ARs 123/02 -).
Der Antragsteller kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, daß der Angeklagte der deutschen Sprache nicht ausreichend mächtig und deshalb für die Mandantengespräche die Hinzuziehung eines Dolmetschers erforderlich war. Strafverfahren gegen ausländische Angeklagte gehören in Berlin seit Jahren zur gängigen Praxis und auch für Verteidiger zur Arbeitsroutine (vgl. KG, Beschluß vom 28. August 2003 - 4 ARs 62/03 -).
Haftbesuche und sonstige mit der Inhaftierung des Angeklagten für den Verteidiger verbundene Erschwernisse sind in der Regel durch die nach den §§ 83 Abs. 3, 84 Abs. 1 BRAGO erhöhten Gebührensätze angemessen abgegolten. Außergewöhnliche Belastungen hat der Antragsteller insoweit nicht vorgetragen.
Schließlich kann der Antragsteller aus dem Umstand, daß ihm durch Beschluß des Kammergerichts vom 17. April 1998 (4 ARs 38/98) ein Vorschuß in Höhe von 10.000,-- DM auf eine zu erwartende Pauschvergütung gewährt worden war, keinen Anspruch auf deren Bewilligung herleiten. Ein Vertrauenstatbestand ist damit nicht geschaffen worden, weil endgültig erst nach Abschluß des Verfahrens in der Gesamtschau der anwaltlichen Tätigkeit und der dafür vorgesehenen gesetzlichen Gebühren über die Bewilligung einer darüber hinausgehenden Pauschvergütung befunden werden kann.
Fundstellen
Dokument-Index HI15100301 |